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Schlagwort: Demokratie

30 Jahre Bürgerverein Gohlis e. V.

30 Jahre Bürgerverein Gohlis – ein Jubiläumsjahr: Gohlis Forum 1/2022

von Tino Bucksch

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit über zwei Jahren halten uns Covid19 und die damit verbundenen Einschränkungen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in Schach. Auch wir als Bürgerverein mussten dies schmerzlich erfahren. Veranstaltungen und Projekte, die wir mit viel ehrenamtlichem Engagement während der letzten Jahre durchgeführt haben und die auf große Resonanz bei den Gohliserinnen und Gohlisern gestoßen sind, konnten in der altbekannten Form nicht stattfinden oder mussten ganz abgesagt werden – sei es unser Büchercafé im Rahmen der Leipziger Buchmesse oder das interreligiöse Fußballturnier, Advent in den Gärten und Höfen von Gohlis oder das interkulturelle Dankfest. Dennoch haben wir auch in den letzten zwei Jahren viel Unterstützung aus der Gohliser Bevölkerung erfahren und sind froh, dass uns trotz des eingeschränkten Vereinsangebots keines unserer Mitglieder den Rücken gekehrt hat. Für diesen Beistand können wir uns nur bedanken!

Da wir grundsätzlich Optimistinnen und Optimisten sind, wollen wir auch in diesem Jahr nicht verzagen und planen Großes für den Stadtteil. Damit komme ich zu einem Thema, das mit dem neuen Logo verbunden ist, welches Sie bestimmt schon auf der Titelseite entdeckt haben und sich fragen, was wohl dahinterstecken mag: 2022 feiert der Bürgerverein Gohlis sein 30-jähriges Bestehen und dies wollen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern im Stadtteil feiern! Wir werden nicht nur auf die letzten drei Jahrzehnte des Vereins zurückblicken. Wir möchten auch schauen, wie sich der Stadtteil in dieser Zeit verändert hat und an welchen Stellen diese Veränderungen durch oder mit dem Bürgerverein vollzogen wurden. Denn so, wie sich unsere Mitgliederzusammensetzung gewandelt hat, wie sich die Strukturen und Arbeitsfelder veränderten und die Themen, mit denen sich der Verein beschäftigte, hat sich auch das Gesicht von Gohlis gewandelt. So hat sich die Bevölkerungszusammensetzung verändert, maßgeblich geprägt von einem positiven Trend der letzten zehn Jahre. Aber auch das Wohnumfeld des Stadtteils ist durch das Schließen von Baulücken oder das Sanieren der bestehenden Bausubstanz nicht mehr zu vergleichen mit dem von Anfang der 1990er Jahre. Veränderungen in den Ansprüchen der Gohliserinnen und Gohliser an Lebens- und Wohnqualität haben das Angebot der Verkehrs- und sozialen Infrastruktur maßgeblich geprägt. Diese Entwicklung dokumentieren wir seit Jahren im Gohlis Forum u.a. mit festen Rubriken. So finden sich auch in dieser Ausgabe erneut ein Bericht aus dem Baugesehen aber auch mit einer ausführlichen Darstellung der geplanten Sanierung des Spielplatzes im Schillerhain zeichnen wir diesen Wandel von Gohlis in vielen Ausgaben des Gohlis Forums nach.

vier Schwerpunkte werden das Jubiläumsjahr prägen:

Sommer- und Familienfest

Wir planen auch dieses Jahr unser Sommer- und Familienfest. Am 25. Juni werden wir in dessen Rahmen mit allen Gästen unseren Geburtstag feiern und gemeinsam einen großen Kuchen anschneiden. Ein Kulturprogramm für Groß und Klein, eine Tombola, Kaffee und Kuchen sowie Stände mit Akteuren und Initiativen aus dem Stadtteil werden ebenso feste Programmteile sein und dazu einladen, den Stadtteil und die Menschen, die diesen bunt und vielfältig gestalten, kennenzulernen.

Ausstellung

Wenn möglich, so wollen wir auch schon auf dem Sommer- und Familienfest eine Ausstellung bestehend aus Rollups präsentieren, die den Wandel von Gohlis und den Beitrag des Bürgervereins dazu in den letzten drei Jahrzehnten dokumentieren wird. Anschließend soll diese Ausstellung dann über das Jahr verteilt bei befreundeten Akteuren und Einrichtungen in Gohlis gezeigt werden.

Gohlis Kalender 2023

Auf 12 Kalenderblättern werden wir für das Jahr 2023 die markantesten und prägendsten Veränderungen in Gohlis präsentieren und mit viel Bildmaterial aufzeigen, wie sehr sich doch unser schöner Stadtteil gewandelt hat. Wie durch die letzten Gohliser Fotokalender gewohnt, wird die AG Stadtteilgeschichte des Bürgervereins einen besonderen Anteil an diesem leisten – die interessierten Leserinnen und Lesern werden nämlich auf den Rückseiten der Kalenderblätter mit kurzen, kommentierenden Texten zu den Bildern auf eine Zeitreise zu den jeweiligen Monatsmottos mitgenommen.

Sonderpublikation

Wer dann immer noch mehr über die Entwicklung von Gohlis seit 1990 erfahren will, Beiträge und Kommentare von Zeitzeugen und Beteiligten lesen möchte, dem können wir die Sonderpublikation ans Herz legen, die mit vielen Details aufwarten wird, welche im Gohlis Kalender oder der Ausstellung keinen Raum mehr gefunden haben. Ebenso das Interview mit Werner Schneider im Rahmen unserer Reihe „Ein Gohliser Jubiläum“ auf in dieser aktuellen Ausgabe des Gohlis Forums wird sich in dieser Sonderpublikation wiederfinden, wie die vorangegangenen Interviews.

Bei all diesen Vorhaben freuen wir uns natürlich über alle, die uns dabei helfen wollen oder Ideen und Hinweise zur Geschichte des Stadtteils der letzten 30 Jahre beisteuern. Fotos, Bildmaterial oder Dokumente können daher jederzeit dem Bürgerverein zur Verfügung gestellt werden. Wer tatkräftig bei den geplanten Projekten mit anpacken möchte oder als ideeller Unterstützer dem Verein den Rücken stärken will, der kann jederzeit bei uns einen Mitgliedsantrag stellen. Es lohnt sich!

Ich kann Sie abschließend nur herzlich dazu einladen, Gast oder Unterstützerin und Unterstützer einer unserer vielen Projekte und Veranstaltungen in diesem Jahr zu sein. Einige Terminankündigungen finden Sie schon hier im aktuellen Heft. Alle weiteren Termine werden auf unserer Homepage oder in unserem Schaukasten am Eingang des Budde-Hauses veröffentlicht.

Viel Spaß beim Lesen!

Die vollständige Ausgabe kann hier im Archiv gelesen werden.

 

Gründungsveranstaltung AG Umwelt und Klima beim Bürgerverein Gohlis e.V.

Mittwoch, den 9. Februar 2022 ab 20:00 Uhr. Vorerst nur digital. Den Zugangslink erhalten interessierte Teilnehmer unter umwelt@gohlis.info.
Wie können wir Informationen zum Thema Umwelt und Klima den Gohliserinnen und Gohlisern näherbringen? Wie können wir auf kommunale Projekte in ökologischer Hinsicht Einfluss nehmen? Welche Aktionen wollen wir durchführen? Erste Ideen für die neue AG sind Klima-Quiz, Themen-Spaziergänge, Müll sammeln oder Parking Day. Womit sie sich dann tatsächlich beschäftigt, darüber können alle Interessierte mitentscheiden.

Humanität und Solidarität in Europa: Wie wird die EU ihren Ansprüchen gerecht?

Diskussionsveranstaltung anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2022

Sonntag, 20. März, Budde-Haus, Lützowstraße 19, 04157 Leipzig

Beginn: 14:00 Uhr

Gäste: Matthias Ecke (Europabeauftragter der SPD Sachsen) und Reinhard Bohse (Europa Maidan Leipzig e.V.)

Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus der Stadt Leipzig lädt die Initiative Weltoffenes Gohlis und der Bürgerverein Gohlis am Sonntag, den 20. März zu einer Diskussionsveranstaltung ins Budde-Haus, Lützowstraße 19 ein. Ab 14 Uhr sollt mit Matthias Ecke, Europabeauftragter der SPD Sachsen und Reinhard Bohse vom Europa Maidan Leipzig e.V. unter dem Motto „Humanität und Solidarität in Europa: Wie wird die EU ihren Ansprüchen gerecht?“ über die Situation der Flüchtlinge an der EU-Ostgrenze diskutiert werden. Mit der aktuellen Lage im Zuge des Krieges gegen die Ukraine hat diese Frage eine eigene Dynamik erhalten.

Interessierte Gäste sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Die Europäische Union wurde als Gegenentwurf zu Nationalismus und Spaltung, letztlich auch als Konsequenz aus dem Vernichtungskrieg der Nazis gegründet. Sie gründet sich auf den universellen Werten der Würde des Menschen, der Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Alle Länder der EU sollen sich diesem Ansatz verpflichtet fühlen und für demokratische Werte und eine gemeinsame wirtschaftliche und soziale Entwicklung stehen.

Dennoch steht der Vorwurf im Raum, dass sich die Europäische Union nach außen abschirmt und ihre Außengrenzen bewacht. Mitgliedsländer überboten sich in der Vergangenheit im Wettlauf um ein strengeres Grenzregime, rechte Politiker fordern die „Festung Europa“. Gerade in den letzten Monaten ist die Ostgrenze der Europäischen Union in den Fokus dieser Entwicklung gerückt. Flüchtlinge harren in Kälte und Matsch aus, um den rettenden Boden der Europäischen Union zu erreichen, während sie zum Spielball politischer Auseinandersetzungen werden. Lässt sich die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit humanitär überwinden? Welchen Einfluss hat der Krieg gegen die Ukraine auf einen möglichen Paradigmenwechsel?

Gründungsveranstaltung AG Umwelt und Klima beim Bürgerverein Gohlis e.V.

Mittwoch, den 9. Februar 2022 ab 20:00 Uhr. Vorerst nur digital. Den Zugangslink erhalten interessierte Teilnehmer unter umwelt@gohlis.info.

