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Schlagwort: Leipzig

Vereinsleben 2021 – Jahresrückblick in Bildern

Die Leipziger Buchmesse konnte 2021 leider nicht stattfinden. Unser Büchercafé mit Lesungen von Günter Gentzsch und Gerhard Pötzsch wurde deshalb per Livestream übertragen – auch ein Novum für uns. Hier ein Blick hinter die Kulissen.

   

Tino Bucksch und Peter Niemann konnten im Mai einen beachtlichen Spendenscheck an die Erich Kästner-Schule übergeben. Es war die eine Hälfte der 18.224 €, die bei einem gemeinsamen Spendenlauf
der Grundschüler*innen zusammengekommen war. Die andere Hälfte ist für die Instandsetzung der Handschwengelpumpe aus der Fritz-Seger-Straße gedacht. Hier zu sehen die Begleitausstellung, die
mehrere Monate an der Schule zu sehen war.

    Foto: Andreas Reichelt

Auch bei der Nacht der Kunst am 4. September waren wir wieder dabei. Im gut besuchten Budde-Haus und unter strenger Beachtung der Corona-Regeln zeigten wir in unserem Vereinsraum Fotografienvon Bernd Heyne sowie Malerei und Skulpturen von Michael Schreckenberger

Unsere Mitgliederversammlung am 1. Oktober fand in der Westarkade des Gohliser Schlösschens statt. Vielen Dank an Herrn Roßdeutscher, der uns dies als neuer Geschäftsführer der Gohliser Schlösschen | Musenhof am Rosental gGmbH ermöglichte.

   

Ende September veranstalteten wir bereits zum 6. Mal das Interkulturelle Dankfest. Im letzten Jahr hatten wir coronabedingt absagen müssen. Die gemeinsame Veranstaltung mit verschiedenen
Religionsgemeinschaften aus dem Leipziger Norden zog wieder viele Gäste an.

   

Gohliser Geschäftsleben: Das Café Schwung und Schwebe / Dartsport in Gohlis-Mitte / Keramikwerkstatt Gabriela Roth-Budig

von Peter Niemann

Auch in diesem Herbst gibt es trotz der leider immer noch um sich greifenden Pandemie ein paar erfreuliche Entwicklungen in unserem Stadtteil, über die es zu berichten lohnt. Allen voran möchte ich ein wirklich fantastisches Café in der Coppistraße 58 vorstellen. Mit den freundlichen Inhabern konnte ich bereits vor der Eröffnung Anfang September ein ebenso entspanntes wie aufschlussreiches Interview führen:

Das Café Schwung und Schwebe

Mi – So | 9 – 19 Uhr

Es ist Mittwoch, der 22. September 2021, als das Café erstmals und quasi heimlich seine Türen für die Gohliserinnen und Gohliser öffnete. Verzichtet wurde dabei nämlich bewusst auf Eröffnungsveranstaltung nebst Brimborium. Natürlich wurde bei Anwohnerin und Passant schon Wochen vorher die Neugier geweckt. Der Standort im ehemaligen Sparkassengebäude an der Ecke Coppistraße | Corinthstraße ist schließlich vielen hier vertraut. Im September 2019 schloss die Filiale und es fiel offenbar angenehm auf, dass sich nach rund zwei Jahren Pause etwas tut.

Das Konzept des Cafés ist einfach und scheint sich wie das Teil eines Puzzles in unseren Stadtteil einzupassen. Die beiden Geschäftsführer (Kaffee-Röster | Barrista) verstehen sich als ein Kiez-Café mit einem gewissen Anspruch. Wobei deutlich betont wird, dass man Aufenthaltsqualität für alle Altersklassen und Konstellationen schaffen möchte. Der Cafébetrieb findet regelmäßig von 9 – 19 Uhr statt, in der warmen Jahreszeit dann perspektivisch auch etwas länger und im Außenbereich. Neben einer modernen Frühstückskarte gibt es zwischen 12 und 14 Uhr ein wechselndes Mittagsangebot. Die Getränkekarte ist umfangreich, legt den Fokus aber klar auf Café in dessen Vielfalt. Egal welche Mahlzeit, es wird frisch zubereitet und auch Wert auf regionale bzw. lokale Produkte gelegt, etwa durch die Zusammenarbeit mit Bauernhöfen im Umland. Sogar die 7 Mitarbeiter*innen konnten, auch dank zeitgemäßer Bezahlung, über einen einfachen Zettel an der Tür aus der unmittelbaren Umgebung rekrutiert werden. Montags und dienstags sind übrigens keine Ruhetage, sondern immer dann wird fleißig Kaffee geröstet, für den Cafébetrieb und Verkauf.

Der Weg von der Idee zum Café war zwar nicht beschwerlich, zog sich jedoch. Bereits seit rund 20 Jahren kennen sich die beiden Gründer. Die Idee, ein solches Café zu eröffnen manifestierte sich allerdings erst Silvester 2019 am Lagerfeuer. Ein Businessplan entstand bereits im Frühjahr 2020, nur die Standortsuche dauerte. Schlussendlich führte der Zufall, besser gesagt der Schornstein (für den Röstofen) sowie die günstige Raumaufteilung des Objektes in der Coppistraße nach Gohlis.

Rückblickend scheint das Konzept aufzugehen. Allein in der ersten Woche fanden sich mehr 600 zufriedene Besucherinnen und Besucher. Das Publikum ist bunt gemischt, erste Stammgäste kristallisieren sich heraus, man kommt ins Gespräch. Bald öffnet auch der Onlineshop des Röstquartiers. Für die nächste Saison ist in jedem Fall viel geplant, auch Veranstaltungen und bis dahin gibt’s im Café eigentlich alles, was den Winter ein wenig angenehmer gestaltet.

Ausführliche Informationen unter www.schwungundschwebe.de

Dartsport in Gohlis-Mitte!

Der 1. Darts-Sport-Club Leipzig 06 e.V. bietet seit vier Monaten Steeldart für Jung und Alt im Herzen von Gohlis an. Das Dart Sport Center Gohlis befindet sich in der Franz-Mehring-Straße 5, in unmittelbarer Nähe zum Coppiplatz.
Über 60 Mitglieder, davon über 50% Kinder und Jugendliche gehören dem Verein an, der mit zwei Teams in der Mitteldeutschen Steeldartsliga (MDSL, Regionalliga Sachsen) aktiv Wettkämpfe bestreitet. Der Verein selbst wurde 2006 gegründet und ist somit der älteste Dartsport-Verein Leipzigs.

Das Jahr 2020 verlief pandemiebedingt eher ruhig, wobei die Zeit genutzt wurde, um einen Ersatz für das bisherige Vereinsheim in der Leipziger Südvorstadt zu finden. Das neue Domizil in Leipzig-Gohlis wurde im August 2021 bezogen. Die Vereinsräume wurden mit einer komplett neuen Dart Board Anlage, 7 Boards mit Tablets, ausgestattet. Eine Sound- und Videoanlage wurde ebenfalls neu installiert. In Zukunft werden erstmals Ranglisten-Turniere des Sächsischen Dartverbands e. V. und größere Events auf einer Gesamtfläche von fast 120m², möglich sein.

Ausführliche Informationen unter https://www.leipzig-steeldart.de

Keramikwerkstatt Gabriela Roth-Budig

Schon das zweite Jahr in Folge musste der große Leipziger Weihnachtsmarkt sowie viele kleinere Märkte leider abgesagt werden, was den sehr hohen Infektionszahlen geschuldet ist. Für zahlreiche regionale und überregionale Künstler*innen und Handwerker*innen wirtschaftlich eine dramatische Situation. So auch für die Gohliser Keramikerin Gabriela Roth-Budig. Ihre originelle Gebrauchskeramik in charakteristischem Weiß, mit verspielten Details oder farbigen Akzenten macht sich gut unter dem Weihnachtsbaum. Frau Roth-Budig öffnet nun ihre Werkstatt am Kirchplatz 9 jeden Samstag vor den Adventssonntagen von 14 bis 18 Uhr.

Stadtradeln erfolgreich: Neuer Teilnehmerrekord

von Matthias Reichmuth

Zum alljährlichen Stadtradeln schickte der Bürgerverein Gohlis unter dem Motto „Besser radeln in Gohlis“ zum sechsten Mal in Folge ein Team ins Rennen. Dabei gelang es, mehr Menschen als zuvor zu motivieren, ihre Kilometer bei uns einzutragen: 48 Personen umfasste das Team, bei weitem nicht nur Vereinsmitglieder.

Ein Teil der Mitradelnden hatte auch Zeit für einen Ausflug (oder für beide). Bei bestem Wetter fuhren wir am 12. September über Seehausen nach Krostitz und von dort weiter mit weitem Blick über Nordsachsen bis Zschettgau und über Liemehna, Pönitz und Plaußig wieder zurück nach Gohlis, wo wir uns noch in Eutritzsch ein Eis gönnten.

Am 26.09. waren wir dann – wieder bei bestem Wetter – an der Luppe entlang unterwegs, vorbei am Schlosspark Lützschena und weiter bis Kleinliebenau, wo extra für uns die Pilgerkirche geöffnet und gezeigt wurde, die ein Verein im letzten Jahrzehnt durch sein Engagement sanieren konnte. Auf dem Rückweg gab es in der Domholzschänke eine gemütliche Pause. So konnten sich auch die Teilnehmer besser kennenlernen, die bunt zusammengewürfelt waren, vom Ökonomen im Ruhestand bis zur Fachübersetzerin, vom Geographen bis zum Zerspanungsmechaniker. Weit auseinander leben wir ja nicht, aber ohne das Stadtradeln hätten wir uns sicher nicht einfach kennengelernt.

