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OL 9. Gohlis heute

Bürgerengagement

von Michael Wagner

Initiative Weltoffenes Gohlis (WoG):

Die Initiative WoG entstand am 6. Oktober 2014 auf Anregung von Angehörigen der Initiative Dialoge für Gohlis. Ziel war es, sich langfristig auf die für Ende 2016 geplante Eröffnung der von der Staatsregierung langfristig geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (EAE) mit 700 Plätzen in der Max-Liebermann-Straße vorzubereiten.

Die Begründer befürchteten, dass mit dem Herannahen des Eröffnungstermins rechtsradikale Gruppen Unsicherheiten und Ängste in der Bevölkerung in noch stärkerer Weise instrumentalisieren und gesellschaftliche Konflikte anheizen könnten, als dies mit Bekanntwerden der Moscheebaupläne der Ahmadiyya Muslim Gemeinde im Jahr 2013 geschah. Langfristig und offensiv sollten demokratische und humanitäre Werte in der Stadtgesellschaft gestärkt, Verständnis für die Aufnahme von Geflüchteten geweckt, Hass-Propaganda gewaltfrei und deutlich entgegengetreten und Flüchtlinge unterstützt werden. Die Gründung als eigene Gruppe erfolgte, um die Themen „Religionsfreiheit“ und „Aufnahme von Geflüchteten“ voneinander zu trennen.

Initiator der Gründung von WoG war der Bürgerverein Gohlis, der im Herbst 2014 die Kirchgemeinden im Leipziger Norden, den Flüchtlingsrat sowie die lokalen Gliederungen von CDU, SPD und der Partei die LINKE, den Kreisverband von Bündnis 90/ die GRÜNEN zum Gründungstreffen in das Büro des Bürgervereins einlud. Bis auf den CDU-Stadtbezirksverband Nord/Nordwest haben sich alle Angeschriebenen sofort oder sehr frühzeitig an der Arbeit von WoG beteiligt. Auch zahlreiche Einzelpersonen sowie weitere kirchliche, gesellschaftliche und politische Gruppen waren von Anfang an an der Arbeit von WoG beteiligt oder stießen im Lauf der Zeit dazu.

Dass WoG im Unterschied zu DfG nicht ausschließlich auf einer Mitarbeit natürlicher Personen beruhte, sondern von Anfang an auch ein Netzwerk verschiedener Organisationen war, erleichterte die gegenseitige Vertretung und trug trotz der unvermeidbaren personellen Fluktuation zur Stabilität der Initiative bei. Wie bei DfG gibt es jedoch keine formellen Hierarchien oder Führungsgremien. Bei Entscheidungen wird nach dem Konsens-Prinzip gearbeitet. Wichtige Aktivitäten von WoG waren:

  • die Durchführung mehrerer Informationsstände in der Nähe zur entstehenden EAE
  • die Verteilung des Informationsflyers von WoG in mehreren Auflagen von bislang 15000 Exemplaren
  • die Organisation öffentlicher Kolloquien zum Thema Migration in Zusammenarbeit mit dem Bürgerverein Gohlis (22. November 2015, 5. Dezember 2015) · die Veranstaltung „Syrische Flüchtlingswege“ im Gemeindehaus der ev.-luther. Versöhnungskirche am 17. Juni 2015 sowie im Gemeindehaus der ev.-luther. Michaelis-Friedens-Kirchgemeinde am 11. Mai 2016
  • ein interkulturelles Fußballturnier am 25. Juni 2016 im Stadion des Friedens mit zehn Mannschaften
  • die Installation von Außenspielgeräten in der kommunalen Flüchtlingsunterkunft in der Zschortauer Straße. Die finanziellen Mittel in Höhe von ca. 2000 EUR wurden durch Spenden und Sponsoring aufgebracht
  • die Begleitung mehrerer Informationsveranstaltungen der Landesdirektion und der Stadt Leipzig zu Flüchtlingsunterkünften im Leipziger Norden sowie die Durchführung mehrerer Kundgebungen am Nordplatz gegen rechtspopulistische und rechtsradikale Aufmärsche, beispielsweise am 26. September 2015, am 11. Januar 2016 und am 6 Juni 2016.

Ende 2016 hat WoG auch den Tätigkeitsbereich der Initiative DfG übernommen. Da die aktiven Mitarbeiter von DfG ohnehin gleichzeitig in WoG tätig waren, konnte dadurch eine Doppelbelastung von Engagierten vermieden werden.

Mit dem Jahr 2016 hat die Unterstützung der Geflüchteten in der Arbeit der Initiative Weltoffenes Gohlis an Gewicht gewonnen. Im Januar 2017 wurde die EAE eröffnet, aktuell mit knapp 150 Asylbewerbern (Stand: Ende Januar 2016). WoG kooperiert hierbei mit der Olbricht-Initiative, die im Jahr 2016 die konkrete Hilfe für die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Olbricht-Straße koordinierte und seit Anfang 2017 in Zusammenarbeit mit dem Betreiber, den Johannitern, in der EAE tätig ist. Die Olbricht-Initiative setzt sich zu einem großen Teil aus Angehörigen verschiedener Kirchgemeinden im Leipziger Norden zusammen.