Wie können wir Informationen zum Thema Umwelt und Klima den Gohliserinnen und Gohlisern näherbringen? Wie können wir auf kommunale Projekte in ökologischer Hinsicht Einfluss nehmen? Welche Aktionen wollen wir durchführen? Erste Ideen für die neue AG sind Klima-Quiz, Themen-Spaziergänge, Müll sammeln oder Parking Day. Womit sie sich dann tatsächlich beschäftigt, darüber können alle Interessierte mitentscheiden.

Fazit: Zeitzeugenprojekt an der Schillerschule

von Ursula Hein und Wolfgang Leyn

Als Herr Leyn und ich 2019 in der Klasse 10/1 der Schillerschule das Zeitzeugen-Projekt zu den Ereignissen von 1989/90 vorstellten, konnte keiner ahnen, wie kompliziert die Realisierung sein würde. Die Klasse, in neun Gruppen aufgeteilt, die jeweils einen der Zeitzeugen befragen sollten, ging mit Feuereifer ans Werk. Dann aber kam Corona, und das Projekt drohte zu scheitern, denn Interviews per Telefon oder Internet können die persönliche Begegnung nicht ersetzen.

Dann kam der sonnige Mai, und die Gruppen trafen sich mit ihren Interviewpartnern meist im Gartenpavillon des Budde-Hauses oder in privaten Gärten, wie Sie ja auf den Bildern in den vergangenen „Gohlis Foren“ sehen konnten.

Für die Schüler war es ein lohnendes Projekt. Es erweiterte ihren Horizont, und sicher haben sie zu Hause bei Eltern, Freunden und Verwandten weitergefragt. Das sei auch anderen empfohlen. Man darf ja nicht vergessen, die Zeitzeugen werden älter und mit der Zeit vergesslicher. Und irgendwann sind sie nicht mehr da.

Wir danken an dieser Stelle Herrn Geyer, dem Geschichtslehrer der Klasse, für seinen Einsatz. Seine Kollegen in den Gohliser Schulen möchten wir ermutigen, auch ihren Schülern die Erfahrung einer Zeitzeugenbefragung zu vermitteln. Themen gibt es genug: zum Beispiel die Veränderungen nach 1990 in Leipzig, Flucht und Vertreibung in unserer Zeit, Erlebnisse während der Corona-Krise.

Hiermit verabschieden wir uns als Autoren des Gohlis Forums und wünschen Ihnen weiter interessante Beiträge.

Geschichte in Geschichten (Teil 9) – Schüler fragen Zeitzeugen: Gotthard Weidel

von Denise Beck, Flora Budde, Paul Schreiber

Gotthard Weidel, geboren 1947, wuchs in der DDR auf. Als Wehrdienstverweigerer studierte er Theologie von 1967 – 1972 in Leipzig. Nachdem er als Pfarrer in Kahnsdorf tätig war, kam er 1984 an die Friedenskirche in Gohlis. Seit den 80er-Jahren nahm Gotthard Weidel aktiv an den Friedensgebeten teil. Am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung, hielt er in der Nikolaikirche die Predigt zum Friedensgebet. Nach 1996 arbeitete er bis zu seiner Pensionierung 2009 als Soldatenseelsorger in der Bundeswehr.

Wie war Ihr Verhältnis zum DDR-Regime?
Pfarrer Weidel: Ich wurde in der DDR nicht verfolgt, litt aber unter Rechtlosigkeit, am Mangel von Gestaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Leben und an fehlender, persönlicher Freiheit. Für das tägliche Brot in der DDR war gesorgt. Die restlichen Dinge musste man sich organisieren. Wir lebten in der „größten DDR der Welt“, aber sie war in keiner Weise weltoffen. Keiner rechnete mit dem Fall der Mauer oder dem Niedergang der DDR. Deshalb wollten viele das Land verlassen. Sie sahen für sich in der DDR keine Zukunft .

Ich bin heute noch der Meinung, dass, wenn es in der DDR mehr Teilhabe oder Gespräche gegeben hätte, wären Entwicklungen möglich gewesen. Aber – die Menschen mit ihren kritischen Fragen und kreativen Fähigkeiten wurden nicht ernst genommen. Das sind meine Erfahrungen. Wer damals in Leipzig lebte, konnte alle Probleme der DDR hautnah miterleben.

Herrschte innerhalb Ihrer Gemeinde eine einheitliche politische Position?
Pfarrer Weidel: Nein. Ich denke, das ist ganz normal… Viele Mitbürger, die den 2. Weltkrieg und den 17. Juni 1953 erlebt hatten, waren damals nicht der Meinung, etwas verändern zu können. Für sie war es eher eine Frage, wie können wir in Ruhe leben. Das musste ich akzeptieren. Es gab auch Menschen, denen die Forderungen nach Entwicklung und Teilhabe zu lasch waren. Wiederum gab Christen, die die Meinung vertraten, dass allein das Gebet friedliche Veränderungen bringen kann und das Entscheidende im Leben eines Christen ist.

Wir nahmen sehr bewusst in der Friedenskirche diese Themen wahr. Auf der einen Seite versammelte sich die „Gruppe Hoffnung“. Die Antragssteller, welche die DDR verlassen wollten, fanden keinen Ort, an dem sie sich versammeln konnten. Auf der anderen Seite traf sich eine „Dialog – Gruppe“. Ihr Ziel bestand nicht darin, die DDR zu stürzen. Vielmehr wollten die Teilnehmer mitreden, mitgestalten und das Land verändern. Ich arbeitete mit engagierten Gemeindeglieder in dieser Gruppe zusammen.

Ich erlebte, dass oft interessierte, engagierte und junge Menschen den „Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR,“ wie es offiziell hieß, stellten. Die zurück bleibenden Eltern, Freunde oder Kollegen waren hier verwurzelt. Sie erlebten schmerzhaft, wie ihre Kinder und Enkelkinder nach der Ausreise hinter einer fast undurchlässigen Grenze im Westen lebten. Nur zu besonderen Anlässen konnte ein Antrag auf eine Reisegenehmigung gestellt werden. Während einer Demonstration im Herbst 89 wurde eine ältere Frau von einem Reporter gefragt: „Warum sind sie hier?“ Sie antwortete: „Unsere Kinder und Enkelkinder gehen in den Westen. Wir bleiben zurück. Das muss anders werden.“ Die Menschen und Familien wurden durch solche Erfahrungen zerrissen.

Gab es staatlichen Druck oder Benachteiligungen, um Sie von Ihrer Mitwirkung in kirchlichen Initiativen abzuhalten?
Pfarrer Weidel: Viele Menschen in der DDR erlebten Benachteiligungen oder Ärgernisse. Besonders in den 50er- und 60er-Jahren wurden Andersdenkende verfolgt, verurteilt und inhaftiert. Damit ist mein Leben nicht zu vergleichen. […] Einmal sagte eine Lehrerin im Unterricht zu meinem Sohn: „Was nützt es, wenn dein Vater „preedigt“, dann fuhr sächsisch fort, „und wir haben keene Breetchen?“ Der Beruf des Vaters darf keine Rolle für einen Lehrer gegenüber seinen Schülern spielen. Ich wollte die Lehrerin umgehend sprechen. Es war nicht möglich. Ich versuchte es mehrmals und hatte keinen Erfolg. Erst als ich mich an den Rat der Stadt wandte, erfolgte eine Reaktion in der Schule. Es wurde von einem Missverständnis gesprochen. Eigentlich hatte ich die Absicht, mit der Lehrerin in einen Dialog zu treten. Ein Gespräch wurde mir verweigert.

Waren auch Ihre Familienmitglieder von Schikanen betroffen?
Pfarrer Weidel: Meine Frau hatte Ökonomie studiert. Sie konnte in der DDR nie einen leitenden Posten erreichen, weil sie die Frau eines Pfarrers war.

Hatten Sie Angst, dass Ihre kritische Haltung gegenüber der DDR negative Folgen nach sich ziehen könnte?
Pfarrer Weidel: Ja, während der Demonstrationen im Herbst 1989 hatten wir Angst. Entweder meine Frau oder ich konnten jeweils an einer Demonstration teilnehmen. Unsere Kinder sollten im Falle einer Verhaftung nicht allein bleiben. […] Es gab damals Verhaftungen. Gleichzeitig zeigten viele Solidarität mit den Verhafteten. An der Nikolaikirche waren die Fenstergitter mit Namen von verhafteten Personen, mit Blumen, Mitteilungen, Gebeten und Grüßen bestückt. Die Menschen hatten die staatliche Bevormundung satt. Sie hatten zwar Angst, aber ließen sich ihren Mut und Zuversicht nicht nehmen. Auf der Straße überwanden sie Schritt für Schritt ihre Angst. Aus den 70.000 am 9. Oktober wurden eine Woche später 125.000 Demonstranten.

Wie drückend empfanden Sie Ihre Verantwortung als Pfarrer?
Pfarrer Weidel: Die Kirche war ein geschützter Raum. Als Mitglied der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der UNO, musste die DDR auf die öffentliche Meinung anderer Staaten Rücksicht nehmen. […] Wir, die Kirchen, waren der einzige nicht integrierte Bestandteil in der DDR… Als Pfarrer konnte ich so Räume der Kirchgemeinde hilfesuchenden Menschen zur Verfügung stellen. Im Juli 1989n fand ein Kirchentag in Leipzig statt. Eine Gruppe demonstrierte mit chinesischen Schriftzeichen und erinnerte an den 1989 niedergeschlagenen Aufstand auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking. Diese Gruppe setzte nach dem Kirchentag auf der Karl-Liebknecht-Straße ihre Demo fort. Sofort verfolgte die Staatssicherheit die Teilnehmer. Sie flüchteten zur Peterskirche. In die Peterskirche folgten die Mitarbeiter der Staatssicherheit nicht. Es gab auch für die Stasi Grenzen. Kirchen sind seit dem Mittelalter ein Zufluchtsort für Verfolgte.