Unser eifrigster Radler, Gerd Zimmermann, brachte es in den drei Wochen vom 10. bis 30. September sogar auf über 1.000 km. Aber auch die vielen Kleinbeiträge haben uns geholfen, diesmal Platz 37 zu erreichen. Das klingt nicht so großartig, man sollte aber wissen, dass 643 Teams unterwegs waren, und nur die besten 50 zur Preisverleihung eingeladen werden. An dieser Preisverleihung im feierlichen Rahmen der Alten Handelsbörse am 27.10. nahmen wir dann auch teil, wobei die vier ausgelosten Preise leider nicht an uns gingen. Immerhin war unter den vier Gewinnern mit „fairFahren“ auch ein Verein (der FAIRbund e. V.) mit Sitz in Gohlis. Zudem erreichte der Michaeliskindergarten den zweiten Platz in der Wertung der Kindergartenteams.

Jubiläum 150 Jahre Grundsteinlegung – Die Friedenskirche zu Leipzig-Gohlis

von Agnes Niemann

Vor 150 Jahren, im Oktober 1871, wurde der Grundstein für den Bau der Gohliser Kirche gelegt. Zwei Jahre zuvor hatte das sächsische „Ministerium für Cultus und Unterricht“ einer Ausgemeindung der Gohliser aus der Eutritzscher Kirchgemeinde zugestimmt, unter der Voraussetzung, dass umgehend ein Kirchenvorstand gewählt werde und zügig die Bauarbeiten für eine Kirche in die Wege geleitet werden.

Das Baugrundstück auf dem heutigen Kirchplatz, der damals noch Lindenplatz hieß, war ein Geschenk der Altgemeinde Eutritzsch. Nachdem sich 1870 der erste Gohliser Kirchenvorstand konstituiert hatte und als erste Amtshandlung die Pfarrstelle an den Katecheten Woldemar Seydel vergeben wurde galt es nun, der Gemeinde auch einen würdigen Raum für das wöchentliche Zusammenkommen zu schaffen.

Den Auftrag für den Bau der Kirche erhielt der junge Architekt Hugo Altendorff, dessen Bekanntheit sich bis dahin vor allem auf mehrere Umbauprojekte von Kirchen begrün-dete. Außerdem hatte er sich auch auf theoretischer und kunsthistorischer Ebene mit Sakralbauten befasst.

Vor dem Hintergrund eines sich neu entfachenden nationalen Bewusstsein im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, das unter anderem geprägt war von einer romantischen Begeisterung für die Kunst und die Bauten des Mittelalters, ist auch die architektonische Gestaltung der Gohliser Friedenskirche zu sehen.

Der Architekt Hugo Altendorff hatte als Kind seiner Zeit sehr klare Vorstellungen vom Aussehen eines ‚perfekten‘ protestantischen Kirchengebäudes; die ästhetischen und baulichen Anforderungen einer modernen Kirche sah er in idealster Weise durch den Spitzbogenstil der Gotik befriedigt. Auch die evangelische Kirchenleitung lieferte damals relativ strikte Richtlinien für die bauliche Gestaltung von Kirchenneubauten, die sich am liturgischen Regelwerk und an praktischen Notwendigkeiten des Gemeinde-lebens orientierten.

Aus diesen zeitgeschichtlichen Umständen erklärt sich das relativ schlichte Er-scheinungsbild der Gohliser Kirche, das von dem einen oder anderen als langweilig und unattraktiv bezeichnet werden mag. Der besondere Reiz der Kirche erschließt sich dem flüchtigen Besucher aber möglicherweise doch schon beim zweiten Blick oder bei einem kleinen Rundgang.

Die Friedenskirche ist ein in sich ruhender Raum mit harmonischen Proportionen, der sparsam eingesetzte Bauschmuck wirkt wie perfekt mit dem Gebäude verwachsen. Der komplett bis zur Spitze durchgehend gemauerte Kirchturm erstrahlt seit 2003 in neuem Glanz und zeugt von der besonderen Wirkung, welche die Friedenskirche in ihrer Anfangszeit gehabt haben muss.

Leider hat die Friedenskirche in ihrer relativ kurzen Geschichte viel mitmachen müssen. Der Krieg und die DDR-Zeit haben sie viele Teile der Ausstattung gekostet: z.B. die originalen bunten Glasfenster im Chor und unter den Emporen mit biblischen und historischen Motiven, an deren Anschaffung sich damals viele Gemeindemitglieder persönlich beteiligt haben. Auch die zerstörte Nordsakristei und die tief ausgewaschenen Fugen trüben immer noch das Erscheinungsbild der Friedenskirche.

 

 

Unter einem guten Stern…

von Gotthard Weidel

Vor zwei Jahren trafen sich viele Menschen zur ersten Ausgabe vom „Advent in Gärten und Höfen von Gohlis“. Wir standen um ein Feuer herum, sangen Adventslieder, hörten Geschichten und manchmal gab es Glühwein. Mit unseren gesammelten Erfahrungen und dem Zuspruch der Teilnehmenden sollte das Programm in den folgenden Jahren ausgebaut werden. Aber – dem Bürgerverein geht es wie vielen anderen Veranstaltern: Wie auch schon im Winter 2020 gelten in diesem Jahr leider wieder besondere Corona-Einschränkungen, die eine Durchführung des Adventsprogrammes nicht zulassen.

Wir wollen deshalb nicht Trübsal blasen. Advent kann weiterhin gefeiert werden. Die Familien werden ihre Wohnungen schmücken und die Fenster dekorieren. In den letzten Jahren fielen besonders unterschiedliche Weihnachtssterne auf, die aus den Stuben strahlten oder von den Balkonen leuchteten. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Arten von Sternen es gibt. Sachsen scheint eine Hochburg der Weihnachtssterne zu sein. Der klassische Herrnhuter Adventsstern führt die Auswahl an. Danach folgt das halbe Erzgebirge mit dem Annaberger-, Hasslauer-, Hartensteiner- und Zwickauer – Adventsstern. Weshalb faszinieren uns Sterne? Sie ziehen mit ihrem Licht die Aufmerksamkeit auf sich und wecken unsere Neugier. Manche verknüpfen mit den Sternen ihre Erinnerungen an die Advents- und Weihnachtszeit.

Ich erinnere mich an den ersten Adventsstern, den ich bewunderte. In der Nachkriegszeit war es sehr dunkel. Mit Stromsperren musste gerechnet werden. Eine schwache Glühbirne erleuchtete den einzigen Herrnhuter Adventsstern unseres Dorfes. Es breitete sich warmes rötliches Licht aus und strahlte bis auf den Dorfplatz. Der Stern zeigte uns Kindern: Eine gute Zeit steht bevor.

Jahrzehnte später lebte ich als sächsischer Pfarrer in einem Industriedorf mitten im Braunkohlenrevier. Die Umstände waren schwer zu ertragen. In der Adventszeit brachte die Kirchgemeinde auf dem Kirchturm einen großen Adventsstern an. Sein heller Schein strahlte sogar in die Tiefe des Braunkohletagebaus und war auch über die Abraumhalden hinweg zu sehen. Man sah aus der Tiefe und aus der Ferne, dass hier Menschen leben und Advent feiern. Das Dorf war stolz auf seinen Stern.

In der Friedenskirchgemeinde war es eine Tradition, am 23. Dezember das Weihnachtsoratorium von J.S. Bach zu singen. Die Kantorei der Friedenskirche stellte sich im Altarraum unter dem großen Adventsstern auf. Die Musikerinnen und Musiker nahmen ihre Plätze ein und alle hörten mit Pauken und Trompeten den Eingangschor: „Jauchzet frohlocket, auf preiset die Tage…“. Die Musik nahm die Menschen mit und begeisterte sie. Alle Sorgen und Probleme blieben zurück. Vielleicht begann für den Einen oder Anderen schon das Weihnachtsfest.

Ich berichte an dieser exponierten Stelle von persönlichen Erlebnissen, die jeder in einer ähnlichen Weise erlebt hat oder erleben kann. Diese Erfahrungen sind heute wichtig. Wir müssen nicht nur Einschränkungen ertragen. Vielmehr können wir uns auf gemeinsame Traditionen und Erlebnisse besinnen, die unser Leben bereichern. Dafür müssen wir nur die Augen öffnen. Falls wir uns auch in diesem Jahr nicht versammeln können, nehmen Sie sich die Zeit und erleben „Advent in den Straßen und auf den Plätzen von Gohlis“. Entdecken sie die Vielzahl von Adventssternen, unter denen Menschen wohnen. Unter einem guten Stern…wollen alle Menschen leben.

 

Gohliser Baugeschehen: Markante moderne Mehrfamilienhäuser

von Matthias Reichmuth

Nach manchen Berichten über versteckte Baustellen stehen diesmal einige Mehrfamilienhäuser im Blickpunkt, die kaum übersehen werden können, weil sie an der Berggartenstraße vom Kirchplatz aus, in der Lindenthaler Straße von der S-Bahn aus und in der Landsberger Straße schon von der Krochsiedlung aus im Blickfeld liegen.

