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OL 4.3 Handwerk und Industrie

Motorradseitenwagen aus Gohlis: Die Firma Stoye Fahrzeugbau

von Matthias Judt

Die Geschichte der Motorisierung der Privathaushalte in Deutschland verlief über mehrere Etappen. Sie begann mit Krafträdern, seien es Mofas, Mopeds oder Motorräder, führte über Besitz von einzelnen PKW in vielen Haushalten bis zur Doppel- oder gar Dreifachmotorisierung in den Familien. An den Zulassungszahlen für Privatfahrzeuge kann man diese Entwicklung gut nachvollziehen, die inzwischen auch wieder zu vermehrten Besitz von Motorrädern – oft jedoch als Zweit- oder Drittfahrzeug geführt hat. Dreißig Jahre lang, zwischen 1926 und 1956, waren in Deutschland mehr Motorräder als PKW zugelassen. In der großen Bedeutung, die das Motorrad in Deutschland spielte, unterscheidet sich unser Land fundamental von der Geschichte der Motorisierung in anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien. (1)

Eine Zwischenetappe auf dem Weg zum privat gehaltenen PKW war die Ausrüstung von Motorrädern mit Seitenwagen. In Deutschland waren seit der Zeit des Ersten Weltkrieges insgesamt 22 Hersteller aktiv, von denen zwölf auch oder erst nach dem Zweiten Weltkrieg tätig wurden. (2) Motorradgespanne waren die ersten „Familienkutschen“ mit dem Vater, das Motorrad fahrend, der Mutter im Beiwagen mit einem Kind oder auf dem Sozius sitzend, weil inzwischen weiterer Nachwuchs transportiert werden musste. Sie konnten auch erster „Pickup“ sein, mit Beiwagen, in denen Material und Werkzeug transportiert werden konnten. Motorradseitenwagen stellen also ein wichtiges Stück der Motorisierungsgeschichte des 20. Jahrhunderts dar, gerade in Deutschland.

Auf dem Gebiet der DDR gab es zwei Hersteller von Seitenwagen, AWO in Suhl, wo allerdings nur wenige Jahre zwischen 1955 und 1958 Motorradgespanne produziert wurden, und Stoye-Fahrzeugbau Leipzig, wo von 1925 bis 1990 insgesamt 300.000 Seitenwagen hergestellt wurden. Mit dem zeitweiligen Auslaufen der Fertigung von Seitenwagen in der alten Bundesrepublik am Ende der 1960er wurde Fahrzeugbau Stoye für fast zwei Jahrzehnte sogar das einzige Unternehmen, das in Deutschland Seitenwagen herstellen sollte. (3)

Die Firma Stoye wurde 1920 als mechanische Werkstatt gegründet, die auf Kundenwunsch auch Motorradseitenwagen baute. 1925 tat Walter Stoye (1893 – 1970) sich mit dem Kaufmann Johannes Mittenzwei zusammen. Beide Unternehmer sollten sich dabei sehr gut wechselseitig ergänzen. Mittenzwei wirkte vor allem nach außen und sorgte dafür, dass der Name „Stoye Fahrzeugbau“ immer bekannter wurde. Stoye war wiederum ein sehr einfallsreicher Konstrukteur, der zwischen 1928 bis 1965 ca. 15 Patente und Gebrauchsmuster entwickelte. „Er setzte neue Erkenntnisse sehr schnell in seinen Seitenwagenkonstruktionen um und hat so stets technisch fortschrittliche, aber gleichzeitig auch qualitativ hochwertige und formschöne Seitenwagen gebaut.“ (4)

„Ende der Zwanziger und vor allem in den Dreißiger Jahren konnten dadurch wiederum von Mittenzwei und zunehmend von den mit Seitenwagen belieferten großen deutschen Motorradherstellern und deren Werkssportfahrern mit STOYE-Gespannen viele internationale Wettbewerbe (z.B. Internationale 6-Tagefahrten 1932 bis 1938, u.v.a.) gewonnen werden.“ (5)

Nachdem andere Leipziger Produktionsstandorte der Firma dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen waren, verlagerte die Fahrzeugbau Stoye Leipzig ihre Fertigung 1944 komplett auf das Gelände einer früheren Drahtwaren- und einer Papierfabrik an der Lindenthaler Straße in Gohlis. Kriegsbedingt kam allerdings dennoch die Neufertigung von Seitenwagen zunächst komplett zum Erliegen. (6)

Noch unter amerikanischer Besatzung erhielt die Firma 1945 die Genehmigung, mit der Reparatur von Fahrzeugen, darunter Seitenwagen, die Fertigung am Standort in der Lindenthalter Straße wieder aufzunehmen. Ab 1949 begann die noch vereinzelte Herstellung neuer Seitenwagen für die in sowjetischen Besitz übergegangenen Zweiradwerke in Suhl. Ein Jahr später konnte die Serienfertigung in größerer Stückzahl aufgenommen werden. (7)

Bis 1961 produzierte Stoye Seitenwagen für die SAG AWTOWELO (AWO bzw. Simson), die Eisenacher Motorenwerke (EMW, später Automobilwerke Eisenach) und das Motorradwerk Zschopau (MZ). Zwischen 1925 und 1990 wurden etwa 300 verschiedene Typen entwickelt und produziert. Ab 1956 wurden die weltweit ersten speziell für die neuen Langschwingenfahrwerke der Motorräder SIMSON-SPORT und MZ ES konstruierten Seitenwagen gebaut , die seinerzeit als die „die weltweit modernsten und komfortabelsten“ galten. Vom 1962 von Walter Stoye entwickelten Typ „Superelastik“ wurden bis zur Einstellung der Seitenwagenproduktion 1990 ca. 80.000 Einheiten hergestellt. (8)

Die Firma erlebte ab 1961 einen Prozess der schleichenden Verstaatlichung, der mit der endgültigen Enteignung 1972 abgeschlossen wurde. Anfang der 1960er Jahre wurde erstmals eine staatliche Beteiligung aufgenommen, das Unternehmen wurde ein „Betrieb mit staatlicher Beteiligung“ (BSB). Einher ging der dadurch beginnende Anschluss an die MZ-Werke mit dem Herausdrängen der bisherigen Eigentümer Walter Stoye (im Jahre 1967) und Johannes Mittenzwei (im Jahre 1970). Im Frühjahr 1972 gehörte Fahrzeugbau Stoye dann zu den 11.000 Unternehmen, die im Zuge der letzten großen Nationalisierungswelle in der DDR „ins Volkseigentum“ überführt wurden. (9) Aus der Firma wurde das „Werk IV“ der Motorradwerke Zschopau.