Am 5. Oktober, während einer Dienstberatung aller Leipziger Pfarrer mit dem sächsischen Landesbischof Johannes Hempel, sprachen wir über das am 9. Oktober bevorstehende Friedensgebet. Es stand die Frage im Raum: Ist es verantwortlich, das Friedensgebet durchzuführen? Es kann sein, so lauteten unsere Überlegungen, dass es nach der Beendigung zu Auseinandersetzungen mit den staatlichen Organen kommt. Andererseits: Ist es verantwortlich, das Friedensgebet abzusagen?

Das Resultat lautete: Es werden am kommenden Montag in mehreren Innenstadtkirchen unserer Stadt Friedensgebete durchgeführt! Die Kirchen bleiben bis zur Beendigung der Demonstration als Fluchtmöglichkeit offen.

Sie haben am 9. Oktober in der Nikolaikirche die Predigt gehalten. Was war Ihnen dabei besonders wichtig zu vermitteln?
Pfarrer Weidel: Unser Thema lautete: „Volkes Stimme lasst uns sein“. Daraus wurde auf der Straße „Wir sind das Volk“. Das lag in der Luft. Eine Basisgruppe erarbeitete das Konzept des Friedensgebets. Nach dem brutalen Vorgehen der Polizei am 7. Oktober schrieb ich meine Predigt neu. Sie sollte offen, einladend und dialogfähig sein. Die Menschen sollten auch mit unterschiedlichen Anschauungen als Gesprächspartner ernst genommen werden. Ich zitierte „Das Rad der Geschichte kann nicht zurückgedreht werden“ und fuhr fort: „Das gilt auch jetzt in unserer Stadt. Wir müssen miteinander reden. Dieses Land und unsere Stadt lässt sich nur auf diese Weise verändern.“

Am 9. Oktober 1989 gab es eine Liste, auf welcher 130 Personen – unter anderem auch Sie – vermerkt waren, für die Verhaftungen vorgesehen waren. Fürchteten Sie sich vor einer Festnahme?
Pfarrer Weidel: Ich ahnte, dass es Listen für geplante Verhaftungen gibt. Mir war klar, dass sich im Falle einer Verhaftung meine Kirche für mich einsetzt.

Welche Erwartungen haben Sie damals mit der Friedlichen Revolution verbunden? Sind diese in Erfüllung gegangen?

Pfarrer Weidel: Ich kenne niemanden, der damals den Sturz der DDR wollte. […] Die Macht der SED wurde von der Staatssicherheit abgesichert. Die hochgerüstete Sowjetunion und die besondere politische Lage im geteilten Deutschlands schlossen nach meiner Meinung weitgehende Veränderungen aus. Erst 1990 erkannte ich, wie kleinkariert mein Realismus war. Ein Jahr später gab es die DDR nicht mehr. […] Aber – ich besaß im Oktober 1989 die Hoffnung auf Veränderungen. Ich wollte über Fragen und Themen sprechen, die mich und meine Gemeinde beschäftigten. Ich wollte frei sein.

Welche allgemeinen Forderungen existierten in der kritischen Bevölkerung?
Pfarrer Weidel: Die Menschen wollten eine freie Presse, Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, selbstständige Parteien und freie Wahlen. Das war wenig. Es sind die Grundelemente bürgerlicher Freiheit. Wenn diese Forderungen erfüllt worden wären, musste die DDR zusammenbrechen. Das ist mir später klargeworden.

Haben Sie sich mehr von der Wende erhofft? Und wurde Ihnen seitens Ihrer Gemeindemitglieder von Enttäuschungen berichtet?
Pfarrer Weidel: Als Pfarrer erlebte ich vieles auf einer persönlichen Ebene hautnah mit, aber meine Erwartungen hielten sich in Grenzen.

Viele Menschen erwarteten, dass sich auf einmal das Füllhorn öffnet. Diese Vorstellung war eine Illusion. Die versprochenen blühenden Landschaften sind heute vorhanden. Da kann man sagen, was man will. Aber – ich denke an meine Gemeindeglieder, die nach einem langen Berufsleben arbeitslos wurden. Was bedeutet es, plötzlich die Arbeit zu verlieren und in soziale Notlagen oder Abhängigkeiten zu geraten? Es war für viele auch eine Katastrophe.

Redaktionell bearbeitet von Ursula Hein und Wolfgang Leyn

Demokratieecke

von Tino Bucksch

In seiner ersten Präsenzsitzung seit Monaten konnte der Stadtbezirksbeirat Nord am 2. September die ersten Anträge zum Stadtbezirksbudget final in der zweiten Lesung beschließen und weitere Anträge in der ersten Lesung auf den Weg bringen. Nachdem die Frist zum Einreichen der Anträge am 30.08. verstrichen war, kann schon jetzt eine erste positive Bilanz zu den bisherigen Ideen und Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger gezogen werden. Unter den Anträgen, die dem Bürgerverein Gohlis besonders am Herzen lagen, befanden sich folgende Themen:

Kunsttanker in den Stadtteil einbetten

Von der Gesellschaft für Gemeinsinn e.V., 1. Lesung. Dieser Antrag kam dem Anliegen des Bürgervereins, den Kunsttanker deutlicher im Stadtteil einzugliedern, entgegen. Vorgeschlagen wurde, die Sichtbarkeit im Stadtteil dadurch zu erhöhen, dass künstlerische Projekte in den Läden im Stadtbezirk ausgestellt werden sollen.

Infotafeln zu Namensgebung Schillerhain

Beschluss 2. Lesung. Auf Initiative des Bürgervereins hat das Amt für Stadtgrün und Gewässer die Finanzierung für die Infotafel Schillerhain mit in die Planung zur Sanierung des Spielplatzes im Schillerhain aufgenommen. Damit ist deren Realisierung gesichert. Der Bürgerverein wird im Rahmen der Aktivität seiner AG Stadtteilgeschichte die Inhalte für die Tafel gemeinsam mit dem Amt erarbeiten. Neben der Infotafel zum Gohliser Anger, Fritz-Riemann-Platz und Platz des 20. Julis ist dies die vierte Tafel in Gohlis, die maßgeblich auf das Engagement des Bürgervereins zurückgeht.

Bänke am Gohliser Schlösschen

Beschluss 2. Lesung. Mit Hilfe der Unterstützung des Bürgervereins konnten finanzielle Mittel für die Herstellung und Installation zweier Sitzbänke am Eingangsbereich Menckestraße des Gohliser Schlösschens über das Stadbezirksbudget abgesichert werden. Damit erfährt der Vorplatz eine deutliche Aufwertung und ermöglicht es den Gästen, entspannt vor dem Schlösschen zu verweilen.

Radbügel Budde-Haus

Beschluss 2. Lesung. Zwar nicht auf Initiative des Bürgervereins hin aber mit dessen voller Zustimmung konnte die Installation von Radbügeln vor dem Budde-Haus beschlossen werden. Da sich das Budde-Haus immer größerer Beliebtheit erfreut, wird der Platz mit den vorhandenen Radbügeln für die Gäste knapp. Negative Folge ist u.a. das zunehmende Abstellen der Räder in unserer bepflanzten Baumscheibe inklusive des Ankettens der Räder an unserem Patenschaftsbaum. In der Hoffnung, dass zukünftig eher die Radbügel genutzt werden und der Vereinsbaum geschont wird, fand der Antrag ebenso unsere Zustimmung.

Ein Gohliser Jubiläum… und wer dazu gehört TEIL 3 – Irmgard Gruner

von Peter Niemann

Bereits in den vergangenen Ausgaben haben wir darauf hingewiesen, dass wir am 22. April 2022, ein sehr wichtiges Jubiläum begehen werden. Genau dann wird der Bürgerverein nämlich 30 Jahre alt! In der letzten Ausgabe des Heftes haben wir begonnen, Ihnen besondere Personen vorzustellen, die sich bereits seit sehr langer Zeit in unserem Verein engagieren und dabei Großes geleistet haben. Diesmal möchte ich Ihnen eine ganz besondere Frau vorstellen, die von Anfang an dabei ist und den Bürgerverein noch immer nach Kräften unterstützt. Ihr Name ist Irmgard Gruner und ich habe mich am 8. Juli auf eine Tasse Kaffee und ein kurzes Interview mit ihr verabreden können:

Hallo Irmgard. Ich freue mich sehr, dass es heute trotz des eher mäßigen Wetters mit einem Treffen im Garten geklappt hat. Vielleicht fangen wir einfach mit einer kurzen Vorstellung an.

Ich bin 81 Jahre alt, geboren in Leipzig, und wohne mit meinem Mann seit 1968 in der Hoepnerstr. 4a in Gohlis-Mitte. Wir haben 2 Kinder und 5 Enkel. Ich bin diplomierte Wirtschaftsmathematikerin und habe vor der Wende lange Jahre im VEB Rechenzentrum, später DVZ (Datenverarbeitungszentrum) Leipzig, danach kurz in der Universität als Programmiererin und Problemanalytikerin gearbeitet. Nach kurzer Arbeitslosigkeit ging ich ab 1992 zu der Beschäftigungsgesellschaft ABW. Dort wurden Arbeitslose von Orsta-Hydraulik aufgefangen und in ABM-Maßnahmen gebracht. Die letzten Arbeitsjahre habe ich im sog. Ostraumprojekt gearbeitet. Mein politisches Engagement begann mit dem Mauerfall. In der DDR habe ich mich auf dem Gebiet verweigert. Jetzt wollte ich mitmachen. Es war Zufall, dass ich beim Neuen Forum landete, wo ich gleich Gruppenleiterin für Gohlis bzw. Leipzig Nord wurde. Im Neuen Forum lernte ich Gert Klenk kennen, wir liefen gemeinsam mit vielen anderen um den Ring. Wir hatten konkrete Vorstellungen, wie ein neues Deutschland aussehen könnte. Das war eine super-tolle Zeit. Da war eine Aufbruchstimmung, sag‘ ich Dir. Wir haben da was geschafft, über die Parteigrenzen hinweg und zum Wohle der Stadt. Dort kam ich auch auf die Liste für das Stadtparlament. Und es gab ja so viel zu tun, das ist heute kaum vorstellbar: Trotz des hochtrabenden Progamms der Partei „Alle Dächer dicht“ waren so gut wie alle Dächer kaputt, der Putz bröckelte von den Wänden, es war feucht in vielen Wohnungen, du hast Dich in der eigenen Stadt nicht wohl gefühlt. Die Schönheit unserer Stadt wurde erst nach und nach erfahrbar. Der Bürgerverein Gohlis wurde nicht nur wegen des Budde-Hauses gegründet, wir wollten mit dazu beitragen, unseren Stadtteil wieder lebenswert zu machen Zum Glück wurde Gohlis bald förmlich festgelegtes einfaches Sanierungsgebiet, dann erweitertes Sanierungsgebiet, inklusive des Budde-Hauses.