Auf das Gebäude auf der lange brach liegenden Straßenecke von Berggartenstraße und Schorlemmerstraße hatten viele schon gewartet, denn es ist der letzte Neubau, der im Kern von Gohlis rund um den Straßenknoten entstanden ist, zum dem auch die Gohliser Straße, die Lützowstraße und der Schillerweg hinführen. Die Eigentumswohnungen wurden schon vor einigen Monaten für ca. 5.000,- Euro je Quadratmeter angeboten.

Für LWB-Blöcke am Ende der Landsberger Straße wurde am 3. September Richtfest gefeiert. Im Oktober waren in den drei Häusern mit 106 Ein- bis Vierraumwohnungen und einer integrierten Kita auch alle Fenster eingebaut. Da alle Wohnungen gefördert sind, sollten sie auch für niedrigere Einkommen erschwinglich sein. Nun werden in absehbarer Zukunft auch an der benachbarten Straßenbahnendstelle „Gohlis, Landsberger Straße“ (die schon zu Möckern zählt) etwas mehr Fahrgäste in die Linie 4 einsteigen.

Gefallen sind die Gerüste inzwischen in der Lindenthaler Straße 48-50. Die GWH-Gruppe hat dort unter der Bezeichnung „Lindeneck“ 35 Mietwohnungen und 22 Tiefgaragenstellplätze errichtet. Zur S-Bahn hin ist das Gebäude nicht ganz rechtwinklig, auch die Konstruktion mit dem zurückgesetzten Penthouse weicht etwas von den Standardformen ab, die aber entlang der Lindenthaler Straße die Fassade dominieren.
An etwas weniger auffälliger Stelle, aber ebenfalls ohne Gerüste präsentiert sich der VLW-Neubau in der Otto-Adam-Straße 11. Er ähnelt den benachbarten sanierten Altbauten mehr als seinem Vorgänger-Plattenbau. Weil die Straße etwas Gefälle hat, wurde im Erdgeschoss nur die Osthälfte mit Fenstern ausgestattet.

Seine endgültige Höhe erreicht hat auch das Mehrfamilienhaus in der Schlotterbeckstraße 2, wo 2020 einige Garagen planiert wurden, nach den ersten Baggerarbeiten im April 2021 ging es dann im Jahreslauf rasch in die Höhe. Der Quadratmeter in einer der acht Eigentumswohnungen kostet über 5.000,- Euro.

An der Ecke zwischen Etkar-André- und Michael-Kazmierczak-Straße wurde inzwischen ein Bauplatz für das Projekt „Etkar“, ein Mehrfamilienhaus mit 27 neuen Eigentumswohnungen eingerichtet: Beide Fahrbahnen wurden dafür in der Breite eingeschränkt, über eine Gitterbrücke wird Baustrom herangeführt. Im 2. Quartal 2023 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein.

Weinabende, Winterweine und Präsente im [w]einstein 13

von Monika Maywald

Vor uns liegt die Herbst- und Winterzeit mit langen dunklen Abenden. Was gibt es Schöneres, als diese heimelig bei Kerzenschein und einem guten Glas Wein zu erleben. Dabei ist Wein sicherlich nicht gleich Wein. Den wirklich guten Tropfen finden die Gäste des [w]einstein 13 während der beliebten Weinabende, an denen Monika Maywald sie auf Spuren ihrer eigenen Weinreisen auf Weinberge und in Weinkeller mitnimmt – immer mit dem entsprechenden Schluck im Glas. Fragen zur Weinentstehung, zur Reife und Genuss beantwortet die gelernte Kellermeisterin dabei gern. Kulinarische Beilagen runden das Erlebnis ab. Tickets und auch Gutscheine kann man im Geschäft direkt oder auf der Website erwerben. Den wirklich guten Tropfen findet man im [w]einstein 13 natürlich auch während der normalen Öffnungszeiten. Dabei muss ein guter Wein nicht zwangsläufig auch teuer sein, wichtig sind Entstehung, Ausbau und Geschmacksbild. Trocken oder doch eher mild? Fruchtig oder doch mit Eichenholzreife? Was passt zum Weihnachtsmenü und was zum gemütlichen Abend im Kerzenschein? Dazu berät Sie die Önologin fachkundig und hat auch den besonderen Tropfen, der als Präsent für Begeisterung sorgen wird, parat. Ein Geheimtipp ist der Chardonnay, in dem spektakulär echte Goldplättchen schweben.

Und da auch in diesem Jahr leider kein Gohliser Glühweintreff stattfinden kann – wird es im Dezember den hauseigenen Glühwein in Flaschen zum Mitnehmen geben.

Kommen Sie doch einfach mal im [w]einstein 13 vorbei. Wir freuen uns auf Sie!

Weine & Events
www.weine-events.de
[w]einstein 13, Breitenfelder Str. 20
Öffnungszeiten Dienstag/Donnerstag/Freitag jeweils 14.00 – 18.00 Uhr und nach Vereinbarung unter 0172 – 92 83 0 63

 

 

Fazit: Zeitzeugenprojekt an der Schillerschule

von Ursula Hein und Wolfgang Leyn

Als Herr Leyn und ich 2019 in der Klasse 10/1 der Schillerschule das Zeitzeugen-Projekt zu den Ereignissen von 1989/90 vorstellten, konnte keiner ahnen, wie kompliziert die Realisierung sein würde. Die Klasse, in neun Gruppen aufgeteilt, die jeweils einen der Zeitzeugen befragen sollten, ging mit Feuereifer ans Werk. Dann aber kam Corona, und das Projekt drohte zu scheitern, denn Interviews per Telefon oder Internet können die persönliche Begegnung nicht ersetzen.

Dann kam der sonnige Mai, und die Gruppen trafen sich mit ihren Interviewpartnern meist im Gartenpavillon des Budde-Hauses oder in privaten Gärten, wie Sie ja auf den Bildern in den vergangenen „Gohlis Foren“ sehen konnten.

Für die Schüler war es ein lohnendes Projekt. Es erweiterte ihren Horizont, und sicher haben sie zu Hause bei Eltern, Freunden und Verwandten weitergefragt. Das sei auch anderen empfohlen. Man darf ja nicht vergessen, die Zeitzeugen werden älter und mit der Zeit vergesslicher. Und irgendwann sind sie nicht mehr da.

Wir danken an dieser Stelle Herrn Geyer, dem Geschichtslehrer der Klasse, für seinen Einsatz. Seine Kollegen in den Gohliser Schulen möchten wir ermutigen, auch ihren Schülern die Erfahrung einer Zeitzeugenbefragung zu vermitteln. Themen gibt es genug: zum Beispiel die Veränderungen nach 1990 in Leipzig, Flucht und Vertreibung in unserer Zeit, Erlebnisse während der Corona-Krise.

Hiermit verabschieden wir uns als Autoren des Gohlis Forums und wünschen Ihnen weiter interessante Beiträge.

Neues aus der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“

Liebe Leserinnen und Leser des Gohlis Forum,

die Vorweihnachtszeit ist in vollem Gang und auch dieses Jahr bietet Ihnen die Bibliothek Gohlis wieder viele Möglichkeiten, das Weihnachtsfest auf ganz besondere Weise zu gestalten. So finden Sie in unserem Bestand natürlich eine große Auswahl an Büchern mit den besten Rezepten für Weihnachtsplätzchen und Weihnachtsbraten sowie vielen kreativen Ideen für individuelles Gestalten, Dekorieren und Verschenken.
Oder Sie nehmen einfach an unseren Weihnachts-Kreativ-Workshops teil. Unter professioneller Anleitung wird bei uns im Dezember gebastelt, verziert und upgecycelt. Janina Theiß und ihr Team zeigen Ihnen wie man mit viel Liebe zum Detail und Individualität tolle Weihnachtsbastelideen selbst entwickelt und umsetzt.
Am Donnerstag, den 2. Dezember um 16:30 Uhr, dreht sich alles um das Thema „Weihnachtsfloristik“. Aus verschiedenem Tannengrün und Naturmaterialien fertigen wir Kränze oder Gestecke für Tür und Tisch. Mit weihnachtlichen Accessoires geben wir unseren Werkstücken den letzten Schliff. Als Mitbringsel auch eine schöne Idee fürs Adventskaffeekränzchen.
Eine Woche später, am 9. Dezember, geht es weiter mit dem „Weihnachtlichen Stoffupcycling“. Der Pullover, der nicht mehr passt oder den ausgedienten Schal „upcyclen“ wir zu Weihnachtsbäumen, die garantiert keine Nadeln verlieren. Aufgehübscht mit weihnachtlichen Dekoaccessoires, Bändern und Glöckchen wird aus Alt ein wunderhübsches Neu. Auch dieser Workshop beginnt 16:30 Uhr.
Der dritte und letzte Workshop „Anhänger aus Modelliermasse“ findet am 16. Dezember um 16:30 Uhr statt. Die Plätzchen sind schon fertig? Dann machen wir einfach mit lufttrocknender Modelliermasse weiter. Wir fertigen Anhänger, die sich wunderbar als Baumschmuck machen, aber auch ganz prima als Geschenkanhänger verwendet werden können. Fertig getrocknet können sie Zuhause noch zusätzlich bemalt und dekoriert werden.
Die Teilnahme an allen Weihnachts-Kreativ-Workshops ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist erforderlich. Diese kann telefonisch oder per E-Mail erfolgen.
Das Team der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“ wünscht Ihnen eine friedliche, besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr.