Die Zuordnung zu MZ veränderte das Produktionsprofil entscheidend. Zunehmend wurden Ersatzteile für die MZ-Motorräder hergestellt. 1973 wurde sogar die Fertigung von Seitenwagen für etwa zwei Jahre völlig eingestellt. 1975 wurde sie jedoch wieder aufgenommen und dann bis April 1990 ohne Unterbrechung durchgeführt. (10)

Nach der Vereinigung Deutschlands wurde die Herstellung von Seitenwagen nicht wieder aufgenommen. Die Treuhandanstalt veräußerte das Firmenareal an einen Leipziger Autohändler. Auf dem Gelände entstanden ein Autohaus, eine Tankstelle, eine Autowaschstraße sowie ein Parkhaus. (11)

Vor einigen Jahren machte das Autohaus dicht. 2016/17 wurden seine Räumlichkeiten umgebaut, um ursprünglich daraus eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und andere Personen zu machen. Im August 2017 wurde bekannt, dass sie nur als Reserveflächen vorgehalten werden sollen. (12) Nichtsdestotrotz erinnert seit kurzem ein Straßenname an die frühere Zweckbestimmung des Areals: Am 21. Juni 2018 beschloss der Leipziger Stadtrat, den Straßenabschnitt der Halberstädter Straße nordwestlich der Lindenthaler Straße in „Stoyestraße“ umzubenennen. (13)

(1) Vgl. Joachim Radkau, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis heute, Frankfurt am Main/ New York 2008, S. 319; Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000, S. 305.
(2) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Motorradgespannherstellern.
(3) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Motorradgespannherstellern; Claus Hüne, „Die Firma Stoye und das Autohaus an der Lindenthaler Straße“ (im Folgenden „Hüne 2017“), in Bürgerverein Gohlis 2017, S. 168-170, hier S. 170.
(4) wiedergegeben und zitiert nach: http://www.stoyeleipzig.de/Geschichte.
(5) zitiert nach: http://www.stoyeleipzig.de/Geschichte.
(6) Vgl. Hüne 2017, S. 168f; http://www.stoyeleipzig.de/Geschichte.
(7) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Stoye-Fahrzeugbau-Leipzig; Hüne 2017, S. 168; ders. „Fahrzeugbau Stoye“, in: http://www.leipziger-industriekultur.de/fahrzeugbau-stoye/ (im Folgenden „Hüne 2015“).
(8) Vgl. Hüne 2017, S. 168f.
(9) Vgl. Hüne 2015; Hüne 2017, S. 169; Matthias Judt, “Aufstieg und Niedergang der ‚Trabi-Wirtschaft‘”, in ders. (Hg.) DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse, Berlin 1997 und Bonn 1998, S. 87 – 164, hier S. 90 und 121; Wieland Eschenhagen/Matthias Judt, Der Neue Fischer Weltalmanach Chronik Deutschland 1949-2014. 65 Jahre deutsche Geschichte im Überblick, Frankfurt/Main 2014, S. 196. Siehe auch Heinz Hoffmann, Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung im planwirtschaftlichen System der DDR, Stuttgart 1999.
(10) Vgl. Hüne 2017, S. 170.
(11) Vgl. Hüne 2017, S. 170.
(12) Vgl. Hüne 2017, S. 170; Stadt Leipzig, Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule, „Informationsvorlage Nr. VI-DS-04686. Aktueller Sachstand und weitere Planungen für die Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der Stadt Leipzig – Stand: 21.08.2017“, S. 13; http://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/auslaender-und-migranten/fluechtlinge-in-leipzig/fluechtlingsunterkuenfte-in-leipzig/, aufgerufen am 31. August 2017.
(13) Vgl. Leipziger Amtsblatt vom 30. Juni 2018.

Adolf Bleichert & Co

von Matthias Judt

Die Bleichert-Werke scheinen langsam in Vergessenheit zu geraten, zumal ihre Geschichte als größtes Industrieunternehmen in Gohlis bereits 1993 endgültig zu Ende gegangen ist. Die Leipziger Volkszeitung hat allerdings 2017 in einer Multimediapräsentation Historie und Gegenwart des Betriebsgeländes in Gohlis noch einmal visuell dargestellt. (1) Zudem gibt es von Videofilmern gemachte Aufnahmen (2) und Fotos (3), die den Verfall der einst so belebten Fabrikhallen seit ihrer Außerbetriebnahme dokumentieren. Mit ihrem Umbau zu Wohnungen wird den ehemaligen Bleichert-Werken neues Leben eingehaucht. (4)

Ihre Geschichte ist in einer Reihe von Publikationen für eine breite, historisch interessierte Öffentlichkeit aufgearbeitet worden. (5) Die wichtigsten der von dort präsentierten Fakten sind auch in Internetquellen abrufbar. (6) Daneben gibt es inzwischen wissenschaftliche Abhandlungen zur Geschichte der Bleichert-Werke. (7)

Ihren Ursprung hatten die früheren Bleichert-Werke in einem kleinen Ingenieurbüro, das am 1. Juli 1874 von Adolf Bleichert (Abbildung: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Adolf_Bleichert.jpg ) (8) und dessen Studienfreund Theodor Otto im Leipziger Zentrum gegründet worden war. Die Wege der beiden sollten sich bereits gut zwei Jahre später, am 23. August 1876, wieder trennen. Bleichert führte die Firma zunächst allein weiter und nannte sie in „Adolf Bleichert Technisches Büro, Fabrik von Drahtseilbahnen“ um. Am 1. Oktober 1877 trat schließlich der Kaufmann Peter Heinrich Piel, der Schwager Bleicherts, in das Unternehmen ein. In Neuschönefeld (damals noch nicht zu Leipzig gehörend) wurde eine Werkstatt für 20 Arbeiter gemietet, während das Ingenieurbüro vorerst im Leipziger Zentrum verblieb. (9)

Genau vier Jahre später, am 1. Oktober 1881, verlegten die beiden Unternehmer ihre gesamte Firma nach Gohlis, das zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch gar nicht Teil Leipzigs war. Es entstand die offene Handelsgesellschaft „Adolf Bleichert & Co Gohlis“ mit 20 Angestellten („Beamten“) und 70 Arbeitern. (10)