Das klingt nach einer Menge Freizeit, die da ins Ehrenamt investiert wurde. Wie passte das mit der Familie bzw. deinem Mann zusammen? Hat das gut funktioniert?

Klar. Die Kinder waren ja schon raus. Mein Mann hat trotz vieler Arbeit als reprivatisierter Salzgroßhändler jede Gelegenheit genutzt , mich zu unterstützen. Er hat nie groß was gesagt, Sitzungen und langes Palaver sind nicht seine Welt. Er hat aber immer fotografiert, für den Bürgerverein, für den Seniorenbeirat, für die Grünen. Er hat nie was dafür verlangt. Er hat das gerne gemacht. Mein Mann kommt fast immer mit und ich finde das sehr, sehr schön.

Der Bürgerverein war also ein wichtiger Ausgangspunkt für Dein Bemühen um den Stadtteil. Wann ging das los? Wie muss man sich das vorstellen?

Ihr habt ja darüber berichtet, dass das Jubiläumsfest der Aufhänger für die Gründung des Vereins im Gemeindehaus am Kirchplatz war. Ich kannte die Leute teilweise vorher schon. Gerd Klenk und Pfarrer Passolt natürlich. Wir haben uns in der Anfangszeit oft getroffen, nicht nur, um das Jubiläumsfest vorzubereiten, sondern auch, um zu überlegen was dann wird. Das Fest, das hättest Du erleben müssen! Die ganze Menckestraße war voll von Menschen. Die Verwaltung war da, das Planungsamt, das ASW. Bürgerinnen und Bürger konnten an Tafeln ihre Wünsche für Gohlis äußern und die Stadt war ehrlich daran interessiert, dass hier was passiert.

Und dann ging es ja emsig weiter mit dem Verein. Es musste ja schließlich das Budde-Haus gerettet werden und im Stadtteil gab es viel zu tun. Wo hast Du in den ersten Jahren deinen Platz im Verein gefunden?

Ich war immer im Vorstand des Vereins, oft auch stellvertretende Vorsitzende. Man wollte mich oft überreden, den Vorsitz zu übernehmen, aber ich war damals schon Mitglied im Stadtparlament und ich hatte ja zur Wendezeit an der Uni neu angefangen. Dann noch die Arbeit bei den Grünen, das reichte. Ich war jedenfalls immer froh, dass ich nicht Vorsitzende war.

[lacht] Das kann ich gut nachvollziehen. Ich fühle mich ja auch ganz wohl als Stellvertreter. Was waren eigentlich so Deine persönlichen Lieblingsprojekte des Bürgervereins?

[Lacht] Grünes Zeug. Zum Beispiel die Umsetzung des leider kaum bekannten und wenig genutzten Rabenparks. Der heißt so, wegen der großen Rabenskulpturen. Schräg gegenüber von Käse Lehmanns führt da ein kleiner Weg rein. Da gab es damals sogar ein Fest zur Einweihung. Ein weiteres, großes Projekt, von dem Du bestimmt noch nie gehört hast, ist der Rosentalpark. Aus dem ist leider nie was geworden. Dabei ging es um den Zusammenschluss aller Kleingartenvereine vom Schillerhain ganz im Osten, über Westgohlis, Volksgesundung, Brandts Aue, Neuer Weg, KGV Elstertal, Marienweg, Froschburg und wie sie alle heißen. Letztendlich sollte ein durchgängiges Wegenetz geschaffen werden mit neugestalteten Eingangsbereichen am nördlichen Ende des Heuwegs und in der Kirschbergstraße. Das Projekt fand viel Zuspruch bei den Kleingartenvereinen, geriet aber dann ins Stocken, weil eine Erbengemeinschaft ein Grundstück hinter der Schwimmhalle Mitte nicht veräußern wollte. Du kannst ja mal den Herrn Zech vom Grünflächenamt anrufen und fragen, was eigentlich aus dem Projekt geworden ist. Vielleicht lohnt es sich, das mal weiter zu verfolgen.

Wie siehst Du den Bürgerverein heute, mit ein wenig mehr Abstand und als ‚normales‘ Mitglied? Kannst Du dich mit dem identifizieren was wir ‚jüngeren’ Vereinsmitglieder so verzapfen?

Ehrlich gesagt bin ich positiv überrascht. Ich hätte uns das nicht zugetraut, nachdem wir 2014 vor dem Ende standen und nun auch keine ABM-Kräfte mehr haben, wieder so viel im Stadtteil zu bewegen. Auch die Frauen meiner Sportgruppe (AG Seniorensport) sind echt begeistert vom Gohlis Forum, von den Kalendern und dem, was ihr so macht. Ich wünschte mir, dass der Zuspruch der Bevölkerung größer wäre und sich noch mehr Menschen für die Arbeit des Vereins interessierten und auch spenden würden, um die Projekte des Vereins voranzutreiben. Das Problem ist ja, die Menschen, wenn sie selber betroffen sind, dann engagieren sie sich und spenden, aber es geht leider viel zu Wenigen um das große Ganze hier im Stadtteil.

Was mich abschließend noch brennend interessieren würde, was der Bürgerverein denn in Zukunft besser machen kann? Schließlich wissen wir ja beide, dass es immer auch ein wenig Luft nach oben gibt…

Es ist schade, dass immer nur so wenige unserer Mitglieder zu den Versammlungen kommen. Wir haben ja schließlich viele Mitglieder. Aber das war immer so. Im Verein wollen immer viele Menschen über Projekte reden. Die Realisierung der Projekte schultern letztendlich Arbeitsgruppen und auch immer der Vorstand. Wenn ich daran denke, wie viele Stunden ich beim Bürgerverein in Sitzungen verbracht habe oder beim Organisieren von Festen. [lacht] Ich selber kann mich ja jetzt leider alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr so viel engagieren. Versucht weiter, die Bevölkerung zu aktivieren und auch an den Verein zu binden.

Irmgard. Vielen Dank!

Kinder haben Rechte! …nicht nur auf dem Papier, sondern im realen Leben

von Maria Köhler

Kinderrechte sind keine Modeerscheinung, kein nice to have. Sie sind bereits seit über 30 Jahren in der UN-Kinderrechtskonvention verankert und wurden aktuell politisch in Deutschland intensiv diskutiert. Wird dabei oft verwiesen auf das Papier, auf dem sie stehen (sollen), zeigt sich die wahre Kraft erlernt und erlebt im Alltagsleben der Kinder, in der Schule und am Küchentisch zu Hause.
Der Weg dahin ist ein gemeinsamer, denn es braucht dafür nicht nur das Bewusstsein der Kinder, dass ihre Stimme zählt, sondern auch, dass die Erwachsenen ein Verständnis dafür entwickeln, mitlernen und anerkennen.

In Gohlis gibt es seit dem 1. Juli 2021 eine „Kinderrechteschule“, ausgezeichnet vom Deutschen Kinderhilfswerk, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von der Kultusministerkonferenz unterstützt. Als eine von 13 bundesweit ausgezeichneten Kinderrechteschulen hat die Geschwister-Scholl-Grundschule erfolgreich am Modellprojekt teilgenommen und seinen bisher bereits gelebten Ansatz „Gemeinsam Vielfalt leben“ intensiviert und fest verankert. Eine Beteiligung der Kinder steht dabei an oberster Stelle, sei es durch den regelmäßig stattfindenden Klassenrat und einen klassenübergreifenden Kinderrat, oder durch intensive Projektarbeit zum Thema Kinderrechte – im Fokus steht, die Kinder zu stärken und demokratisch zu befähigen.

Alle Kinder sind gleich! Was den genannten Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention umfasst, haben sich die Kinder der Klasse 2-2 im Rahmen einer Projektarbeit zum Thema Kinderrechte gemeinsam erarbeitet. Sie haben Kinder gemalt, die trotz ihrer sichtbaren und unsichtbaren Unterschiede gleiche Rechte haben. Die gemeinsame Erkenntnis, die Klassenlehrerin Frau Schubert sehr berührt: Es ist egal wie Kinder aussehen, sprechen, was sie können oder mögen: sie alle haben u.a. ein Recht darauf in die Schule zu gehen, Zeit zum Spielen zu haben, ohne seelische und körperliche Gewalt aufzuwachsen und darauf, dass ihre Stimme gehört wird. Und diese Rechte gelten für alle Kinder, für jede:n einzelne:n und somit auch im Umgang untereinander und miteinander. In der Schule, auf der Straße und zu Hause.

Infobox:
Hier gibt es alles zum Thema Kinderrechte
https://www.kinderrechte.de/
Kinderrechteschule in Gohlis
https://www.geschwister-scholl-grundschule-leipzig.de/

Hoffnung für Hügel im Rosental

von Peter Niemann

Am 2. März 2021 führte mich ein Termin, für Bürgerverein und Stadtbezirksbeirat gleichermaßen ins Rosental. Neben anderen Mitgliedern des SBB Nord, waren sogar ein paar BürgerInnen da, um den Ausführungen von Herrn Opitz (Stadtforstamt und Forstbehörde der Stadt Leipzig) zu lauschen. Das Thema: Der Besorgnis erregende Zustand des Hügels im Rosental. Dabei ist es noch garnicht so lange her, dass die Stadt sich in angemessener Weise um den Hügel gekümmert hat. Erst in den Jahren 2002/ 2004 wurde er ertüchtigt: Es wurde bepflanzt, Geländer wurden installiert, mit Bündeln aus Reisig die Böschungen gesichert und im oberen Bereich der Weg sogar mit einem Rotgranit-Pflaster gesichert. Herr Opitz präsentierte die entsprechenden Karten und Planungsdokumente. Die Kosten damals: 50.000 €. Der Zustand des Hügels heute: deutlich schlechter als der Ausgangszustand vor der letzten Teilsanierung. Ein offensichtlicher Umstand, dachte sich auch Rick Ulbricht (Stadtbezirksbeirat CDU), der die Begehung initiiert hatte und mit der Begehung für die Problematik sensibilisieren möchte.