Die Anmeldung für LeipzigPass-Inhaber ist ermäßigt.
Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 19. Lebensjahr können die Bibliothek kostenlos nutzen.

Bibliothek Gohlis „Erich Loest“
Stadtteilzentrum Gohlis
Georg-Schumann-Str. 105
04155 Leipzig

Tel.: 0341 / 123 5255
E-Mail: bibliothek.gohlis@leipzig.de

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 10 – 19 Uhr ; Mi 15 – 19 Uhr

 

Brandzeichen: Die Geschichten eines Gohliser Hauses

von Gotthard Weidel

Die Kinder unseres Hauses, Schorlemmerstr. 8, springen seit 78 Jahren über kleine oder größere schwarze Vertiefungen hinweg, die sichtbar in einigen Treppenstufen eingebrannt sind. Bewohner und Besucher des Hauses schreiten achtlos darüber. Wer kennt schon die Geschichte dieser Flecken auf der Treppe oder des Hauses?
Ursprünglich war das Wohnhaus für eine großbürgerliche Gesellschaftsschicht mit Etagenwohnungen von 350 qm Wohnfläche geplant. Das Haus wurde 1911 fertiggestellt. Neben den mit Stuckdecken und Parkett ausgestatteten Gesellschaftsräumen gab es ein Fräuleinzimmer für das Kindermädchen und einen kleinen Raum für die „Minna“, welche den Haushalt führte. Bereits fünf Jahre später wurden die Wohnungen geteilt, um sie besser vermieten zu können. Es entstanden Wohnungen mit „nur“ 175 qm Wohnfläche. Ab diesem Zeitpunkt wohnten laut Leipziger Adressbuch in dem Haus Geschäftsinhaber, Prokuristen, Ärzte, Akademiker, Künstler usw. Die Adresseinträge wurden ausschließlich über den Beruf der Ehemänner definiert. Ihre Frauen erfasste man nur mit dem Vornamen, Kinder gar nicht. Vorhandene Publikationen ehemaliger Mieter oder Berichte heutiger Bewohner halfen, etwas über die Geschichte des Hauses zu erfahren und Informationen über nachfolgende Personen zu sammeln:

– Alfred Doren: In der 1. Etage wohnte von 1911 – 1926 Professor Alfred Doren (15.5.1869 – 28.7.1934) mit seiner Frau Anna. Als Wirtschaftshistoriker lag sein Arbeitsschwerpunkt auf dem italienischen Zunft- und Gildewesen der Renaissance. Er vertrat, im Gegensatz zu Karl Marx, die These, dass die merkantilen italienischen Kaufmannsgilden einen wesentlichen Anschub für die Entstehung des Kapitalismus leisteten. Nach seinen Ausführungen lagen die Ursprünge des Kapitalismus in Italien. Aufgrund seiner deutsch – nationalen Gesinnung meldete er sich während des 1.Weltkriegs freiwillig als Soldat. Weder seine Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche, noch seine nationale Einstellung sollten ihn vor der Verfolgung der Nationalsozialisten schützen. Professor Alfred Doren gehörte zu den ersten jüdischen Professoren, die von der Universität Leipzig 1933 zwangsemeritiert wurden. Kurze Zeit später verstarb er 1934 in Berlin.

– Ulrich Steindorff: Der Sohn des Ägyptologen Prof. Steindorff, Ulrich Steindorff (10.3.1888 – 21.6.1978), studierte von 1908 – 1915 Jura, Philosophie und Nationalökonomie. Der junge Steindorff war als expressionistischer Schriftsteller bekannt. Sehr früh veröffentlichte er Gedichtbände und Texte. Als Schauspieler stand er auf der Bühne. Bereits 1909, also mit 21 Jahren, heiratete er in Gohlis seine Frau Marguerite, ohne eine sichere Existenz vorweisen zu können. Offensichtlich mietete der im Nachbarhaus wohnende Vater für seinen Sohn und für dessen junge Frau von 1911-1912 eine günstige Dachwohnung in der 3. Etage unseres Hauses. Später wanderte Ulrich Steindorff in die USA aus, übersetzte Mark Twain für das deutsche Publikum und schrieb mit an Drehbüchern für Hollywood. Noch rechtzeitig erreichte er bei der US-Einwanderungsbehörde, dass sein berühmter Vater, der als Jude seit 1933 nicht mehr an der Universität Leipzig lehren durfte, mit seiner Frau im Juli 1939 in die USA einwandern konnte.

– Jan Tschichold: Der Grafiker und Schriftgestalter Jan Tschichold (2.4.1902 – 11.8.74) lebte mit seiner Frau Edith von 1921 – 1922 im Erdgeschoss. Seine Schriftgestaltung war durch die „Neue Typographie“ bekannt. Nach Machtübernahme der Nazis wurde diese Form von Typographie verdrängt. Beide Ehepartner wurden 1933 verhaftet und emigrierten nach einer vierwöchigen Haft in die Schweiz. Jan Tschichold erhielt 1965 den „Gutenbergpreis der Stadt Leipzig“. Im Jahr 1966 entwickelte er die Schriftart Sabon. Eine Gedenktafel an der Gartenpforte unseres Hauses erinnert an ihn.

– Siegmund Fein: Viel dramatischer verlief das Leben des Rauchwarenhändlers Siegmund Fein (9.7.1880 – 1942). Er wohnte mit seiner Frau Erna (1888 – 1957) und seiner Tochter Marianne (16.9.1921 – ?) von 1936 – 1939 in der 2. Etage. Sein Großvater, Nachmann Fein, erwarb als galizischer Jude 1870 die Staatsbürgerschaft des Königreich Sachsen, um als Rauchwarenhändler zur Leipziger Messe noch erfolgreicher, geschäftlich tätig zu sein. Nach 1933 schränkten die nationalsozialistischen Machthaber die Geschäftstätigkeit von Sigmund Fein immer stärker ein. Die ganze Familie geriet am 9.November 1938, während der Reichsprogromnacht, in einen furchtbaren Strudel von Gewalt und Barbarei. Die Familie Siegmund, Erna und Marianne Fein konnten sich noch rechtzeitig in die USA retten.

Erna Fein berichtete später an die Leo Baeck Gesellschaft:

Am 9. November 1938 wurden mein Mann und ich früh gegen 6 Uhr geweckt und es kamen zwei Männer, die sich als Nazibeamte auswiesen, die beauftragt wären, uns zu einem Verhör abzuholen…
Mit meinem Mann ist dann Folgendes geschehen. – Er ist verhört, gepeinigt und geschlagen worden und am Abend ins Leipziger Gefängnis gekommen. Von dort ist er nach Buchenwald gekommen…
Am 12. Dezember kam dann mein Mann als gebrochener und todkranker Mann nach Hause. Wir konnten uns ein Peru-Visum besorgen u. dann sollte er das Compensationsgeschäft wegen der Nazis noch abschließen…
Zwangsarisierung: Trotzdem mein Mann so schwer krank war, Lungenentzündung und Entkräftung, schleppte ihn der Nazibeamte frühmorgens bei Winterkälte ins Geschäft. – Dort wurde er von dem Nazibeamten und dem schon eingesetzten „Treuhänder“ wie ein Krimineller über alle Geschäftssachen verhört …
Am 20. Dezember ist er dann nach Brüssel geflohen. Während seiner Krankheit nach Buchenwald haben sich einige christliche Ärzte, wie auch einige jüdische Ärzte, geweigert, ihn zu behandeln.

Ihre eigene Flucht schildert sie folgendermaßen:

1. Juni 1939: Früh um 8 Uhr ging der Zug nach Brüssel. – In Aachen an der Grenze
wurde ich als Jüdin aus dem Zug geholt… Alle Koffer wurden geöffnet…
Ich selbst musste mich nackt ausziehen und 2 Frauen untersuchten mich an meinem Körper und sahen meine Kleider durch…
Quelle: Sammlung der Leo Baeck Gesellschaft

– Raimund Köhler: Die längste Zeit von 1929 -1956 wohnte in der 1. Etage Dr. Raimund Köhler (13.12.1878 – 24.5.1961) mit seiner Frau Emmy (12.3.1886 – 1959/60?). Raimund Köhler wurde bereits 1917 in die Leitung der Leipziger Messe berufen, um die Messe auf die wirtschaftlichen Herausforderungen des 20. Jahrhunderts auszurichten. Gemeinsam mit dem jüdischen Industriellen Philipp Rosenthal führte er das doppelte M als Messesignet der Mustermesse ein und integrierte die technische Messe. Aussteller wurden gezielt eingeladen und Besucher geworben. Unter seiner Leitung nahm die Leipziger Messe eine führende Stellung in Deutschland und der Welt ein. Es ist nicht zufällig, dass in einer Figurengruppe bekannter Persönlichkeiten über dem Eingang zum Petershof in der Petersstraße Raimund Köhler, mit dem Messesignet in der Hand, an der Seite des jüdischen Bankiers Hans Kroch und des Oberbürgermeister Dr. Karl Rothe steht. Nach der Machtübernahme der Nazis verhinderte Raimund Köhler bis 1936 eine Umbenennung der Philipp-Rosenthal-Straße. Auf Betreiben des sächsischen Gauleiters Martin Mutschmann wurde er im gleichen Jahr aus dem Messeamt entlassen. Nach Ende des 2. Weltkrieges setzte sich Raimund Köhler bei den sowjetischen Besatzungsbehörden für eine Messeschau im Herbst 1945 und 1946 für die Wiedereröffnung der Leipziger Messe ein. Im Jahr 1956 verzog das Ehepaar Köhler nach Westdeutschland. Es vermachte der Friedenskirchgemeinde einen erheblichen Betrag, der 1990/91 zum Aufbau des neuen Gemeindehauses genutzt werden konnte.