Nach Piels Tod am 30. Juli 1887 übernahmen dessen Frau Anna (eine Schwester Bleicherts) und ihre gemeinsamen Kinder die Anteile, wurden jedoch bereits im darauffolgenden Jahr von Adolf Bleichert ausbezahlt. Nichtsdestotrotz blieb der nunmehrige Name Adolf Bleichert & Co bis zur Insolvenz des Unternehmens 1932 beibehalten. (11)

Die Bleichert-Werke entwickelten sich von Beginn an rasant. Mit dem Datum des Umzuges der Firma nach Gohlis (historische Abbildungen zu den Fabrikanlagen unter http://www.vonbleichert.eu/werk-leipzig-gohlis/) verbunden war auch die Auslieferung der 100. Drahtseilbahn. Bis 1890 wurden weitere 500 davon gebaut. Neun Jahre später wurde die 1.000er-Marke überschritten. (12)

„1888 erteilte Adolf Bleichert & Co. der amerikanischen Firma Cooper, Hewitt & Co., der Muttergesellschaft der Trenton Iron Company eine Lizenz zum Bau und Vertrieb von Bleichert-Seilbahnen in den USA. Trenton Iron konnte bald darauf eine große Zahl von Seilbahnen in den USA bis nach Alaska absetzen.“ Bis Bleicherts Tod im Jahre seien Seilbahnen u.a. auch nach Frankreich, Spanien und Argentinien verkauft worden. „Die Adolf Bleichert & Co. war der führende Seilbahnbauer, der sämtliche Rekorde hielt: die höchste und längste Seilbahn in Argentinien, die längste über Wasser in Neukaledonien, die leistungsstärkste in Frankreich (500 t/h), die steilste in Tansania (86%), die nördlichste in Spitzbergen (79°) und die südlichste in Chile (41°). Sie hatte Büros in Leipzig und Brüssel, Paris und London.“ Seit 1901 unterhielt die Firma mit Bleichert’s Aerial Transporters Ltd. auch ein Tochterunternehmen in England (bis 1914). (13)

Es verwundert deshalb nicht, dass Adolf Bleichert 1890/91 unmittelbar gegenüber seiner Fabrik an der Lützowstraße eine prächtige Villa (Villa Hilda) als Familiensitz errichten lassen konnte (Abbildung: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:LE_Gohl_VillaHilda.jpg ) (14), die heute als „Heinrich-Budde-Haus“ ein soziokulturelles Zentrum beherbergt.

Die sehr erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Firma setzte sich in den folgenden Jahren fort. Nachdem Adolf Bleichert am 29. Juni 1901 während eines Kuraufenthaltes im schweizerischen Davos an Tuberkulose verstorben war, übernahmen seine Söhne Max und Paul die Führung des Unternehmens und entwickelten es bis zum I. Weltkrieg zur größten Drahtseilfabrik der Welt. 1911 beteiligte sich das Unternehmen an einer Eisengießerei und Maschinenfabrik in Lichtenegg in Oberösterreich (Abbildung: http://www.vonbleichert.eu/fabrik-lichtenegg-oesterreich/). Ab 1912 unterhielt Bleichert eine Fabrik in Neuss am Rhein (Abbildung: http://www.vonbleichert.eu/werk-neuss-am-rhein/).

Dabei wurde die Produktpalette ständig ausgedehnt: Seit 1902 produzierte Bleichert Elektrohängebahnen, ab 1904 Becherwerke, seit 1905 Seil- und Kettenförderer, seit 1907 Bagger und ab 1908 Transportbänder. „Während des 1. Weltkrieges wurden Feld- oder Einseilbahnen zum Einsatz hinter der Front für den Transport von Munition, Verpflegung und Verwundeten gebaut, mit denen das Unternehmen Millionengewinne erzielte.“ (15) Durch den I. Weltkrieg gingen zwar die internationalen Geschäftsverbindungen weitgehend verloren, doch die lukrativen Kriegsaufträge brachten nicht nur besagte Millionengewinne, sondern veranlassten den letzten sächsischen König Friedrich August III., Paul und Max Bleichert 1918 in den Adelsstand zu erheben. (16)

Nach dem Ende des Krieges expandierte das Unternehmen weiter. Zwischen 1919 und 1922 entstand in Eutritzsch ein zweites Werk (Abbildung: http://www.vonbleichert.eu/werk-leipzig-eutritzsch/). Das Geschäft verlagerte sich auf die Konstruktion und den Bau von Luftseilbahnen zur Personenbeförderung. 1924 wurde ein Lizenzvertrag mit dem Südtiroler Ingenieur und Unternehmer Luis Zuegg abgeschlossen gemeinsam das System „Bleichert-Zuegg“ für Seilschwebebahnen entwickelt.“ (17) Mit dem Start der Herstellung der „Eidechse“, eines Elektrokarrens, wurde ab 1925 zudem die Produktpalette des Unternehmens erneut erweitert. Er hatte zunächst eine Nutzlast von 1,5 Tonnen. (18) Im gleichen Jahr begann die Fertigung eines Elektro-LKW mit sieben Tonnen Nutzlast. (19)

Die Jahre 1926/27 stellten eine weitere Wendemarke in der Geschichte der Bleichert-Werke dar. Die Gebrüder Max und Paul von Bleichert, die schon einige Zeit zuvor die anderen Familienmitglieder ausbezahlt hatten, bereiteten die Umwandlung der seit 1881 bestehenden offenen Handelsgesellschaft (oHG) in eine Aktiengesellschaft (AG) vor. (20)

Paul von Bleichert musste 1927 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Unternehmen ausscheiden und verkaufte seine Anteile nach außerhalb, an die Felten & Guilleaume Carlswerk AG aus Köln. Sie wurde damit Großaktionär in der Bleichert & Co AG Leipzig-Gohlis. (21)

Im Jahre 1928 beschäftigte das Unternehmen etwa 1.200 Angestellte und 2.000 Arbeiter und unterhielt Tochtergesellschaften unter anderem in Neuss und in Brünn. (22)

„Infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 kam es 1931 zum Kollaps des deutschen Bankensystems. Die Adolf Bleichert & Co. konnte bei rapide sinkenden Auftragseingängen noch ein Jahr durchhalten, musste dann aber am 4. April 1932 Konkurs anmelden. Dies bedeutete zwar das Ende der Familiengesellschaft, aber das Unternehmen als solches mit seiner Kompetenz wurde in der am 23. Juni 1932 gegründeten Auffanggesellschaft Bleichert-Transportanlagen GmbH weitergeführt, die mit 73 Angestellten und 96 Arbeitern an alter Stätte die Produktion fortsetzte.“ (23)