Herr Opitz führt an, dass die Verkehrssicherheit von Turm und Hügel zwar regelmäßig kontrolliert würden und diese auch derzeit uneingeschränkt genutzt werden können. Allerdings ist der Rosentalhügel derzeit in seinem Bestand gefährdet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Bevölkerungswachstum, ein positiver Trend, was den Sport im Freien anbelangt und eine damit einhergehende Übernutzung. Vor allem aber die illegale Nutzung, abseits der vorgesehenen Wege durch LäuferInnen und Downhill-BikerInnen hat zu erheblichen Abtragung von Substanz und Erosion geführt.

Seit März ist das Thema immer wieder auf der Tagesordnung, der Kontakt mit dem Forstamt wird gepflegt. Perspektivisch wird es zudem Abstimmungen mit SBB Mitte geben, schon wegen der geographischen Lage des Hügels. Mittlerweile hat es auch amtsinterne Abstimmungstreffen gegeben, sodass bei der Mai-Sitzung ein neuer und durchaus positiver Sachstand von den Vertretern des Forstamts vermittelt werden konnte: Herr Opitz und Herr Wilke (Abteilungsleiter Freiraumentwicklung) berichten, dass es voran geht. So sind Sofortmaßnahmen zur Sicherung geplant, um sowohl illegaler Nutzung als auch Erosion vorzubeugen. Schon in den nächsten Wochen werden dafür insgesamt 166m Stahlrohrgeländer verbaut.

Laut Herrn Willke ist die Stadt geneigt, das Projekt auch grundlegend anzugehen, da die Erlebbarkeit, die Sicherung und der Erhalt des Hügels Priorität haben. Selbstverständlich müssen denkmalpflegerische Zielstellungen mitgedacht werden. Bereits 2021 sei ein Beginn der Planungsmaßnahmen denkbar. Ab Mitte 2022 werden konkrete Planungen vorliegen, sodass aller Voraussicht nach im Doppelhaushalt 2023/24 Mittel für die Umsetzung eines solchen Vorhabens eingestellt werden können. Kostengrößen bis zu einer Million Euro sind dann denkbar. Wir bleiben auf jeden Fall am Thema dran.

Demokratieecke – Stadtbezirksbudget

von Tino Bucksch

Was ist das Stadtbezirksbudget?
Ab 2021 wird jeder Stadtbezirksbeirat über ein Budget in Höhe von 50.000,00 € verfügen. Mit diesen Mitteln sollen Ideen und Projekte aus dem Stadtbezirk umgesetzt werden. Entweder als Vorschlag an die Stadtverwaltung, die dieses dann umsetzt oder als eigenes Projekt. Der Stadtbezirksbeirat entscheidet in öffentlicher Sitzung über die jeweiligen Ideen und Projektanträge. So soll die Bürgerschaft vor Ort stärker eingebunden werden und Mittel zur Verfügung gestellt werden, die lokale Demokratie zu stärken. Jede und Jeder kann somit mit einem Vorschlag oder eigenen Projekten den Nutzen und Mehrwert für den Stadtbezirk und seine Bewohnerinnen und Bewohner mehren.

Auf welchem Weg können die Ideen eingereicht werden?
Es wird zwei Möglichkeiten geben, die Impulse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort aufzunehmen:
– Ein Vorschlag: Hier wird eine Idee, für deren Umsetzung die Stadt Leipzig zuständig ist aber noch nicht im laufenden Haushalt verankert ist, eingebracht. Dies kann das Aufstellen von zusätzlichen Parkbänken oder Papierkörbe betreffen oder die Reparatur eines Spielplatzes.
– Eigene Projekte: Diese werden vom Antragssteller selber durchgeführt. Die Projekte müssen öffentlich zugänglich sein und sich auf den beantragten Stadtbezirk beziehen. Sie müssen der Allgemeinheit dienen und werden innerhalb der Rahmenrichtlinie gefördert.

Bewertungskriterien für einen Vorschlag oder ein Projekt:
– Der Vorschlag oder das Projekt bezieht sich auf den Stadtbezirk
– Der Vorschlag oder das Projekt hat einen nachvollziehbaren Nutzen für die Einwohnerinnen und Einwohner
– Der Vorschlag oder das Projekt bezieht möglichst verschiedene Zielgruppen mit ein
– Der Vorschlag oder das Projekt unterstützt eine nachhaltige Entwicklung im Stadtbezirk
– Der Vorschlag oder das Projekt fördert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren

Die Mittel aus dem Stadtbezirksbudget sind insbesondere einzusetzen für:
– Durchführung von stadtteilbezogenen Veranstaltungen wie z.B. Stadtteil-, Sport- und Straßenfesten
– Maßnahmen zur Aufarbeitung, Sicherung und Fortschreibung der Stadtteilgeschichte
– Maßnahmen der stadtteilbezogenen Öffentlichkeitsarbeit
– Maßnahmen zur stadtteilbezogenen Verschönerung und Gestaltung öffentlicher Grün- und Freiflächen, Sitzgelegenheiten und Kunst im öffentlichen Raum
– Mitwirkung an der Verbesserung des kulturellen, sportlichen und sozialen Lebens im Stadtteil

Wer kann eine Idee einreichen oder eine Förderung beantragen?
Antragsteller können alle volljährigen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig sein. Das umfasst auch Vereine, Verbände, freie Träger, Gruppen, Initiativen und Privatpersonen. Junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren benötigen für die Antragstellung, Projektdurchführung und Abrechnung einen erwachsenen Ansprechpartner (Eltern, Freunde oder Verein), der als Antragsteller für das Projekt auftritt.

Gibt es einen Anspruch auf die Mittel aus dem Stadtbezirksbeirat?
Nein, das Stadtbezirksbudget ist eine freiwillige Aufgabe und der Beirat entscheidet in demokratischer Abstimmung nach Kenntnisnahme der Meinung der Verwaltung und aufgrund des eigenen Ermessens über die Vergabe der Mittel.

Verfahrensablauf
Anträge können ganzjährig bis zum 30. September des jeweiligen Jahres eingereicht werden. Diese müssen mindestens 10 bis 12 Woche vor Projektbeginn eingereicht werden. Dies ist die ungefähre Bearbeitungs- und Beratungszeit in der Stadtverwaltung und dem Stadtbezirksbeirat. Die Stadtverwaltung Leipzig prüft die formale Zulässigkeit des Antrages. Der Stadtbezirksbeirat berät über den Antrag bzw. die Idee und leitet seine Empfehlung dann an die Stadt Leipzig weiter. Bei Anträgen bis zu 1.000,00 € kann der Stadtbezirksbeirat direkt entscheiden. Bei Anträgen über 1.000,00 € wird die Einholung einer Verwaltungsmeinung beauftragt. Erst dann kann über den Antrag beschieden werden. Für abgelehnte Anträge gilt wie bei der Ratsversammlung eine sechsmonatige Sperrfrist, bis dieser erneut gestellt und abgestimmt werden kann.

Weiterführende Informationen sind auf der Seite der Stadt Leipzig zu finden.

Demokratieecke – Bericht aus dem Stadtbezirksbeirat Nord

von Tino Bucksch

Zwei Dauerthemen standen am 29. April auf der Tagesordnung des Stadtbezirksbeirat Nord: die komplexen Baumaßnahmen der Landsberger Straße vom Coppiplatz bis zur Endhaltestelle der Linie 4 und die Ausgleichsbeiträge im Rahmen der Sanierungssatzung:

Baumaßnahmen Landsberger Straße
Für die kommende Ausgabe wird ein umfassender Beitrag zu diesem Thema erscheinen. Für den Abschnitt vom Coppiplatz bis zur Max-Liebermann-Straße bestätigten die anwesenden Vertreter der Stadtverwaltung und LVB folgende Eckpunkte:

  • Abschnitt zwischen Coppiplatz und Viertelsweg: es wird eine komplette Straßenerneuerung vorgenommen. Dies erfolgt als grundhafte Erneuerung, als nicht nur Deckenerneuerung, sondern umfassend. Es werden Parkstellflächen, ein durchgängig abmarkierter Radweg und Gehwegnasen eingerichtet.
  • Viertelsweg bis Hans-Oster-Straße: auch hier sind Parkstellflächen und ein Radweg vorgesehen.
  • Haltestelle Viertelsweg bis Max-Liebermann-Straße: ein durchgängig abmarkierter Radweg und Parkstellflächen werden angebracht. Wobei die aktuelle Anordnung getauscht wird, so dass die Parkstellflächen in die zweite Reihe rutschen.

Der Bau- und Finanzierungsbeschluss wird dann dem Stadtbezirksbeirat Nord im Herbst 2021 vorgelegt. Weitere Details folgen in der Ausgabe 04/2021

Verwendung von sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen
Im Zuständigkeitsbereich des Stadtbezirksbeirates Nord werden die eingenommenen Geldern aus den sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträgen in folgende zwei Maßnahmen investiert:

  • Cöthener Straße: Realisierung des 1. Bauabschnittes. Ab 2021 erfolgt die und der Baubeginn soll 2022 sein.
  • Motteler Straße: Ebenfalls ab 2021 erste Planungsschritte eingeleitet. Wobei 2021 sogar mit einer Ausschreibung der weiteren Leistungen gerechnet werden kann. Auch hier wird der Baubeginn erst 2022 erfolgen.