Am 4.12.1943 erfolgte ein schwerer Bombenangriff auf Leipzig. Der Dachstuhl des Hauses wurde durch Phosphorbomben in Brand gesetzt. Das Feuer breitete sich aus und vernichtete auch die 2. Etage. Auf der Treppe konnte der brennende Phosphor gelöscht werden. Das Haus galt als unbewohnbar.

Die Wohnungsnot in der Nachkriegszeit war so groß, dass nach Absprache mit der Hausbesitzerin Emmy Köhler der Kaufmann Erhard Köhler (13.01.1909 – 30.11.1978) die notwendigen Kredite besorgte und Bauarbeiten organisierte. Das fehlende Dach wurde als Notdach errichtet. Danach erfolgte der Ausbau der Wohnungen in der 2. Etage. Nach dem Ableben der Besitzer Emmy und Raimund Köhler übernahm und verwaltete die Kommunale Wohnungsverwaltung Leipzig/ (KWV) ab 1961 das Haus. In der Nachkriegszeit wies man in die „gutbürgerlichen Wohnungen“ zwei Teilhauptmieter und manchmal noch ein „Fräulein“ ein. Es ist heute kaum vorstellbar, wie unterschiedliche Mietparteien ein gemeinsames Bad mit Toilette nutzten oder sich in eine Küche „reinteilten“.
In den folgenden 40 Jahren wurde das Notdach immer undichter. Am Anfang ließen sich die Tropfen noch mit Schüsseln auffangen. Später standen Wannen unter undichten Stellen. Vor jeder Regenperiode gab es ein „Wannen – Ballett“. Mit Regenwasser gefüllte Wannen mussten entleert werden. Dank der Bewohner, die immer wieder die Dachschäden notdürftig reparierten, blieb das Haus bewohnbar. In der Zwischenzeit hatte die KWV das Haus längst aufgegeben.
Im Frühjahr 1990 wandten sich die Mieter mit dem Antrag an die Stadt Leipzig, das baufällige Gebäude zu kaufen, um es gemeinsam zu sanieren und um die entstehenden Eigentumswohnungen selbst zu nutzen. Eine Eigentümergemeinschaft löste die anfallenden Grundstücks- und Bauprobleme. Der Dachstuhl konnte 1996 wieder aufgerichtet werden. Verbliebene Mieter und neue Wohnungseigentümer bezogen im gleichen Jahr das umfänglich renovierte Haus.
Die Eigentümergemeinschaft feierte 2021 das 25-jährige Jubiläum ihrer Gründung. Es war ein Anlass, nach den damaligen Bewohnern zu fragen, die in der Vergangenheit im Haus wohnten, und den Ursachen der schwarzen Brandflecke auf der Treppe nachzugehen. Aus Bildern und Zeitdokumenten entstand eine kleine Ausstellung. Sie befindet sich im Treppenhaus.
Wir können Brandmale, die sich im Laufe von 100 Jahren in die deutsche Geschichte einbrannten, nicht ausradieren. Aber – wir können mit Hilfe einer Hausgeschichte verdeutlichen, wie Vergangenheit und Gegenwart, Niedergang und Aufbau zusammengehören.

 

 

Gefeiert auf Europas Konzertbühnen – zu Hause im Dorf Gohlis

Inspiriert durch Marianne Kirchgessner, der berühmtesten Glasharmonika-Virtuosin ihrer Zeit, führen Sie Musiker, Sprecher, Historiker und Wissenschaftler*innen in drei exklusiven Veranstaltungen durch die
bewegte Geschichte der Anfang des 19. Jahrhunderts in Gohlis ansässigen Ausnahmekünstlerin.

Den Auftakt gibt der aus Augsburg stammende Glasharmonika-Virtuose Bruno Kliegl, der am Freitag, den 19.11.2021 in einem Gesprächskonzert speziell für dieses Instrument gefertigte Kompositionen u.a. von
Mozart und Beethoven zu Gehör bringen wird. Die Moderatoren Dominik Dungel und Dr. Birgit Heise klären über die Besonderheiten des Instruments auf und bieten Einblicke in das aufregende Zeitalter der
Empfindsamkeit: Frau Kirchgessner und Gohlis stehen ebenso im Fokus wie Fragen zum Aberglauben, dass gläserne Klänge krank machen können, dass sie zu hypnotischen Zuständen führen und
gespenstische Stimmungen erzeugen.

Weiter geht es am darauffolgenden Samstagmorgen ab 11 Uhr mit einem geführten Rundgang durch Gohlis, bei dem der Journalist und Historiker Wolfgang Leyn Einblicke in das ländliche Leben zu Zeiten
von Marianne Kirchgessner gibt und verrät, was das Dorf Gohlis vor den Toren der Stadt seinerzeit für die Leipziger*innen so attraktiv machte. Im Schillerhaus besteht die Möglichkeit, ein Modell des Dorfes vor
1800 zu besichtigen.

Das Übersinnliche gehört dazu, wenn auf Gläsern Musik ertönt. Zum Abschluß des Themenwochenendes liest MDR-Nachrichtensprecher Ryo Takeda am Samstag um 17 Uhr aus gespenstischen Geschichten
begleitet von Bruno Kliegl auf der Glasharmonika.

Weitere Informationen und die Bestellung von Eintrittskarten (ab 8 Euro p. P.) sind telefonisch unter 0341-58615846 oder online unter www.gohliserschloesschen.de möglich.

Wir freuen uns auf Sie!
Die Veranstaltungen findet unter Berücksichtigung der 2G-Regel statt.

VERANSTALTUNGEN AUF EINEN BLICK:
Freitag, 19.11.2021 | Gesprächskonzert | 19.30 Uhr
„Glasharmonika, Geister & Gohliser Geschichten“
Mitwirkende: Bruno Kliegl, Dr. Birgit Heise und Dominik Dungel

Samstag, 20.11.2021 | Rundgang | 11 Uhr
„Auf den Spuren Marianne Kirchgessners –
der berühmtesten Glasharmonikavirtuosin ihrer Zeit “
Rundgang mit Wolfgang Leyn | Treffpunkt Schlosshof/Menckestraße 23

Samstag, 20.11.2021 | Musikalische Lesung | 17 Uhr
„Glasharmonika & Geister – Gespenstertee“
Mitwirkende: Bruno Kliegl | Ryo Takeda

Gohlis Forum – Ausgabe 5 für 2021 erschienen

von Agnes und Peter Niemann

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser 5. Ausgabe des Gohlis Forums informieren wir wieder über aktuelle Ereignisse in unserem Stadtteil. Auch diesmal gibt es viel zu erzählen: Gohlis entwickelt sich an allen Ecken und Enden. In der Rubrik Geschäftsleben auf Seite 3 berichten wir über neue Geschäfte. Auch gibt’s einen ausführlichen Bericht zum Makerspace – einer Mitmachwerkstatt im Herzen unseres Stadtteils.

Weitere Bauprojekte stehen für das nächste Jahr an: lesen Sie auf Seite 8 einen Ausblick auf die längst überfällige Sanierung der Landsberger Straße. Auch der historische Gohliser Anger in der Menckestraße soll neu gestaltet und als historische Stätte gewürdigt werden (S. 10).

Mit der 11. Nacht der Kunst Anfang September liegt eines der großen kulturellen Highlights des Leipziger Nordens hinter uns. Mehr als 1.500 Menschen haben an jenem Abend bspw. den Weg ins Budde-Haus gefunden. Aus unserer Sicht ein gutes Zeichen und wir freuen uns schon sehr auf einen Herbst voll gut besuchter Veranstaltungen in unserem Lieblingsstadtteil!

Die vollständige Ausgabe kann hier im Archiv gelesen werden.