Mit Zustimmung des Gläubigerbeirates wurde das Unternehmen an den Stahl- und Seilehersteller Felten & Guilleaume Carlswerk Actien-Gesellschaft [F&G] veräußert [der, wie erwähnt, bereits seit 1927 Anteile gehalten hatte]. Die [1928 gegründete] Kabelbagger-GmbH musste kurz darauf Konkurs anmelden, die bereits 1924 gegründete] Personenseilbahn-GmbH wurde als Tochter der Bleichert-Transportanlagen GmbH fortgeführt.“ (24) Die Bleichert-Werke wurden nunmehr aus Köln geleitet, denn in der Tat hatte F&G die neue Bleichert GmbH als Auffanggesellschaft mit Standort in Köln gegründet. (25)

Mit dem neuen Eigner erlebten die Bleichert-Werke einen erneuten Aufschwung in der Produktion von Transportanlagen verschiedener Art. Ab 1934 errichteten die Bleichert-Werke in den Alpen in Kooperation mit Partnern Schlepplifte mit neuartigen selbsttätigen Bügeleinzugseinrichtungen. Aus dem Elektrokarren „Eidechse“ wurde ein Fahrzeug mit 7 Tonnen Nutzlast entwicklet. Zwischen 1935 und 1939 fertigte Bleichert schließlich ein zweisitziges Cabriolet mit Elektroantrieb mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und ca. 70 km Reichweite. (26)

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war Bleichert wieder führend im Bau von Transportanlagen für Massengüter aller Art. Es wurden Drahtseilbahnen, Kabelkrane und Nahförderanlagen konstruiert und hergestellt. Diese Produktion musste in den Kriegsjahren zurückgefahren werden.

Während des II. Weltkrieges wurden sie – wie schon im I. Weltkrieg – in die Herstellung von Kriegsmaterial einbezogen. Die Nationalsozialisten nutzten die Fabrik als Rüstungsbetrieb und ließen hier im großen Stil Granathülsen produzieren. Nicht von ungefähr wurden die Werke deshalb 1945 zum Ziel von alliierten Bombenangriffen, die starke Schäden an den Gebäuden und Einrichtungen verursachten. (27)

(1) http://multimedia.lvz.de/bleichert#561
(2) https://www.youtube.com/watch?v=K9swxXMeRZk
(3) vgl. https://www.industrie-kultur-ost.de/datenbank/maschinenbauindustrie/adolf-bleichert-werke-leipzig/.
(4) https://www.cg-gruppe.de/immobilien/projekte/in-ausfuehrung/bleichert-werke/399.
(5) Manfred Hötzel, „Die Firma Adolf Bleichert & Co. Leipzig-Gohlis und die Nachfolgebetriebe SAG Bleichert und VEB Verlade- und Transportanlagen Leipzig (VTA)/Verlade- und Transportanlagen GmbH“ (im Folgenden „Hötzel 2017a“), in Bürgerverein Gohlis (Hg.) 700 Jahre Gohlis. 1317 – 2017. Ein Gohliser Geschichtsbuch, Markleeberg 2017 (im Folgenden „Bürgerverein 2017“), S. 159-164; ders., Adolf Bleichert & Co. Leipzig-Gohlis. Kleine Beiträge zu einer großen Geschichte (=Gohlis Forum, Sonderausgabe, Dezember 2010), Leipzig 2010 (abzurufen unter www.buergerverein-gohlis.de/media/…/Sonderausgabe-Bleichertausstellung.pdf, im Folgenden „Hötzel 2010“)), ders., Adolf Bleichert und sein Werk, Beucha 2002 (im Folgenden „Hötzel 2002“).
(6) siehe z.B. http://www.leipzig-gohlis.de/tourismus/bleichert.html; André Winternitz, „Drahtseilbahnfabrik Adolf Bliechert“ (im Folgenden „Winternitz 2012“), in: http://www.rottenplaces.de/main/drahtseilbahnwerk-adolf-bleichert-3370/.
(7) vgl. Oliver Werner: Ein Betrieb in zwei Diktaturen. Von der Bleichert Transportanlagen GmbH zum VEB VTA Leipzig 1932 bis 1963 (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Bd. 101), Stuttgart 2004.
(8) Foto gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
(9) vgl. „Adolf Bleichert & Co“, in http://www.vonbleichert.eu/bleichert/ (aufgerufen am 29. Juni 2017); Hötzel 2010, S. 8.
(10) vgl. Winternitz 2012.
(11) vgl. Hötzel 2017, S. 160; Hötzel 2010, S. 9 und 16, „Adolf Bleichert & Co“, in http://www.vonbleichert.eu/bleichert/ (aufgerufen am 29. Juni 2017).
(12) vgl. Hötzel 2017, S. 160; „Adolf Bleichert & Co“, in http://www.vonbleichert.eu/bleichert/ (aufgerufen am 29. Juni 2017).
(13) wiedergegeben und zitiert nach Winternitz 2012.
(14) Foto gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
(15) wiedergegeben nach Hötzel 2017, S. 161;„Adolf Bleichert & Co“, in http://www.vonbleichert.eu/bleichert/ (aufgerufen am 29. Juni 2017). Zitat aus Hötzel 2017, S. 161.
(16) vgl. Winternitz 2012.
(17) zitiert nach Winternitz 2012.
(18) vgl. Winternitz 2012; Hötzel 2017, S. 162.
(19) Abbildungen unter: https://www.mdr.de/zeitreise/elektrokarren-aus-leipzig-100.html.
(20) vgl. Hötzel 2017, S. 162.
(21) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Bleichert_%26_Co.
(22) vgl. Winternitz 2012.
(23)Winternitz 2012.
(24) zitiert nach Winternitz 2012, Einfügungen durch MJ. Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Bleichert_%26_Co.
(25) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Pohlig.
(26) vgl. Winternitz 2012.
(27) vgl. Winternitz 2012; https://www.industrie-kultur-ost.de/datenbank/maschinenbauindustrie/adolf-bleichert-werke-leipzig/.

SAG „Bleichert“

von Matthias Judt

Unmittelbare Folge der Besetzung der ostdeutschen Länder durch die Rote Armee waren sogenannte Trophäenaktionen und eine Welle von Demontagen. Das bedeutete, dass – zum Teil auch völlig willkürlich und keineswegs in Abstimmung mit zentralen Befehlsebenen der Besatzungsmacht – Maschinen und Anlagen, Kunstwerke und vieles andere mehr konfisziert wurden.