Geschichte in Geschichten (Teil 7) – Schüler fragen Zeitzeugen: Gisela Kallenbach

von Cosima Czekalla, Ida Heepe und Jonah Herzig

Gisela Kallenbach, geboren 1944 in Soldin/Neumark, ist aufgewachsen bei der tiefgläubigen Großmutter. Wegen verweigerter Jugendweihe wurde ihr das Abitur verwehrt. Nach der Lehre als Chemie-Laborantin war sie im Auftrag des VEB Mineralölwerk Lützkendorf als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften in Leipzig tätig. Das Fernstudium der Technologie der Chemie beendete sie als Diplomingenieurin, 1967 machte sie den Abschluss als Fachübersetzerin Englisch. 1969 bis 1990 war Gisela Kallenbach Laborleiterin und Themenleiterin (mit zwischenzeitlicher Unterbrechung wegen Geburt und Erziehung der drei Kinder). Seit 1982 Mitglied einer kirchlichen Arbeitsgruppe Umweltschutz gehörte sie ab 1984 zu den Mitgestaltern der Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche. 1987-1989 beteiligt am Konziliaren Prozess der Kirchen der DDR. 1990 bis 2000 als Referentin im Dezernat Umweltschutz der Stadt Leipzig tätig, war sie von 2000 bis 2003 Internationale Bürgermeisterin der UN-Mission im Kosovo. 2004-2009 Europaabgeordnete in der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz und 2009-14 Abgeordnete im Sächsischen Landtag.

Warum haben Sie die Jugendweihe verweigert, obwohl Ihnen die Folgen – kein Abitur – klar waren?

Meine Oma Ida, eine tiefgläubige Frau, hat mich nach dem Tod meiner Mutter aufgezogen, ich bin mit Freuden zur Christenlehre gegangen, die Jugendweihe war für mich kein Thema. Die unbedingte Treue zum Staat und das Bekenntnis zur atheistischen Weltanschauung kam für mich nicht in Frage. – Meine Schwester durfte übrigens auch ohne Jugendweihe auf die Oberschule gehen. Nach der 10. Klasse habe ich dann eine Lehre als Chemielaborantin in Naumburg gemacht.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Schule in der DDR?

Der ganze Unterricht war natürlich ideologisch besetzt. Man muss ja eine Botschaft nicht nur in Staatsbürgerkundeunterricht oder Ethik, sondern in allen Fächern verbreiten. Die Folge war, dass die allermeisten Eltern und ihre Kinder mit zwei Zungen gesprochen haben. Das heißt, sie haben zu Hause was Anderes erzählt als in der Schule.

Ab wann kam bei Ihnen dieser Wunsch zu Veränderungen am System der DDR?

Es gab immer mal so ein paar Grenzen: Wir durften ja nicht reisen. Ich hatte eine Großmutter in Westdeutschland. Ich durfte also auch die Großmutter nicht besuchen, nicht mal zur Beerdigung. Der Widerstand, der Wille zu Veränderungen, kam aber erst spät, eigentlich mit der Einschulung meines ältesten Sohnes, weil mir da so sehr bewusst wurde, wie der Staat Einfluss auf die Erziehung der Kinder nimmt, wir aber meinten, dass wir als Eltern entscheiden wollen, wie unsere Kinder erzogen werden.

Wie kamen Sie zum Umweltschutz?

In der Theorie war in der DDR alles großartig. Wir waren eine der höchstentwickelten Industrienationen, wir waren führend, wo immer auch nur denkbar – aber nur in der Theorie, in der Praxis wusste jeder zu erzählen: Mangel da, Mangel dort. Der ganze Südraum Leipzigs war durch den Braunkohletagebau total zerstört und ich dachte, Du hast drei Kinder, es geht um deren Zukunft, wenn wir die Erde so zerstören.

Auch als Christin habe ich mich verpflichtet gefühlt, die Schöpfung zu bewahren, sie nicht zu zerstören. Diese maßlose Zerstörung unserer Umwelt wollte ich einfach nicht hinnehmen. Ich habe mir dann gesagt: So, du hast die Leute, die das tun, aber gewählt. Du regst dich auf, hast sie gewählt, also hast du ja eigentlich gar keine Legitimation, Kritik üben zu können.“

Wie kam es dazu, dass Sie an den friedlichen Demonstrationen teilnahmen?

1981 sind wir nach Eutritzsch gezogen, Pfarrer Aribert Rothe aus der Michaeliskirche hat mich auf die Arbeitsgruppe Umweltschutz hingewiesen, dort trat ich zunächst als Referentin auf – inzwischen war ich ja Chemieingenieurin in der Forschung der Wasserwirtschaft – und seit 1982 dann als Mitglied. Wir waren natürlich nur ein loses Bündnis, haben in Kirchgemeinden informiert und Aktionen gestartet. So kamen wir dann mit den Gerechtigkeits- und Friedensgruppen 1989 zur Friedlichen Revolution.

Also sind Sie ja praktisch mit einem anderen Ziel angetreten?

Mein Hauptziel zu DDR-Zeiten war: Einhaltung der Gesetze. Die DDR hatte eine erstaunlich gute Umweltgesetzgebung, der Schutz von Natur war in der Verfassung festgeschrieben, aber die Gesetze wurden nicht eingehalten. Es gab Tausende von Ausnahmegenehmigungen.
Aber dann kam alles anders und das viel rascher als gedacht.

Was ist Ihre stärkste Erinnerung an die Friedliche Revolution?

Wir hatten eigentlich mit unserer Umweltgruppe im September 1989 eine Veranstaltungsreihe in der Reformierten Kirche ab dem 4. Oktober geplant. Und dann kam der 9. Oktober, den ich auch nie vergessen werde in meinem Leben. Alle hatten Angst, jetzt passiert was, jetzt greift der Staat ein. Es gab tausend Gerüchte über Panzer am Stadtrand, Krankenhäuser mit zusätzliche Blutkonserven. Selbst die Universität, die Schulen haben gewarnt: „Geht ja nicht ins Stadtzentrum!“ Die Geschäfte machten um fünf zu, um sechs Uhr war immer das Friedensgebet, am 9. Oktober gleichzeitig in vier Kirchen im Stadtzentrum. Die Nikolaikirche war ab Mittag um zwei schon voll besetzt.

Wir sind jetzt drei Gruppen gewesen und haben uns Gedanken gemacht, was wir gegen diese drohende Gefahr der Gewalt tun könnten und haben einen „Appell für Gewaltlosigkeit“ formuliert. Am 9. Oktober habe ich diesen Appell in der Stadt verteilt und an Wände geklebt – dafür konnte man damals in den Knast gehen. Entscheidend aber war, dass am 9. Oktober 70.000 bis 100.000 Menschen auf der Straße waren, und die haben uns davor gerettet, als Aktivistinnen verhaftet zu werden. Das konnte man nicht mehr machen.
Es war ein großartiges Erlebnis, dass an diesem 9. Oktober, dann alles friedlich abgegangen war, dass eben kein Schuss gefallen ist.

Am 16. Oktober, jetzt komme ich zu dem Punkt, dass wir eben Veranstaltungen in der Reformierten Kirche abhielten und da kann ich mich noch erinnern: An diesem Tag waren dann plötzlich wieder so viele Menschen auf der Straße. Und die kamen dann schon mit ersten Transparenten an. Dass wir das erleben, das war so unfassbar, so unvorstellbar. Jetzt passiert hier was, jetzt kommen hier Veränderungen! Da war diese Euphorie und nachher muss ich sagen, man konnte es immer wieder gar nicht fassen. Das Wort des Herbstes war „Wahnsinn!“, es hieß immer wieder „Wahnsinn!“.

Wie haben Sie den Tag des Mauerfalls erlebt?

Der 9. November, das war nochmal unfassbar. Für mich ein Gedenken an die Reichspogromnacht, wir sind von einem Gottesdienst in der Nikolaikirche dann mit Kerzen zu dem Gedenkstein gelaufen und als ich dann abends wieder zu Hause war, da haben die Nachbarn erzählt: „Jetzt dürfen die direkt in den Westen fahren“. Keiner hat es eigentlich richtig kapiert, die Öffnung der Mauer und der Grenzen, das war sowas von abwegig und unvorstellbar. „Was, da stehen die auf der Mauer?“ Sonst wurde geschossen, wenn sich jemand der Mauer näherte und versuchte, in den Westen zu gelangen, die sind kaltblütig erschossen worden. Das waren alles Erlebnisse, die sind nicht jeder Generation vergönnt.

Wie sehen Sie den Vereinigungsprozess heute?

Helmut Kohl hat mit seiner massiven Art den Wiedervereinigungsprozess durchgezogen, im passenden Zeitfenster. Ich war mir mit vielen Freunden eigentlich einig, dass wir es schaffen, schrittweise über einen gemeinsamen Beitritt zur Europäischen Union dann quasi ein geeintes Deutschland in einem geeinten Europa zu werden. Aber das war mit der Bevölkerung nicht zu machen, und das war spätestens am 18. März 1990 klar, als das Bündnis aus CDU, DSU und Demokratischem Aufbruch [Bauernpartei stimmt nicht! – W. L.] fast die absolute Mehrheit gewann. Ich hätte mir einen längeren Prozess gewünscht.

Rückblickend, was hat die Wende aus Ihrer Sicht verändert?

Für mich persönlich begann mein zweites Leben. Ich habe ja noch mal alle Chancen dieser Welt bekommen. Ich konnte die Hälfte der Woche für das Bürgerkomitee arbeiten und nur noch zwei Tage im Institut. Und dann hieß es: „Jetzt können wir Verantwortung übernehmen.“ Dann hatten wir am 7. Mai 1990 wieder Kommunalwahlen. Ich bin angetreten, wurde gewählt, gehörte damit zu den Entscheidern. Als persönliche Referentin des Dezernenten für Umweltschutz und Sport begann ich im Leipziger Rathaus zu arbeiten und konnte nun plötzlich alles Mögliche mitbeeinflussen. Wir kannten natürlich westdeutsches Verwaltungshandeln überhaupt nicht, das war „learning by doing“. Wir hatten viele Begleiter dabei, aus unseren Partnerstädten Hannover und Frankfurt. Das kann ich nicht anders sagen, das war toll, wie die uns begleitet haben

Wie sehen Sie alles heute?