DIY in Gohlis – Makerspace – Gemeinschaftswerkstatt für SELBER-MACHER:innen

von Peter Niemann

Es ist das Ende einer ganz kleinen Straße in Gohlis Mitte, wohin es mich an jenem Freitag im September verschlägt. Denn vor etwa einem Jahr hat sich in der Stoye-Straße ein Projekt angesiedelt, von dem ich schon viel Spannendes gehört habe und welches ich mir unbedingt live anschauen wollte: Der Makerspace. Genau so steht es auch auf dem Schild über der kleinen Tür im Eingangsbereich. Mit dem Übertreten der Schwelle öffnet sich eine weitläufige Halle und ich werde dort unmittelbar und sehr herzlich von Claire Fabian empfangen. Sie ist an jenem Tag Ansprechpartnerin für alle Anliegen der fleißig werkelnden Mitglieder des Makerspace und für interessierte Menschen, wie mich. Wobei es egal ist, ob man sich zum Arbeiten angemeldet hat oder spontan hereinschneit – man bekommt eine Führung durch die ausgedehnten Hallen sowie die Gelegenheit, alle möglichen Fragen loszuwerden.
Während meines Rundgangs war ich ziemlich beeindruckt von den vielen verschiedenen Gewerken und den unzähligen Möglichkeiten, die sich dem kreativen Menschen hier auf rund 600qm bieten: So gibt es einen Textilbereich mit Industrienähmaschinen, Dampfbügeleisen und großem Zuschneidetisch. Daneben gut ausgestattete Bereiche für Keramikherstellung und Metallbau. Auch ein sogenanntes FabLab (Fabrikationslabor) ist zu finden, wo der Zugang zu modernen Fertigungsverfahren ermöglicht wird. Hier findet man einen Laser, für Gravuren auf Werkstücken etwa oder für den Beschnitt von selbigen. Derzeit wird die Anschaffung einer CNC-Fräse sowie eines 3D-Druckers vorangetrieben. Im südlichen Teil bieten lichte Räume Platz für Workshops und die technischen Voraussetzungen für professionelle Videokonferenzen. Weiter hinten in der Halle entstehen derzeit eine (mobile) Fahrradwerkstatt, eine Siebdruckanlage sowie ein Fotostudio nebst Dunkelkammer. In dem sehr gemütlichen Bar- und Aufenthaltsbereich im Zentrum des Makerspace treffen sich die Mitglieder gerne in den Pausen.

Claire selbst ist Biologin, im Makerspace für den Keramik-Bereich zuständig und unterstützt das Projekt schon seit Jahren ehrenamtlich. Dabei ist es nicht nur Leidenschaft fürs Handwerk, sondern das soziale Gefüge, welches Claire anspricht. Die Mitglieder stammen aus allen möglichen Altersgruppen und sozialen Schichten. Und so begegnen ihr immer wieder Menschen, mit denen sie sonst vermutlich nie in Kontakt kommen würde. Die Mitglieder seien grundsätzlich sehr hilfsbereit und viele von ihnen widmen ihre Freizeit nicht nur den eigenen Projekten, sondern sind auch an der Weiterentwicklung des Gesamtprojekts interessiert. Der neue Standort in Gohlis gefällt ihr ziemlich gut. Er ist größer als die Halle in der Bitterfelder Straße, die dem Makerspace von 2015 bis 2020 ein Zuhause bot. Zudem sei man im Herzen von Gohlis gut angebunden und es blieben so (fast) keine Wünsche offen.
Probleme bleiben selbstverständlich nicht ganz aus. Dabei reicht die Bandbreite von kleineren „WG-Problemen“ um Abwasch und Aufräumen von Arbeitsplätzen etwa, hin zu echten Herausforderungen. Völlige Barrierefreiheit, die Ausstattung mit sanitären Anlagen sind hier zu nennen sowie auch der eher träge Kontakt zur Hausverwaltung. Man wartet schon lange auf den Ausbau des Stromnetzes sowie eigentlich sogar vertraglich zugesicherte Heizmöglichkeit im Winter. Das ist v.a. auch hinsichtlich der teuren und teilweise sehr kälteempfindlichen Maschinen wichtig. Von der Stadtverwaltung und den Multiplikatoren vor Ort wünscht sie sich, dass man jetzt schon den Blick auf die Zukunft richtet. Der bestehende Festvertrag zwischen der Stadt und dem Eigentümer des Gebäudekomplexes hat nämlich nur eine Laufzeit von 10 Jahren. Ihr größter Wunsch ist Sicherheit für den Standort in Gohlis. Schließlich sei der Makerspace ein zeitloses Projekt, von dem die Menschen im Stadtteil und darüber hinaus immer profitieren können.

Wie kann man im Makerspace mitmachen?

Ganz grundsätzlich ist jede und jeder herzlich im Makerspace willkommen. Eine Mitgliedschaft kostet rund 25€ pro Monat und ein Antrag kann ganz einfach online ausgefüllt werden. Die Einnahmen fließen in die Wartung und Reparaturen von Maschinen sowie die Neuanschaffung von Geräten. Bevor man loswerkeln kann, bekommt man eine ebenso fundierte wie freundliche Einweisung in die Geräte und die Abläufe vor Ort. Außerdem braucht es immer engagierte Leute, die eigene Ideen in den Makerspace einbringen und weiterentwickeln, sei es als Workshopleiter/in oder Verantwortliche/r für ein bestimmtes Gewerk.

Gibt es Angebote für Kinder?

Auch wenn es für Kinder (leider!) gerade keine Workshops gibt und eine Mitgliedschaft erst ab 14 Jahren möglich ist, sind diese gerne gesehen. So bietet der bequem eingerichtete Aufenthaltsbereich genug Raum zum Warten, Spielen und Lesen. Natürlich können die Kleinen auch – unter den wachsamen Augen der Eltern und mit ein paar nachvollziehbaren Einschränkungen – fleißig mitwerkeln.

Wie kontaktiert man den Makerspace?

Ganz einfach im Rahmen der Öffnungszeiten vorbeikommen. Geöffnet ist der Makerspace täglich, außer sonntags und montags. Man kann sich auch via info@makerspace-leipzig.de anmelden. Sämtliche Informationen und aktuelle Termine finden sich ansonsten auf der Website https://makerspace-leipzig.de

Wo ist denn nun eigentlich diese Stoye-Straße?

Da selbst vielen gestandenen Gohliserinnen und Gohlisern ‚Stoye-Straße‘ erst einmal nichts sagen wird und auch Google Maps die Straße (noch) nicht zu kennen scheint, hier noch einige Hintergrundinfos zur erfolgreichen Verortung:
Im Mai 2018 nämlich, und analog zur Beschlussvorlage VI-DS-05361-NF-05 sprach sich die Ratsversammlung für die Teilumbenennung eines Straßenabschnittes der Halberstädter Straße aus. Eine genutzte Chance! Denn spätestens mit der feierlichen Einweihung vor ziemlich genau drei Jahren und der Installation von Straßen- und Zusatzschild wurde so ein Stück Gohliser Stadtteilhistorie transparent gemacht: Erinnert wird seitdem an den Leipziger Seitenwagen-Konstrukteur und -Hersteller Walter Stoye (1893-1970), dessen 1925 gegründetes Unternehmen ab 1944 an eben jenem Ort saß.
Das kleine Areal zwischen der Lindenthaler Straße, den beiden S-Bahnlinien und der Stoye-Straße entwickelte sich beständig weiter. Besonders markant ist der Gebäudekomplex des ehemaligen Autohauses. Dieser beherbergt seit September 2019 mit dem Kunsttanker den Ort mit der wohl größten Dichte an Kultur- und Kunstschaffenden im Leipziger Norden. Im September 2020 siedelte sich schließlich mit dem Makerspace ein wirklich tolles Projekt in der Straße an, das unseren Stadtteil hoffentlich noch viele Jahre bereichern wird.

Geschichte in Geschichten (Teil 9) – Schüler fragen Zeitzeugen: Gotthard Weidel

von Denise Beck, Flora Budde, Paul Schreiber

Gotthard Weidel, geboren 1947, wuchs in der DDR auf. Als Wehrdienstverweigerer studierte er Theologie von 1967 – 1972 in Leipzig. Nachdem er als Pfarrer in Kahnsdorf tätig war, kam er 1984 an die Friedenskirche in Gohlis. Seit den 80er-Jahren nahm Gotthard Weidel aktiv an den Friedensgebeten teil. Am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung, hielt er in der Nikolaikirche die Predigt zum Friedensgebet. Nach 1996 arbeitete er bis zu seiner Pensionierung 2009 als Soldatenseelsorger in der Bundeswehr.

Wie war Ihr Verhältnis zum DDR-Regime?
Pfarrer Weidel: Ich wurde in der DDR nicht verfolgt, litt aber unter Rechtlosigkeit, am Mangel von Gestaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Leben und an fehlender, persönlicher Freiheit. Für das tägliche Brot in der DDR war gesorgt. Die restlichen Dinge musste man sich organisieren. Wir lebten in der „größten DDR der Welt“, aber sie war in keiner Weise weltoffen. Keiner rechnete mit dem Fall der Mauer oder dem Niedergang der DDR. Deshalb wollten viele das Land verlassen. Sie sahen für sich in der DDR keine Zukunft .

Ich bin heute noch der Meinung, dass, wenn es in der DDR mehr Teilhabe oder Gespräche gegeben hätte, wären Entwicklungen möglich gewesen. Aber – die Menschen mit ihren kritischen Fragen und kreativen Fähigkeiten wurden nicht ernst genommen. Das sind meine Erfahrungen. Wer damals in Leipzig lebte, konnte alle Probleme der DDR hautnah miterleben.

Herrschte innerhalb Ihrer Gemeinde eine einheitliche politische Position?
Pfarrer Weidel: Nein. Ich denke, das ist ganz normal… Viele Mitbürger, die den 2. Weltkrieg und den 17. Juni 1953 erlebt hatten, waren damals nicht der Meinung, etwas verändern zu können. Für sie war es eher eine Frage, wie können wir in Ruhe leben. Das musste ich akzeptieren. Es gab auch Menschen, denen die Forderungen nach Entwicklung und Teilhabe zu lasch waren. Wiederum gab Christen, die die Meinung vertraten, dass allein das Gebet friedliche Veränderungen bringen kann und das Entscheidende im Leben eines Christen ist.