Beides musste – in Verbindung mit den ohnehin vorhandenen Kriegszerstörungen – die wirtschaftliche Situation der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) noch verschärfen. Bereits Ende 1945 setzte jedoch ein Wandel in der sowjetischen Reparationspolitik ein. Statt Maschinen und Anlagen zu demontieren, sollten Wiedergutmachungsleistungen aus der SBZ als Lieferungen aus der laufenden Produktion erfolgen. Um diese für sich auch sicherzustellen, wurden ab Ende 1945 deutsche Unternehmen in das Eigentum der UdSSR übernommen, genauer gesagt: ihre frühere Beschlagnahme manifestiert. Es entstanden „Sowjetische Aktiengesellschaften“ (SAG), die strikt nach dem deutschen Handelsgesetzbuch agierten, deren Entstehen aber auf besagte Beschlagnahme zurückzuführen war. (1)

Exkurs: Der Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), Marshall Georgi Schukow führte Mitte November 1945 zu den Demontagen aus:

„Es ist […] die Frage angeschnitten wegen der Demontierungen, die seitens der Roten Armee und der Alliierten stattfinden. Der Hitlerfaschismus hat der Welt und insbesondere Russland so tiefe Wunden geschlagen, dass dem deutschen Volk genommen werden muss, noch einmal einen Krieg vom Zaune zu brechen. […] wenn wir deswegen diejenigen Industrien abbauen, die für den Krieg benutzt wurden oder werden können, so ist das einerseits erforderlich zur Wiedergutmachung und zur Verhinderung eines zukünftigen Krieges. […] Um Ihnen zu helfen, werden wir trotzdem mehrere 100 Betriebe in der Sowjetischen Besatzungszone errichten, um Arbeit und Existenzmöglichkeiten zu schaffen, allerdings werden diese unter unserer Leitung arbeiten müssen.“ (2)

Auf diese Weise gelangten auch die Bleichert-Werke im Sommer 1946 in sowjetischen Besitz und wurden als „Bleichert Transportanlagen Fabrik SAG Leipzig N 22“ fortgeführt. 1950 wurde die SAG Bleichert der SAG „Transmasch“ zugeordnet. Hier wurden Kabel- und Autokrane, Verladebrücken, Frässchaufler und Elektrokarren, bald auch wieder Drahtseilbahnen hergestellt. (3)

Die Produktionspalette bei Bleichert wurde auf die Bedürfnisse der sowjetischen Volkswirtschaft ausgerichtet. Die Kapazitäten vor Ort wurden dafür deutlich erweitert. So wurde ab 1948 mit dem Autodrehkran (ADK) 3 „Bleichert“ einer der ersten dieselelektrischen Kräne der Nachkriegszeit hergestellt. Er konnte drei Tonnen heben und wurde zunächst als Reparationsleistung als Bausatz in die Sowjetunion geliefert. Dort wurde er auf verschiedene LKW-Typen sowjetischer Bauart, darunter solcher die seit 1942 in amerikanischer Lizenz in der UdSSR produziert wurden, montiert (Abbildungen siehe: http://www.autogallery.org.ru/gstuder.htm). (4)

Ab 1953 wurden sowohl Raupenkräne „Mitschurin“ mit dem gleichen Oberbau wie beim ADK-3 hergestellt als auch für die militärische Nutzung Autodrehkräne auf geländegängigen LKW montiert. (5)

1950 hatte das Unternehmen mehr als 4.000 Beschäftigte (6), nach anderen Angaben stieg die Zahl bis 1953 sogar auf über 6.000. (7)

Nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953, bei dem die SAG Bleichert ein Schwerpunkt der Streiks in der Stadt Leipzig wurde (8), ging das Unternehmen als eine der letzten SAG-Betriebe mit Wirkung vom 1. Januar 1954 in das Eigentum der DDR über. (9)

(1) vgl. Matthias Judt, „Aufstieg und Niedergang der ‚Trabi-Wirtschaft’“, in ders. (Hg.), DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse, Berlin 1997 (und Bonn 1998), S. 87 – 164, hier S. 89.
(2) „Niederschrift des Präsidenten der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern, Wilhelm Höcker, über die Rechenschaftslegung der Präsidenten und Vizepräsidenten der Landes- und Provinzialverwaltungen vor dem obersten Chef der SMAD, Marschall Georgi K. Schukow am 13. und 14. November 1945“, in Berichte der Landes- und Provinzialverwaltungen zur antifaschistisch-demokratischen Umwälzung, Berlin (Ost) 1989, S. 139f.
(3) vgl. André Winternitz, „Drahtseilbahnfabrik Adolf Bleichert“ (im Folgenden „Winternitz 2012“), in: http://www.rottenplaces.de/main/drahtseilbahnwerk-adolf-bleichert-3370/. Vgl. auch https://archive.is/20120730003014/http://www.ercl.net/2008-10-11b/album/slides/0062.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Bleichert_%26_Co.
(5) vgl. Ralf Christian Kunkel: DDR Baumaschinen. 1945–1990. 2. Auflage, Stuttgart 2010, wiedergegeben nach https://de.wikipedia.org/wiki/Autodrehkran_Bleichert.
(6) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Autodrehkran_Bleichert.
(7) vgl. Winternitz 2012.
(8) vgl. http://www.spiegel.de/fotostrecke/veb-fabrikruinen-verbluehende-landschaften-fotostrecke-110288.html
Siehe gesonderten Artikel von Matthias Judt, „Der 17. Juni 1953 bei der SAG Bleichert und seine Folgen“ (Link erstellen oder im Text Link setzen); gekürzte Fassung davon in Bürgerverein 2017, S. 55-58.
(9) vgl. Winternitz 2012. Winternitz gibt als Rückgabedatum das Jahr 1953 an. In diesem Jahr wurde die Rückgabe aber nur angekündigt, jedoch erst mit dem Jahreswechsel vollzogen.

Felsche – Goldeck – Leipziger Süßwarenbetrieb – ORSTA-Hydraulik

von Matthias Judt

Die Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche in der Menckestraße trug eigentlich einen irreführenden Namen. Namenspatron Wilhelm Felsche (1798-1867) war bereits über fünf Jahre tot, als 1873 schließlich in Gohlis die Herstellung von Schokolade begann. Als gelernter Konditor hatte Felsche nur in seinen ab 1821 im Leipziger Zentrum betriebenen Konditoreien bzw. Cafés handwerklich produzierte Schokoladen verkauft. (1) Erst nach Felsches Tod sollte sich die Herstellung von Schokoladen zu einem selbstständigen industriellen Produktionszweig wandeln.