Ich bin auch heute überzeugt, dass viele Dinge gesellschaftlich verändert werden müssen: Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, es gibt die Klima-Krise und vieles mehr. Ich bin sehr froh, all die Jahre schon in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat zu leben, aber vieles ist noch nicht eingelöst: Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung von Natur und Umwelt, globale Gerechtigkeit. Und deswegen finde ich, gibt es genügend Raum, noch weiter für bestimmte Ziele, bestimmte Ideale zu streiten, zu kämpfen, sich zu engagieren, und das werde ich sicherlich auch weiterhin tun.

Zum Ende hin würden wir Sie gerne fragen, was Sie in der DDR am meisten geprägt hat?

Die Ideologisierung hat bei den meisten Menschen keinen Widerstand erregt, jedoch bei mir schon. Wir waren so eine Art Notgemeinschaft. Mit Not meine ich jetzt nicht, dass wir etwa gehungert hätten oder dass wir in Sack und Asche gegangen wären. Wir haben auch in der DDR natürlich gelebt, geliebt, gelacht, Freunde gehabt, Geburtstage und Familienfeiern gefeiert und alles auch, was man so im Alltag und im Leben braucht, Konzerte besucht, Theater besucht und Literatur versucht sich zu besorgen und, und, und.

Wir hatten damals eine Mangelwirtschaft, der Tauschhandel blühte. Man hat sich gegenseitig sehr viel geholfen. Das gebe es heute viel weniger, höre ich immer wieder. Ich kann das persönlich nicht bestätigen, aber viele klagen, die Ellenbogengesellschaft habe ein mehr egoistisches Herangehen hervorgebracht. Und sie hätten auch Freunde verloren. Es könnte durchaus sein, dass da manches vielleicht heute nicht mehr so ausgeprägt ist, wie es damals zu DDR-Zeiten war.

[Gekürzt und redaktionell bearbeitet Ursula Hein]

Demokratieecke

von Tino Bucksch

Die März-Sitzung des Stadtbezirksbeirates Nord brachte für die Mitglieder des Gremiums zwei Überraschungen – eine unerwartete und eine lang ersehnte.

Unter dem griffigen Titel „Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 460 „Wohn- und Geschäftshaus Delitzscher Straße/Krostitzer Weg“; Stadtbezirk: Nord, Ortsteil: Eutritzsch; Aufstellungsbeschluss“ berichteten Vertreter der Stadtverwaltung über das geplante Bauvorhaben direkt hinter dem Baumarkt Hornbach und gegenüber von St. Georg. An dieser Stelle soll ein durchgängiges Wohn- und Geschäftsgebäude entstehen, das neben einem Nahversorger auch Wohnraum und Pflegeeinrichtungen beinhalten soll. Obwohl die Einrichtung des dringend notwendigen Nahversorgers für dieses Gebiet begrüßt wurde, brach eine Debatte an der Frage los, ob sich das vierstöckige Gebäude in die Umgebungsstruktur einfügen wird, die westlich durch das St. Georg und östlich durch eine Einfamiliensiedlung geprägt ist. Genau diese Skepsis spiegelte sich dann in dem gemischten Abstimmungsverhältnis wider. So stimmten nur vier Mitglieder des Gremiums dafür, während zwei dagegen votierten bzw. sich eine Person enthielt.

Harmonischer und mit Erleichterung wurde dem Stadtbezirksbeirat die Vorlage für den neuen Betreiber des Gohliser Schlösschens ab 2021 präsentiert. An dieser Stelle hat der Bürgerverein schon mehrfach über diesen wichtigen und intensiven Prozess berichtet. Um nicht zu viel von dem im aktuellen Heft befindlichen Interview mit den beiden Betreibern vorwegzunehmen, sei nur darauf hingewiesen, dass der Stadtbezirksbeirat der Vorlage mehrheitlich zustimmte.

Nordcafé – Ort der Begegnung im Ruhemodus

von Ricarda Berger

Seit vier Monaten ruht nun der Betrieb des Nordcafés im Keller der Methodistischen Bethesdagemeinde.

Ein schönes und wichtiges Ritual, nämlich die wöchentlichen Zusammenkünfte von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Alter, ist plötzlich zum Stillstand gekommen. Wir hatten nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 eine gute Möglichkeit der Begegnung gefunden und uns stets im Freien mit dem gebotenen Abstand getroffen. Dank des stabilen Sommerhochs konnten wir in den Monaten Juli bis Oktober mit bis zu 30 Gästen im Garten oder Hof zusammen kommen. Die Umsetzung des Hygienekonzepts stellte kein Problem dar. Alle Besucherinnen und Besucher hielten sich vorbildlich daran.

Jetzt sind seit November 2020 die Türen wieder verschlossen.
Viele Helferinnen und Helfer sind aber weiterhin aktiv in ihrer Arbeit mit Geflüchteten und halten den Kontakt zu unseren Gästen.
Dank des Internets kann auch in dieser Zeit Hausaufgabenhilfe geleistet werden.

Besondere Unterstützung aber benötigen einige junge und sehr junge Menschen, die während der Schulschließung per Homeschooling unterrichtet werden sollten, bei denen es im Haushalt aber keinen Computer gibt. So wird von den Ehrenamtlichen gelegentlich auch telefonischer Kontakt zu den Lehrkräften aufgenommen, um Probleme zu besprechen.

Auch die Gespräche mit Erwachsenen wurden fortgeführt. Einige Geflüchtete leiden sehr unter den Einschränkungen und den fehlenden sozialen Kontakten. Dort konnten Telefonate oder Spaziergänge etwas Abwechslung vom Alltag und die Möglichkeit zum persönlichen Austausch bieten.
Wöchentliche Einträge auf unserer Facebook Seite soll die Verbindung zu den Gästen wach halten und auf weitere Hilfsangebote hinweisen.

Sachspenden wie Kleidung, Möbel und Nähmaschine konnten an Geflüchtete weitergegeben werden. Unterstützung gab es ebenfalls bei Fragen zum Aufenthalt und bei Angelegenheiten mit Jobcenter, Jugendamt und Familienkasse.

Es gibt in dieser Zeit auch Hilfsangebote und Kontaktpflege durch Geflüchtete. So erledigte ein junger syrischer Mann, der noch in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, die wöchentlichen Einkäufe für eine Mitarbeiterin des Nordcafés. Ein Ehepaar wird mit süßen Leckereien aus der türkischen Küche verwöhnt und regelmäßig kommen Nachfragen, wann es denn endlich wieder weitergeht mit unserem Cafébetrieb.

Wir alle – Gäste und Mitarbeitende – hoffen auf ein baldiges Wiedersehen im Nordcafé.
Viele Pläne liegen in der Schublade, oder vielmehr kreisen in den Köpfen der Beteiligten:
Unser Fest zum vierjährigen Bestehen, das neue Angebot für Kinder im „Seven4Kids-Club“, unser Sommerfest für die Aktiven, sogar über „Advent in den Höfen“ wurde bereits gesprochen, wobei wir natürlich nicht davon ausgehen, dass wir noch solange die Türen geschlossen halten müssen…

Ein schönes Eröffnungsfest ist in Planung und wird rechtzeitig bekanntgegeben!
Bis dahin bleiben Sie bitte gesund!

Demokratieecke – Ein Budget für den Stadtteil

von Tino Bucksch

Coronabedingt tagte der Stadtbezirksbeirat Nord auch in seinen zwei Januar-Sitzungen in digitaler Form. Beim ersten Termin Anfang Januar befassten sich die Beiräte mit zwei Themen, die eher langfristiger Natur sind. Zum einem wurde einstimmig einem Prüfauftrag zugestimmt, im Zuge der dynamischen Bevölkerungsentwicklung in Leipzig die Wahlkreiszuschnitte für die Stadtratswahl sowie dieZuschnitte der Stadtbezirke neu zu fassen. Ebenso wurde erneut die Überprüfung gefordert, ob eine stärkere Demokratisierung der Zusammenstellung der Stadtbezirksbeiräte nicht dem aktuellen Verfahren vorzuziehen wäre. Im Grunde nach geht es um die seit Jahren diskutiere Frage, ob auch die Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte durch die Bürgerinnen und Bürger zu wählen sind. Aktuell werden die Beiräte entsprechend dem Wahlergebnis der Parteien zusammengesetzt.

Darüber hinaus beriet der Beirat sein gemeinsames Vorgehen im Bezug auf das neue Budget der Stadtbezirksbeiräte: in einer Höhe von 50.000,00 € soll dies den Beiräten ermöglichen, bestimmte Kleinprojekte und Anliegen im Stadtteil direkt zu fördern und zu finanzieren. Für diesen Prozess sollen sowohl aus dem Beirat als auch aus der Bevölkerung heraus Themenvorschläge gesammelt werden.

Ende Januar kam der Beirat erneut (digital) zusammen. Neben den einstimmigen Beschlüssen zur Integrierten Kinder- und Jugendhilfeplanung der Stadt Leipzig, dem Abschluss eines Mietvertrages für die Kindertageseinrichtung „Kita Seehausen“ und dem Planungsbeschluss zur Kindertageseinrichtung in der Mothesstraße 2 stellte das Sportamt die Pläne mit der Sportfreifläche in der Sasstraße vor. Neu wird die Installation einer Fitnessfreifläche für Jung und Alt neben dem Jugendclub „Ufo“ sein. Ebenso sollen noch im Frühjahr acht Mülleimer installiert werden. Gerade deren Einrichtung geht auf die Initiative des Bürgervereins zurück. Auch wenn wir gerne u.a. mit CleanUp Leipzig bürgerschaftliche Putzaktionen neben und auf der Sportfreifläche organisiert haben, so ist es in unseren Augen Aufgabe der Stadt Leipzig für ausreichende Gelegenheiten zu sorgen, Müll, der bei der Nutzung der öffentlichen Fläche entsteht, entsorgen zu können. Weiterhin ungeklärt ist leider der Nutzungskonflikt zwischen dem Basketballplatz und dem Volleyballfeld, dass für ersteren weichen musste. Hier wird der Bürgerverein weiterhin versuchen, vermittelnd zwischen dem Sportamt und der Volleyball-AG des Schillergymnasiums zu wirken.

Demokratieecke Teil 2: Lösung des Problems der behinderten Abfallentsorgung in der Siedlung am Bretschneiderpark?