Dialoge für Gohlis (DfG)

Durch eine Veröffentlichung der Leipziger Ausgabe der BILD-Zeitung wurde am 27.9.2013 die Absicht der muslimischen Ahmadiyya Muslim Gemeinschaft (AMJ) bekannt, in Gohlis eine Moschee errichten zu wollen. Ungeachtet der Erklärungen der AMJ, dass das Gotteshaus mit Zierminarett ausschließlich privat finanziert und für maximal 100 Personen geeignet sein werde, löste dies äußerst heftige öffentliche Reaktionen aus. Eine anonyme Facebook-Gruppe „Gohlis sagt nein“ heizte die Stimmung mit antimuslimischen Ressentiments an und begann Unterschriften für eine Petition an den Stadtrat gegen den Moscheebau zu sammeln. Nach anfänglichen Bemühungen, sich als „Mitte der Gesellschaft“ darzustellen, entpuppte sich „Gohlis sagt nein“ sehr schnell als äußerst rechte und zumindest teilweise der NPD nahestehende Gruppierung.

In Reaktion darauf gründeten Leipziger Bürger, insbesondere Menschen aus Gohlis, im Herbst 2013 die „Initiative „Dialoge für Gohlis“ (DfG). Ziel war eine Versachlichung der Debatte, ein Bekenntnis zur Religionsfreiheit, die das Recht zum Bau einer Moschee einschließt, den Beginn eines interreligiösen Dialoges im Leipziger Norden, aber auch der friedliche Protest gegen rechtsradikale Bekundungen. In DfG engagierten sich u. a. Mitglieder des Bürgervereins Gohlis, verschiedener Parteien (SPD, die LINKE, Bündnis 90/die GRÜNEN, Piratenpartei) sowie von Kirchgemeinden im Leipziger Norden, insbesondere der Michaelis-FriedensKirchgemeinde. Auch mehrere Politiker verschiedener Parteien arbeiteten mit, unter ihnen Holger Mann (MdL, SPD), Juliane Nagel (MdL, die Linke), Jürgen Kasek (B90/die GRÜNEN) und Skadi Jennicke (die LINKE, seit 2016 Kulturbürgermeisterin). Für ein positives Verständnis von kultureller und religiöser Vielfalt warben im Umfeld von DfG die Facebook-Gruppen „ProMoschee – Mehr Toleranz“ sowie „Für Religionsfreiheit und Toleranz“.

Um einen Gegenpol zu „Gohlis sagt nein“ zu setzen, initiierte der Politik-Student Martin Meißner aus der Gruppe DfG eine Petition „Leipzig sagt ja“. Die 5.950 Unterschriften unter die Petition Meißners wurden am 7.2.2014 Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bei einer öffentlichen Veranstaltung vor der Friedenskirche überreicht. Nachdem der Oberbürgermeister es abgelehnt hatte, die in den einschlägigen islamfeindlichen Netzwerken beworbenen, deutschlandweit gesammelten über 10.000 Unterschriften der moscheefeindlichen Petition von deren rechten Initiatoren entgegenzunehmen, wurden ihm diese am 16. April durch Alexander Kurth, damals Landesvorsitzender der NPD Sachsen, während einer Stadtratssitzung auf den Tisch geworfen.

Wichtige Aktionen von Dialoge für Gohlis waren:

  • Die Erstellung und Verteilung eines Flyers in einer Auflage von mehreren tausend Stück, der die Geltung der Religionsfreiheit für alle Religionsgemeinschaften unterstrich. An der Verteilung haben sich sowohl Angehörige von DfG und als auch der AMJ beteiligt.
  • Die Teilnahme einer vom Bürgerverein Gohlis angemeldeten Kundgebung am 2.11.2013 vor der Friedenskirche gegen einen Aufmarsch der NPD in der Georg- Schumann-Straße
  • Die Unterstützung und Begleitung mehrerer Aufführungen des Theaterstückes „Moschee de“ von Kolja Mensing und Robert Thalheim in einer Inszenierung von David Perlbach in der Friedenskirche im Mai 2015. Dieses Theaterstück thematisiert die Auseinandersetzungen um den Bau einer AMJ-Moschee in Berlin-Heinersdorf im Jahr 2007.
  • Die Organisation öffentlicher Kolloquien zum interreligiösen Dialog in Zusammenarbeit mit dem Bürgerverein Gohlis (14.11.2015 und 20.8.2016) sowie die Etablierung des interreligiösen Dialoges im Stadtbezirk.

DfG arbeitete als offene Gruppe ohne formale Mitgliedschaften oder Führungsstrukturen. Der interreligiöse Dialog wurde zunächst von einer Arbeitsgruppe von DfG initiiert und umfasste schnell die evangelischen Gemeinden des Leipziger Nordens, die katholische St. Georgs-Gemeinde, die AMJ, die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig sowie anfänglich auch das Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit und Rassismus (NIR). In regelmäßigen Treffen tauschten sich die Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften zu Glaubensinhalten und den daraus resultierenden ethischen und gesellschaftlichen Haltungen aus. Am 11. September 2016 fand vor der Friedenskirche ein interreligiöses Dankfest statt, das auch ein gemeinsames Gebet der drei beteiligten Religionsgemeinschaften in der Friedenskirche umfasste. Ende 2016 ging die Tätigkeit von DfG in der Initiative „Weltoffenes Gohlis“ (WoG) auf. WoG führt den Namen „Dialoge für Gohlis“ für die Veranstaltungen im Rahmen des interreligiösen Dialoges fort.