Felsches Schwiegersohn, Adolph Schütte-Felsche (1832–1908), der bereits 1856 Teilhaber im Unternehmen geworden war und ab 1867 die Firma gemeinsam mit Felsches Tochter Johanna (1834–1900) besitzen sollte, verlagerte ab 1873 die Produktion von Schokoladen nach Gohlis. Hier wurde im Jahr darauf die Kakao- und Schokoladenfabrik in Betrieb genommen. Dazu waren über die Zeit immerhin sechs Grundstücke entlang der Menckestraße erworben worden. (2)

1890 gab Adolph Schütte-Felsche die Betriebe im Stammhaus der Firma am Augustusplatz ab und konzentrierte die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die industrielle Fertigung von Schokoladen. Aus dem Unternehmen wurde eine Gohliser Firma in Familienbesitz. (3) Am 27. August 1886 war nämlich dem ältesten Sohn Oskar Wilhelm Adolph Schütte-Felsche und schließlich am 6. März 1888 dem jüngeren Sohn Carl August Wilhelm (Willy) Schütte-Felsche die Prokura erteilt worden. (4)

In der Folge wurde das Fabrikgelände sukzessive erweitert und ausgebaut. Im Jahr 1897 wurde an der Menckestraße ein dreistöckiges, 26-achsiges Verwaltungs- und Verkaufsgebäude errichtet. Bis 1921 folgte der etappenweise Bau eines weiteren, zum Poetenweg gerichteten Gebäudes, das durch seinen abgewinkelten Grundriss, das zweigeschossige Mansarddach und die 37 Fensterachsen aus heutiger Sicht als Krönung der Anlage gelten kann. (5)

Bemerkenswert erscheint dieser Baufortschritt vor allem aufgrund der Tatsache, dass der 1. Weltkrieg auch für die Schokoladenproduktion einen herben zwischenzeitlichen Einschnitt bedeutete. Während des Krieges führten der Mangel an Rohkakao und die Tatsache, dass viele Beschäftigte zum Kriegsdienst einberufen worden waren, zur Einstellung der Schokoladenherstellung und zur Umstellung der Produktion auf Zuckerwaren und Hafererzeugnisse. Erst im Spätsommer 1919 konnte die Fertigung von Tafelschokolade wieder aufgenommen werden. (6)

1937 verlagerte Willy Schütte-Felsche den Großteil der Produktion in eine neue Betriebsstätte in Wahren. In Gohlis wurden fortan nur noch Vorprodukte der Pralinenherstellung erzeugt. Nachdem während des 2. Weltkrieges von der Firma ausschließlich Wehrmachtsbedarf (u.a. Scho-Ka-Kola) hergestellt worden war, wurden die Fabrikgebäude kurz vor Kriegsende bei einem Luftangriff am 27. Februar 1945 stark beschädigt. (7)

Nach der Flucht der letzten Eigentümer der Firma Felsche, die ab 1949 zunächst in Hamburg und später in den Bremer Hanseaten-Werken ein neues Unternehmen aufbauten, wurde die Leipziger Firma zunächst als Betrieb in Verwaltung durch die „Vereinigung Volkseigener Betriebe Nahrungs- und Genussmittel Sachsen“ geführt und 1952 dann verstaatlicht. Es entstand der VEB Süßwarenfabrik Felsche. Zur endgültigen Tilgung des alten Familiennamens Felsche aus der Unternehmensbezeichnung kam es schließlich wenige Jahre später mit der Umfirmierung des Betriebes in VEB Schokoladenfabrik Goldeck.

1962 fusionierten der VEB Goldeck und der VEB Empor zum VEB Leipziger Süßwarenbetrieb. Am Standort in Gohlis wurde jedoch nur noch bis 1967 die Süßwarenproduktion aufrechterhalten. Bereits ab 1961 waren Teile der Betriebsstätte durch branchenfremde Unternehmen genutzt worden. Ab 1968 übernahm der VEB ORSTA-Hydraulik das Werksgelände und brachte dort seine Forschungsabteilung unter. Neben Entwicklungsarbeiten für den zivilen Bereich wurden hier auch „Auftrage für die Landesverteidigung“ erfüllt, unter anderem Testreihen für die Panzerproduktion. (9)

1990 wurde das Kombinat ORSTA-Hydarulik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Das Unternehmen nutzte das Betriebsgelände in Gohlis noch bis 1994. Danach wurde es von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft in die Verwaltung der Montan Wohnungsbaugesellschaft gegeben, die die Räumlichkeiten an verschiedene Selbstständige, Gewerbetreibende und Vereine vermietete. 2002 wurde das Gelände an die JUS Aktiengesellschaft für Grundbesitz veräußert, die daraus eine hochwertige Wohnanlage gestaltete. (10)

(1) vgl. „Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche“, in: http://www.leipziggohlis.de/tourismus/felsche.html.
(2) vgl. ebd.; Horst Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A – Z. PROLEIPZIG, Leipzig 2005, S. 145. Siehe auch: Susann Buhl: Wer nicht strebt, der nicht lebt! – Wilhelm Felsches Schokoladenimperium in Gohlis (im Folgenden „Buhl 2004“), in Leipziger Blätter Nr. 45, 2004.
(3) vgl. Adolph Schütte-Felsche – Fabrikant, in: http://www.leipzig-gohlis.de/historie/felsche.html.
(4) vgl. „Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche“, in: http://www.leipziggohlis.de/tourismus/felsche.html.
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Felsche, dort nach Buhl 2004.
(6) vgl. Hansgeorg Herold, „Von der Wasserschenke zum Schokoladenpalais“ (im Folgenden „Herold, Schokoladenpalais“), in Bürgerverein Gohlis 2017, S. 153 – 159, hier S. 156f.
(7) vgl. Herold, Schokoladenpalais, S. 157.
(8) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zetti; http://www.leipzigdasdorf.de/StadtBurger/Norden/Gohlis/Gohlis.htm, beide aufgerufen am 30. August 2017; http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaft-undwende/und https://de-m.wiki.ng/wiki/Zetti, beide aufgerufen am 19. November 2017.
(9) vgl. http://www.zetti.de/unternehmen/, aufgerufen am 30. August 2017; http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaft-undwende/,aufgerufen am 19. November 2017; https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Felsche, dort nachBuhl 2004.
(10) vgl. http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaftund-wende/, aufgerufen am 19. November 2017.