Wir nahmen sehr bewusst in der Friedenskirche diese Themen wahr. Auf der einen Seite versammelte sich die „Gruppe Hoffnung“. Die Antragssteller, welche die DDR verlassen wollten, fanden keinen Ort, an dem sie sich versammeln konnten. Auf der anderen Seite traf sich eine „Dialog – Gruppe“. Ihr Ziel bestand nicht darin, die DDR zu stürzen. Vielmehr wollten die Teilnehmer mitreden, mitgestalten und das Land verändern. Ich arbeitete mit engagierten Gemeindeglieder in dieser Gruppe zusammen.

Ich erlebte, dass oft interessierte, engagierte und junge Menschen den „Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR,“ wie es offiziell hieß, stellten. Die zurück bleibenden Eltern, Freunde oder Kollegen waren hier verwurzelt. Sie erlebten schmerzhaft, wie ihre Kinder und Enkelkinder nach der Ausreise hinter einer fast undurchlässigen Grenze im Westen lebten. Nur zu besonderen Anlässen konnte ein Antrag auf eine Reisegenehmigung gestellt werden. Während einer Demonstration im Herbst 89 wurde eine ältere Frau von einem Reporter gefragt: „Warum sind sie hier?“ Sie antwortete: „Unsere Kinder und Enkelkinder gehen in den Westen. Wir bleiben zurück. Das muss anders werden.“ Die Menschen und Familien wurden durch solche Erfahrungen zerrissen.

Gab es staatlichen Druck oder Benachteiligungen, um Sie von Ihrer Mitwirkung in kirchlichen Initiativen abzuhalten?
Pfarrer Weidel: Viele Menschen in der DDR erlebten Benachteiligungen oder Ärgernisse. Besonders in den 50er- und 60er-Jahren wurden Andersdenkende verfolgt, verurteilt und inhaftiert. Damit ist mein Leben nicht zu vergleichen. […] Einmal sagte eine Lehrerin im Unterricht zu meinem Sohn: „Was nützt es, wenn dein Vater „preedigt“, dann fuhr sächsisch fort, „und wir haben keene Breetchen?“ Der Beruf des Vaters darf keine Rolle für einen Lehrer gegenüber seinen Schülern spielen. Ich wollte die Lehrerin umgehend sprechen. Es war nicht möglich. Ich versuchte es mehrmals und hatte keinen Erfolg. Erst als ich mich an den Rat der Stadt wandte, erfolgte eine Reaktion in der Schule. Es wurde von einem Missverständnis gesprochen. Eigentlich hatte ich die Absicht, mit der Lehrerin in einen Dialog zu treten. Ein Gespräch wurde mir verweigert.

Waren auch Ihre Familienmitglieder von Schikanen betroffen?
Pfarrer Weidel: Meine Frau hatte Ökonomie studiert. Sie konnte in der DDR nie einen leitenden Posten erreichen, weil sie die Frau eines Pfarrers war.

Hatten Sie Angst, dass Ihre kritische Haltung gegenüber der DDR negative Folgen nach sich ziehen könnte?
Pfarrer Weidel: Ja, während der Demonstrationen im Herbst 1989 hatten wir Angst. Entweder meine Frau oder ich konnten jeweils an einer Demonstration teilnehmen. Unsere Kinder sollten im Falle einer Verhaftung nicht allein bleiben. […] Es gab damals Verhaftungen. Gleichzeitig zeigten viele Solidarität mit den Verhafteten. An der Nikolaikirche waren die Fenstergitter mit Namen von verhafteten Personen, mit Blumen, Mitteilungen, Gebeten und Grüßen bestückt. Die Menschen hatten die staatliche Bevormundung satt. Sie hatten zwar Angst, aber ließen sich ihren Mut und Zuversicht nicht nehmen. Auf der Straße überwanden sie Schritt für Schritt ihre Angst. Aus den 70.000 am 9. Oktober wurden eine Woche später 125.000 Demonstranten.

Wie drückend empfanden Sie Ihre Verantwortung als Pfarrer?
Pfarrer Weidel: Die Kirche war ein geschützter Raum. Als Mitglied der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der UNO, musste die DDR auf die öffentliche Meinung anderer Staaten Rücksicht nehmen. […] Wir, die Kirchen, waren der einzige nicht integrierte Bestandteil in der DDR… Als Pfarrer konnte ich so Räume der Kirchgemeinde hilfesuchenden Menschen zur Verfügung stellen. Im Juli 1989n fand ein Kirchentag in Leipzig statt. Eine Gruppe demonstrierte mit chinesischen Schriftzeichen und erinnerte an den 1989 niedergeschlagenen Aufstand auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking. Diese Gruppe setzte nach dem Kirchentag auf der Karl-Liebknecht-Straße ihre Demo fort. Sofort verfolgte die Staatssicherheit die Teilnehmer. Sie flüchteten zur Peterskirche. In die Peterskirche folgten die Mitarbeiter der Staatssicherheit nicht. Es gab auch für die Stasi Grenzen. Kirchen sind seit dem Mittelalter ein Zufluchtsort für Verfolgte.

Am 5. Oktober, während einer Dienstberatung aller Leipziger Pfarrer mit dem sächsischen Landesbischof Johannes Hempel, sprachen wir über das am 9. Oktober bevorstehende Friedensgebet. Es stand die Frage im Raum: Ist es verantwortlich, das Friedensgebet durchzuführen? Es kann sein, so lauteten unsere Überlegungen, dass es nach der Beendigung zu Auseinandersetzungen mit den staatlichen Organen kommt. Andererseits: Ist es verantwortlich, das Friedensgebet abzusagen?

Das Resultat lautete: Es werden am kommenden Montag in mehreren Innenstadtkirchen unserer Stadt Friedensgebete durchgeführt! Die Kirchen bleiben bis zur Beendigung der Demonstration als Fluchtmöglichkeit offen.

Sie haben am 9. Oktober in der Nikolaikirche die Predigt gehalten. Was war Ihnen dabei besonders wichtig zu vermitteln?
Pfarrer Weidel: Unser Thema lautete: „Volkes Stimme lasst uns sein“. Daraus wurde auf der Straße „Wir sind das Volk“. Das lag in der Luft. Eine Basisgruppe erarbeitete das Konzept des Friedensgebets. Nach dem brutalen Vorgehen der Polizei am 7. Oktober schrieb ich meine Predigt neu. Sie sollte offen, einladend und dialogfähig sein. Die Menschen sollten auch mit unterschiedlichen Anschauungen als Gesprächspartner ernst genommen werden. Ich zitierte „Das Rad der Geschichte kann nicht zurückgedreht werden“ und fuhr fort: „Das gilt auch jetzt in unserer Stadt. Wir müssen miteinander reden. Dieses Land und unsere Stadt lässt sich nur auf diese Weise verändern.“

Am 9. Oktober 1989 gab es eine Liste, auf welcher 130 Personen – unter anderem auch Sie – vermerkt waren, für die Verhaftungen vorgesehen waren. Fürchteten Sie sich vor einer Festnahme?
Pfarrer Weidel: Ich ahnte, dass es Listen für geplante Verhaftungen gibt. Mir war klar, dass sich im Falle einer Verhaftung meine Kirche für mich einsetzt.

Welche Erwartungen haben Sie damals mit der Friedlichen Revolution verbunden? Sind diese in Erfüllung gegangen?

Pfarrer Weidel: Ich kenne niemanden, der damals den Sturz der DDR wollte. […] Die Macht der SED wurde von der Staatssicherheit abgesichert. Die hochgerüstete Sowjetunion und die besondere politische Lage im geteilten Deutschlands schlossen nach meiner Meinung weitgehende Veränderungen aus. Erst 1990 erkannte ich, wie kleinkariert mein Realismus war. Ein Jahr später gab es die DDR nicht mehr. […] Aber – ich besaß im Oktober 1989 die Hoffnung auf Veränderungen. Ich wollte über Fragen und Themen sprechen, die mich und meine Gemeinde beschäftigten. Ich wollte frei sein.

Welche allgemeinen Forderungen existierten in der kritischen Bevölkerung?
Pfarrer Weidel: Die Menschen wollten eine freie Presse, Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, selbstständige Parteien und freie Wahlen. Das war wenig. Es sind die Grundelemente bürgerlicher Freiheit. Wenn diese Forderungen erfüllt worden wären, musste die DDR zusammenbrechen. Das ist mir später klargeworden.

Haben Sie sich mehr von der Wende erhofft? Und wurde Ihnen seitens Ihrer Gemeindemitglieder von Enttäuschungen berichtet?
Pfarrer Weidel: Als Pfarrer erlebte ich vieles auf einer persönlichen Ebene hautnah mit, aber meine Erwartungen hielten sich in Grenzen.

Viele Menschen erwarteten, dass sich auf einmal das Füllhorn öffnet. Diese Vorstellung war eine Illusion. Die versprochenen blühenden Landschaften sind heute vorhanden. Da kann man sagen, was man will. Aber – ich denke an meine Gemeindeglieder, die nach einem langen Berufsleben arbeitslos wurden. Was bedeutet es, plötzlich die Arbeit zu verlieren und in soziale Notlagen oder Abhängigkeiten zu geraten? Es war für viele auch eine Katastrophe.

Redaktionell bearbeitet von Ursula Hein und Wolfgang Leyn

Der Gohlis-Kalender 2022: Spielen in Gohlis – Großes für Kleine

Seit einigen Jahren initiiert der Bürgerverein einen Wandkalender, der ausgewählte Themen in unserem Stadtteil beleuchtet. Auch in diesem Jahr sind viele Menschen unserem Aufruf gefolgt und haben emsig Texte und Bilder beigesteuert. Dafür möchten wir an dieser Stelle danken!