Von Tino Bucksch

Manchmal lohnt sich der Einsatz – dank kontinuierlichen Druckes über die Öffentlichkeit wie zu unserer Bürgerversammlung im Oktober 2019 oder der Thematisierung des Anliegens im Stadtbezirksbeirat Nord sowie der direkten Ansprache des zuständigen Ordnungsbürgermeisters hat sich endlich etwas getan: wie versprochen hat die Stadtverwaltung Schilder aufgestellt, mit denen auf die Problematik der zugeparkten Zufahrten und der damit verbundenen ausgebliebenen Müllentsorgung hingewiesen wird. Zu finden sind diese in den Einmündungen zur Eduard-von-Hartmann-Straße, Schopenhauerstraße und Steffensstraße. Einsatz für kommunale Anliegen lohnt sich also doch! Auch konnte festgestellt werden, dass die Stadtreinigung vermehrt kleinere Varianten der Müllfahrzeuge einsetzt, um mit diesen auch dem engen Straßenraum Rechnung zu tragen. Leider ist aber noch ungeklärt, warum an der weiterführenden Eduard-von-Hartmann-Straße (über die Baaderstraße) bis zur Nietzschestraße sowie an der Wustmannstaße von beiden Seiten noch keine Schilder stehen. Auch noch offen ist die Frage, ob es nicht auch mit dem Geyserhaus e.V. ein abgestimmtes Konzept geben sollte, wie mit dem Parkdruck im Zuge von Veranstaltungen in der Parkbühne umgegangen werden sollte. Wir bleiben also am Thema dran.

Demokratieecke: „Können sie mich hören? Bin ich zu sehen?“

von Tino Bucksch

„Können sie mich hören? Bin ich zu sehen?“ – Diese Fragen waren wohl die meist gesagten und vernommenen Sätze der ersten digitalen Sitzung des Stadtbezirksbeirates Nord am 14. Mai. Der Druck, die politischen Prozesse unter Coronabedingungen anzupassen, hat die Stadtverwaltung und den Stadtrat schon vor Wochen erreicht und stellte nun den Stadtbezirksbeirat vor eine Herausforderung um seine volle Tagesordnung adäquat abzuarbeiten. Drei Punkte waren dabei auch für den Bereich Gohlis von hohem Interesse:

Soziale Erhaltungssatzung
Das Thema preiswertes Wohnen und Verdrängungseffekte durch hohe Mietpreise dominiert seit Monaten bundesweit die politische Agenda. Eine Soziale Erhaltungssatzung wird dabei von Befürworterinnen und Befürwortern als mögliches Instrument gegen die negativen Effekte auf dem Wohnungsmarkt ins Feld geführt. Die Leipziger Stadtverwaltung hat dafür extra einen Kriterienkatalog erstellt, anhand dessen der geplante Milieuschutz vorgenommen werden soll. Dabei ist wichtig zu sagen, dass die Genehmigungskriterien für geplante Rück- und Änderungsbaumaßnahmen als Leitplanken dienen. Alle Vorhaben müssen einer Einzelfallbetrachtung unterzogen werden. Im Gegensatz zu Eutritzsch (Gebietsgrenzen bilden die Theresienstraße im Süden, die Delitzscher Straße im Nordwesten sowie die Anhalterstraße im Osten), bei dem die Verwaltung bauliche Sanierungs- und Aufwertungspotenziale feststellte, die eben jene Verdrängungseffekte auslösen können, wurde die Soziale Erhaltungssatzung für das vorgeschlagene Gebiet in Gohlis nicht bestätigt. Dabei ergab die Untersuchung, dass zwar gewisse Voraussetzungen erfüllt waren aber die Abgrenzung des geplanten Gebietes (ab der S-Bahntrasse Richtung Süden bis zur Möckernschen Straße über die Georg-Schumann-Straße, die Ost-West Erstreckung verläuft von der Breitenfelder Straße bis zur Wiederitzscher Straße) anders gefasst werden muss. Hierauf hat die Stadtverwaltung schon reagiert und erweiternde Untersuchungen angestoßen. Somit ist klar, dass das Thema den Stadtbezirksbeirat Nord noch häufiger in der Zukunft beschäftigen wird. Den vorliegenden Beschluss votierten die Beiräte mit fünf Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und zwei Gegenstimmen.

Aufstellungsbeschluss und Vorverkaufsrecht östliche Bremer Straße
Wer mit offenen Augen entlang der Max-Liebermann-Straße gegangen ist, hat bemerkt, dass sich im Bereich der Bremer Straße einiges entwickelt. Mit dem Bebauungsplan zu diesem Areal beschäftigte sich der Stadtbezirksbeirat schon in der letzten Wahlperiode. Die Wohnbebauung sowie die neue Filiale der Sparkasse sind schon längst errichtet. Nun plant die Stadt, die versprochene Kita und das Gymnasium zu errichten. Dazu müssen noch die notwendigen Flächen erworben werden. Leider zeigen die aktuellen Eigentümer wenig bis keine Kooperationsbereitschaft. Auch kommt hinzu, dass durch die begrenzten Abwasserkapazitäten in dem Bereich jede neue Bebauung diese reduziert und am Ende diese aufgebraucht sind, bevor die Stadt zum Zuge kommt. Somit wären die geplante Kita und das Gymnasium nicht mehr realisierbar. Daher möchte die Stadtverwaltung von ihrem Vorverkaufsrecht Gebrauch machen und so auch preisdämpfend auf mögliche spekulative Verkäufe in dem Bereich einwirken. Dieses Vorhaben unterstütze der Beirat einstimmig.

HauptnetzRad und Wegweisung SachsenNetz Rad
Zum Schluss stellte ein Vertreter der Stadtverwaltung die Informationsvorlage zum HauptnetzRad vor. Dessen Zielstellung ist es, durch die Definition bestimmter Radwegerouten die Grundlage zu schaffen um für geplante Radwege zum einen Fördermittel einwerben und zum anderen entsprechende Baumaßnahmen ableiten zu können. Gerade die vom Beirat vehement eingeforderte Radwegeverbindung über das Zentrum und das neue Areal am Eutritzscher Bahnhof über die Nordroute nach Halle war in der Vorlage enthalten. Der Beirat wird daher die weitere Realisierung dieses Vorhabens kritisch begleiten.

Demokratieecke

von Tino Bucksch

Bevor der Corona-Virus das gesellschaftliche Leben so beeinträchtigte, dass auch der Stadtbezirksbeirat Nord im April nicht tagen durfte, fand im März eine Sitzung statt, die mit dem Budde-Haus und dem Gohliser Schlösschen zwei Themen auf der Tagesordnung aufwies, die für den Stadtteil von enormer Bedeutung sind.

Für den Erhalt des Budde-Hauses in öffentlicher Hand und die Umwandlung in ein Stadtteilzentrum kämpfte der Bürgerverein schon seit Jahren. Dies konnte bisher erfolgreich umgesetzt werden. Aktuell ist die dringend notwendige Sanierung im Fokus, um noch mehr der Nutzungspotenziale des Hauses zu heben. Umso erfreuter waren die anwesenden Stadtbezirksbeiräte, als auf der Sitzung am 05. März die anwesende Kulturamtsleiterin Brodhun berichten konnte, dass mittels einer Vereinbarung zwischen dem Kulturamt und dem Amt für Gebäudemanagement im September 2019 das Einstellen von ca. 2,5 Millionen Euro für den kommenden Doppelhaushalt 2021/22 vereinbart wurde. Mit diesen notwendigen Mitteln kann die Ertüchtigung des Brandschutzes, der 2. Rettungsweg, die Erneuerung der Elektrotechnik sowie die Barrierefreiheit mittels eines Aufzugs an der durch den Krieg zerstörten Außenfront realisiert werden. Gerade die Barrierefreiheit ist immer ein Thema bei der Planung von Veranstaltungen im Budde-Haus und stellte in der Vergangenheit ein nicht unerhebliches Hindernis dar.

Im selben Atemzug berichtete die Amtsleiterin über den Entwicklungsstand zur Neuausschreibung der Nutzung des Gohliser Schlösschens. Der ambitionierte Zeitplan sieht dabei vor, dass bis zum 31. März die beauftragte Agentur die Potenzialanalyse vorlegen soll, um dann die Ausschreibung nach einem neuen Träger zu ermöglichen. Vom 01. Oktobr bis zum 31. Dezember wird das Haus für Besucherinnen und Besucher gesperrt, um ein paar Schönheitsrenovierungen vorzunehmen, um dann hoffentlich am 01.01.2021 mit dem neuen Betreiber starten zu können. Dazu ist am 11. Mai eine erneute Veranstaltung im Rahmen derselben Teilnehmer des ersten SchlösschenCamps geplant (Anmerkung der Redaktion: mittlerweile abgesagt). Grundsätzlich befürworteten die Mitglieder des Stadtbezirksbeirates das Vorgehen und betonten, dass es definitiv weiterhin eine öffentliche, kulturelles Nutzung des Schlösschen geben muss und dass das Konfliktpotenzial der getrennten Schloss- und Gastronutzung dringend aus der Welt geschaffen werden muss.

Zum Abschluss der Sitzung brachte noch ein Vertreter des Jugendparlamentes der Stadt Leipzig einen Antrag ein, der einen Prüfauftrag an die Stadtverwaltung und den Stadtrat vorsieht, in welchem untersucht werden soll, wie und in welcher Intensität in Zukunft Kinder und Jugendliche in die demokratischen Entscheidungsprozess auf der Stadtbezirksbeiratsebene eingebunden werden können. Dabei diskutierten die Mitglieder des Beirates intensiv und kontrovers über das Spannungsfeld zwischen grundsätzlichem Prüfauftrag und konkreter Ausgestaltung solch einer Beteiligung. Gerade letzteres bewegte sich entlang der offenen Fragen wie denn solch eine Beteiligung erfolgen solle, wie diese pädagogisch begleitet werden könnte und wie es möglich gemacht werden müsse, dass die Kinder und Jugendlichen die teilweise rechtlich komplexen Sachverhalten auch nachvollziehen könnten. Am Ende votierte der Stadtbezirksbeirat mit großer Mehrheit für den Prüfauftrag.