VEB Schwermaschinenbau Verlade- und Transportanlagen Leipzig (VTA)

von Matthias Judt

Am 1. Januar 1954 wurde die SAG „Bleichert“ (1) wieder in deutschen Besitz übernommen und firmierte für kurze Zeit als VEB Bleichert Transportanlagenfabrik Leipzig. Auf Geheiß des DDR-Ministeriums für Maschinenbau wurde im Februar 1955 entgegen dem Wunsch der Betriebsleitung der Name „Bleichert“ aus der Firmenbezeichnung in zwei Schritten getilgt. Zunächst hieß das Unternehmen „VEB Schwermaschinenbau Verlade- und Transportanlagen Leipzig, vormals Bleichert“. Dann wurde 1959 der an die Vorgängerunternehmen erinnernde Namenszusatz komplett gestrichen. (2) (3) Nicht nur das: Im Januar 2018 wurde im MDR-Fernsehen die Geschichte der Bleichert-Werke rekapituliert und dabei berichtet, dass die Produktion von Drahtseilbahnen – also dem Produkt, das einst den Ruhm der Bleichert-Werke ausgemacht hatte – nicht mehr fortgesetzt wurde. (4)

Die bereits in der Zeit als SAG hergestellten Autodrehkräne ADK-3 wurden weiter für den sowjetischen und heimischen Markt produziert, ab 1954 auch in einer Ausführung für den zivilen DDR-LKW „H3“ und den militärischen LKW „G5“, der bei der Kasernierten Volkspolizei (KVP) bzw. der nationalen Volksarmee (NVA) der DDR zum Einsatz kommen sollte. Zwischen 1953 und 1960 wurden zudem mit dem gleichen Oberbau insgesamt 507 Raupenkräne „Mitschurin“ gefertigt. 1954 begann darüber hinaus die Fertigung des ADK-5, der Lasten bis zu fünf Tonnen Gewicht heben konnte. (5)

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre obsiegte in der Führung des Unternehmens die Parteilichkeit gegenüber der Fachlichkeit. 1957/58 wurde der ingenieur-technisch versierte, nach planwirtschaftlichen Maßstäben aber nur wenig erfolgreiche Hauptdirektor von VTA Leipzig auf zähes Betreiben der SED-Betriebsparteiorganisation abgesetzt. (6)

In den 1960er Jahre pendelte sich die Beschäftigtenzahl wieder auf etwa 4.000 ein. Hauptprodukte waren später Bandanlagen für den Braunkohlentagebau, Kabelkrananlagen (darunter Containerkrane für Hochseehäfen), Pratzen- und Schwimmkrane, Kugelschaufler, Elektrokarren und Gabelstapler. (7) Dabei wurde das letztgenannte Produkt – Gabelstapler – im Bruch von Beschlüssen des „Rates fürgegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW, auch als Ostblock bekannt) hergestellt. Eigentlich war zwischen den Mitgliedstaaten des RGW vereinbart worden, die Produktion von Gabelstaplern in Bulgarien zu konzentrieren, doch diese zeichneten sich teilweise durch schlechte Qualität aus. Ein ehemaliger Betriebsdirektor (Detlef Jank) berichtete 2014, die bei VTA produzierten Gabelstapler seien „goldene Ware“ gewesen, die ihm „aus den Händen gerissen“ wurde. (8)

1973 erhielt der VEB VTA den „Ehrentitel“ Paul Fröhlich verliehen. Mit der Verleihung dieses Namens agierte die SED wenig sensibel. Beim Aufstand vom 17. Juni 1953 war die damalige SAG „Bleichert“ ein Schwerpunkt der Arbeiter-Streiks. Eine Reihe von Betriebsangehörigen waren danach Repressionen ausgesetzt, an denen Fröhlich maßgeblich beteiligt. Einige Mitarbeiter wurden zu Haftstrafen verurteilt. (9)

Exkurs: Paul Fröhlich (1913 – 1970)

1950 bis 1952: 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Leipzig-Stadt
Dezember 1952: Ernennung zum 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig – in dieser Eigenschaft gibt er am 17. Juni 1953 der Leipziger Volkspolizei den Befehl, auf die streikenden Arbeiter zu schießen
1954: Kandidat des SED-Zentralkomitees (also nichtstimmberechtigt)
1958: Mitglied des SED-Zentralkomitees (also stimmberechtigt)
1963: Kandidat des SED-Politbüros
1968: Mitglied des SED-Politbüros
1970: Tod infolge von Herz-Kreislaufversagens in Ost-Berlin
Paul Fröhlich galt zeit seines Lebens als getreuer Gefolgsmann des damaligen SED-Chefs Walter Ulbricht. 1968 setzte Fröhlich auf Geheiß von Walter Ulbricht die Sprengung der Universitätskirche am Karl-Marx-Platz (Augustusplatz) durch, denn es sollte keine Kirche mit dieser Adresse in Leipzig geben. (10)

Seit Bildung von Industriekombinaten in der DDR gehörte VTA zum VEB Schwermaschinenbaukombinat TAKRAF Leipzig und wurde 1985 sein Stammbetrieb, also eine Art Leitbetrieb. (11)

Nach der politischen Wende 1989 verringerte sich ihre Zahl auf 3.160 (April 1990). Im Zuge der Umgründung der früheren volkseigenen Betriebe zu Kapitalgesellschaften wurde zum einen das Kombinat TAKRAF aufgelöst und zum anderen die Verlade- und Transportanlagen Leipzig GmbH gegründet. Sie befand sich im alleinigen Besitz der aus dem ehemaligen Kombinat heraus neu gebildeten TAKRAF AG. Sie entschied sich in der Folgezeit dazu, ihre Standorte in Gohlis zu schließen. Was folgte war die Einstellung der gesamten Produktion und die Entlassung der Belegschaft. Am 1. April 1993 ging die VTA Leipzig GmbH in die Liquidation. Ihre Immobilien wurden von der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) verwertet und gingen 2001 an eine Unternehmen, das drei Jahre später selbst insolvent wurde. (12)

2008 kaufte schließlich eine eigens gegründete Tochtergesellschaft der CG-Gruppe AG das Gelände. Seit 2015 baut sie das ehemalige Fabrikgelände zu einem Wohnviertel um. (13)