Das Thema unseres aktuellen Kalenders ist ‚Spielen in Gohlis‘ – jedes Kalenderblatt präsentiert dabei einen Gohliser Spielplatz. Auf der Rückseite der Kalenderblätter erfahren Sie in Text und Bild interessante Details zu Lage, Geschichte und Besonderheiten dieser Plätze. Ab Mitte Oktober gibt‘s den Wandkalender im A4-Querformat für 9 € in ausgewählten Buchhandlungen wie dem „Bücherwurm“, Gohliser Straße 20 oder der Verlagsbuchhandlung Bachmann, Markt 1. Direkt beim Bürgerverein kann dieser unter buergerverein@gohlis.info oder telefonisch unter 0341-20018556 montags bis freitags zwischen 10 bis 17 Uhr bestellt werden. Dieser wird dann frei Haus geliefert oder zugesandt. Abgeholt werden kann sich dieser ebenso zur Sprechstunde des Vereins am Freitag zwischen 10-12 Uhr in der Lützowstraße 19.

Auftakt zur Mosaikgalerie

von Jürgen Schrödl

Ein Samstagvormittag Anfang August. Ein bunter Menschenmix von jung bis älter versammelt sich im Einfahrtsbereich des Budde-Hauses vor einer güldenen Plane. Ein Saxophon bläst „Over the rainbow“. Kurze Ansprachen und dann wird der erste Teil der Mosaikgalerie feierlich enthüllt.

Zehn Jugendliche zwischen 18 und 22 Jahren hatten dieses Kunstwerk vom 26. Juli bis zum 6. August unter Anleitung der Leipziger Mosaikkünstlerin Jana Beerhold geschaffen. Vier Jugendliche kamen aus Italien und Frankreich, sechs waren Auszubildende des Berufsbildungswerkes Leipzig für Hör- und Sprachgeschädigte gGmbH. Alle waren von den Entwurfsideen bis zur finalen Anbringung und Verfugung der vielen bunten Mosaiksteine beteiligt. Was dabei entstand, ist nicht nur etwas Bleibendes, an dem sich die Besucher*innen des Budde-Haus-Geländes künftig erfreuen werden, sondern es war ein inklusives Projekt, bei dem Jugendliche unterschiedlicher Herkunft und sozialer Schichten, mit und ohne körperliche Beeinträchtigungen gemeinsam kunsthandwerklich tätig waren und voneinander lernten.

Partner des Projektes waren das EU-Austauschprojekt des FAIRbund e. V., das Budde-Haus und das Berufsbildungswerk Leipzig. Finanziert wurde es durch den Europäischen Solidaritätskorps und die Deutsche Organisation für Mosaikkunst e. V. (DOMO). In den nächsten zwei Jahren sollen zwei weitere Mosaike die Galerie vervollständigen.

Geführte Rundgänge durch das Gohliser Schlösschen

Bereits seit einigen Monaten lädt der wunderschöne Barockgarten des Gohliser Schlösschens wieder immer Dienstag bis Sonntag zwischen 10 – 20 Uhr große und kleine Gäste zum Verweilen, Ausruhen und Genießen ein. Aber auch das Schlösschen lässt sich wieder erkunden – interessierte Besucherinnen und Besucher können an geführten Rundgängen durch die prächtigen Innenräume des bedeutendsten Barockdenkmals der Stadt Leipzig teilnehmen. Die öffentlichen Führungen finden jeden Sonntag um 11 Uhr statt. Treffpunkt ist der Eingang über die Menckestraße 23 des Gohliser Schlösschens. Gruppenführungen sind auf Anfrage individuell buchbar.

Weitere Informationen zu den öffentlichen Rundgängen und dem gesamten Veranstaltungsangebot sind online unter www.gohliserschloesschen.de zu finden, Kartenreservierungen sind auch telefonisch unter 0341-58615846 möglich.

Aus dem Geschäftsleben

von Tino Bucksch

Wir berichten von zwei Neuigkeiten aus dem Geschäftsleben, die eng mit einander verbunden sind:

Salumeria Italiana
Jahrelang konnten Genießerinnen und Genießer der italienischen Küche in der Stockstraße warme und kalte Speise genießen. Leider war der dortige Platz begrenzt für die Pläne der Inhaber, so dass diese ihr Geschäft in die Prellerstraße 54a verlagerten. Dort können seit Anfang April nicht nur die gewohnte italienischen Feinkost gekauft werden, sondern die neuen Räumlichkeiten bieten auch genügend Platz, um nun auch warme Speisen und Pizza anzubieten.

Rudolf und Regine
Das Ladengeschäft in der Stockstraße blieb nicht lange verwaist – seit dem 01. Juni lädt dort die Besitzerin Ira Nemeth unter dem Motto „Kommt vorbei und probiert es aus“ in ihren Concept Store „Rudolf und Regine“ ein. Für die besondere Zielgruppe der Familie bietet sie nicht nur Waren zum Kauf an, viele der Artikel können auch vorher gekostet oder ausprobiert werden – so gibt es nicht nur Lebensmittel zu kaufen, sondern auch Spiele und Spielzeug für die Kleine. Dabei sind ihr die regionale Herstellung, fairer Handel und Nachhaltigkeit wichtig. Darüber hinaus gibt es im Garten Veranstaltungen oder Kurse, die über die Website www.rudolfundregine.de gebucht werden können.

Neues aus der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“

Liebe Leserinnen und Leser des Gohlis Forum,

zum dritten Mal wurde dieses Jahr der „Erich-Loest-Preis“ vergeben. Mit ihm sollen bevorzugt mitteldeutsche Autorinnen und Autoren ausgezeichnet werden und er ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Auswahl der Preisträgerin bzw. des Preisträgers erfolgt ausschließlich durch eine Jury. Nach Guntram Vesper 2017 („Frohburg“) und Hans Joachim Schädlich 2019 („Felix und Felka“) wurde dieses Jahr die 1979 in Großenhain geborene Autorin Ulrike Almut Sandig ausgezeichnet. Die Auszeichnung erhielt sie für ihr lyrisches Werk und ihren 2020 erschienenen Roman „Monster wie wir“. Er erzählt lebhaft, anschaulich und detailgenau vom Aufwachsen in einer sächsischen Kleinstadt in den späten Jahren der DDR. Aus dem Abstand von einem Vierteljahrhundert und in einer Mischung aus rückblickender Erinnerung und unmittelbarem Erleben berichtet die Ich-Erzählerin Ruth von ihrer Kindheit im ostdeutschen Braunkohlegebiet. Doch das zentrale Thema des Romans wird schnell deutlich. Häusliche Gewalt scheint allgegenwärtig und wird als selbstverständlich hingenommen. Ein Roman über sexuellen Missbrauch, Gewalt und deren Langzeitfolgen, eine Geschichte von starker Eindringlichkeit und Intensität, von Um- und Aufbrüchen, von Identitätsverlust und der Suche nach Selbstbestimmung! Wer sich ein eigenes Urteil bilden möchte, kann dies gerne bei uns tun. „Monster wie wir“ befindet sich natürlich im Bestand der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“.

Naxos Music Library

Nachdem wir Ihnen in der vorletzten Ausgabe des „Gohlis Forum“ mit Medici.tv einen Streaming-Dienst zu Klassischer Musik, Opern- und Tanz-Videos vorgestellt haben, möchten wir Ihnen heute ein weiteres Online-Angebot der Leipziger Städtischen Bibliotheken näherbringen! Die Naxos Music Library eröffnet den Nutzerinnen und Nutzern die weltweit größte Datenbank für klassische Musik in bester Audioqualität. Sie ist mit 2,5 Millionen Titeln von mehr als 160.000 CDs die weltweit größte Online-Datenbank für klassische Musik mit integriertem Musikstreamingservice. Alle Werke und Einzelsätze können in voller Länge und werbefrei angehört werden, in Premium-Qualität mit 320 kbit/s. Mehr als 800 Musiklabels sind mit ihren Einspielungen vertreten. Die Musikdatenbank beinhaltet zudem professionell aufbereitete Metadaten, Infotexte zu Werken, Werkanalysen, Biographien, Playlists, digitale Booklets und weitere Features zur Musikinformation. Für eine ausgiebige Recherche stehen erweiterte Suchoptionen zur Verfügung. Nutzerinnen und Nutzer der Leipziger Städtischen Bibliotheken können dieses Angebot einfach mit Ihrem Bibliotheksausweis nutzen: auf der Webseite der Bibliothek in der Rubrik Online-Angebote auf die Schaltfläche Naxos Musik Library klicken, Benutzernummer und Passwort eingeben und sofort Musik hören.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Egal, ob virtuell oder vor Ort!

Die Anmeldung für LeipzigPass-Inhaber ist ermäßigt.
Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 19. Lebensjahr können die Bibliothek kostenlos nutzen.

Bibliothek Gohlis „Erich Loest“
Stadtteilzentrum Gohlis
Georg-Schumann-Str. 105
04155 Leipzig

Tel.: 0341 / 123 5255
E-Mail: bibliothek.gohlis@leipzig.de

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 10 – 19 Uhr; Mi 15 – 19 Uhr