(1) vgl. SAG „Bleichert“, hier in Gohlis in Geschichte und Gegenwart (Link setzen)
(2) vgl. André Winternitz, „Drahtseilbahnfabrik Adolf Bleichert“ (im Folgenden „Winternitz 2012“), in: http://www.rottenplaces.de/main/drahtseilbahnwerk-adolf-bleichert-3370/; Manfred Hötzel, „Die Firma
Adolf Bleichert & Co. Leipzig-Gohlis und die Nachfolgebetriebe SAG Bleichert und VEB Verlade- und
Transportanlagen Leipzig (VTA)/Verlade- und Transportanlagen GmbH“ (im Folgenden „Hötzel“) (3), in Bürgerverein Gohlis (Hg.) 700 Jahre Gohlis. 1317 – 2017. Ein Gohliser Geschichtsbuch, Markleeberg 2017 (im Folgenden „Bürgerverein 2017“), S. 159-164; (anders bebiidert, aber fast identisch im Text:) ders., Adolf Bleichert & Co. Leipzig-Gohlis. Kleine Beiträge zu einer großen Geschichte (=Gohlis Forum, Sonderausgabe, Dezember 2010), Leipzig 2010.
(4) „Der Osten“ und „Echt“, im MDR-Fernsehen gesendet am 23. Januar 2018.
(5) zusammengetragen nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Autodrehkran_Bleichert.
(6) vgl. Friederike Sattler: Rezension von: Oliver Werner: Ein Betrieb in zwei Diktaturen. Von der
Bleichert Transportanlagen GmbH zum VEB VTA Leipzig 1932 bis 1963, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: http://www.sehepunkte.de /2005/07/7644.html
(7) vgl. Hötzel 2017, S. 163.
(8) wiedergegeben und zitiert nach: Rohnstock-Biografien (Hg.), Die Kombinatsdirektoren. Jetzt reden wir weiter. Neue Beiträge zur DDR-Wirtschaft und was daraus zu lernen ist, Berlin 2017, S. 109f.
(9) Siehe gesonderten Artikel von Matthias Judt, „Der 17. Juni 1953 bei der SAG Bleichert und seine Folgen“ (Link erstellen oder im Text Link setzen); gekürzte Fassung davon in Bürgerverein 2017, S. 55-58.
(10) vgl. Christian Rau, „Fröhlich, Paul Albert“, in: Sächsische Biografie, herausgegeben vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., wissenschaftliche Leitung: Martina Schattkowsky, Online-Ausgabe: http://www.isgv.de/saebi, aufgerufen am 07. Mai 2017.
(11) „TAKRAF“ stellt eine Abkürzung für Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen dar. 11 vgl. Hötzel 2017, S. 163.
(12) Hötzel 2017, S. 164. 
(13) vgl. Hötzel 2017, S. 164; https://www.cg-gruppe.de/immobilien/projekte/in-ausfuehrung/bleichertwerke/399.

Jüdische Unternehmer in Gohlis/Möckern: Simon Reich und seine Haar-Zurichterei

von Reinhard Böhm, Text bearbeitet durch Matthias Judt

In der heutigen Bothestraße (der früheren Johann-Georg-Straße) befinden sich unter der Hausnummern 3 und 5 ein kürzlich saniertes Wohn- und ein Geschäftshaus. Damals verlief die Grenze zwischen Gohlis und Möckern in der Mitte der Straße, heute stellt die Bahnlinie die Grenze dar. Damit gründete der jüdische Kaufmann Simon Reich in Möckern ein Unternehmen, das später zu einer Betriebsstätte eines anderen Unternehmens in Gohlis wurde.

Simon Reichs Firma war Spezialbetrieb für die Zurichtung von Dachshaaren zu Rasierpinseln, Bürsten- und Besenbinderei. Nr. 3 wurde das Betriebsgrundstück und Nr. 5 das Wohnhaus der Leipziger Familie Reich. Deren Firma war seit dem 24.05.1909 im Handelsregister beim Amtsgericht Leipzig unter der Nummer HR 14048 eingetragen. Simon Reich wurde am 10.10.1868 in Kolomea, damals Österreich- Ungarn, geboren und war seit 1913 deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Kolomea (ukrainisch Kolomyja) liegt heute in der Westukraine, war einmal polnisch und fiel während der Teilung Polens 1772 an Habsburg. Die Stadt hatte einen großen jüdischen Bevölkerungsanteil (etwa 50 Prozent), hauptsächlich Chassiden- Strenggläubige mit mystischen Ausprägungen. Die nördliche Innenstadt wurde wiederum von deutschen Siedlern 1818 gegründet und hieß damals Baginsberg.

Um die Wende zum 20.Jahrundert kamen viele Juden, die z.B. im Rauchwarengeschäft tätig waren, aus diesem Grenzgebiet der Habsburger Monarchie zum russischen Zarenreich nach Leipzig. Sie trugen hier zum wirtschaftlichen Erfolg und dem Ruf der Stadt als Rauchwarenzentrum wesentlich bei. Auch andere kamen, unter ihnen Simon Reich.

Das Unternehmen des Kaufmanns Simon Reich wuchs ab 1909 schnell. Anderthalb Jahrzehnte später besaß es bereits einen beträchtlichen Umfang. 1925 waren ca. 60 Mitarbeiter beschäftigt und erbrachten einen Umsatz von über einer Million Reichsmark. Nach der Machtübernahme durch die Nazis im Jahre 1933 geriet Reichs Firma unter Druck. Die Parolen der Nazis: „Kauft nicht bei Juden“ wirkten auch bei ihr. Der Umsatz der Haar-Zurichterei wurde wesentlich verringert, Leute mussten entlassen werden, so dass in den 1930er Jahren nur noch ca. 30 Mitarbeiter in der Firma beschäftigt waren.

Nachdem der Druck der Nationalsozialisten infolge ihrer Rassenideologie auf Juden immer mehr zunahm, eine sinnvolle wirtschaftliche Betätigung und ein gleichberechtigtes Leben nicht mehr möglich war, entschied sich Familie Reich rechtzeitig für eine Ausreise (Flucht) aus Nazi- Deutschland. Simon Reich, dessen erste Frau mutmaßlich aus Italien stammte und Deutschland zu kühl fand, hatte nach der Trennung neu geheiratet.

Mit seiner zweiten Frau Rosa verließ er im September 1935 Leipzig zur Kur nach Karlsbad und meldete sich am 31.08.1936 nach Nordfrankreich, Bethisy- St. Pierre in der Picardie, am Südrand des Waldes von Compiegne, ab. Simon und Rosa Reich gelang nach Beginn des II.Weltkrieges schließlich die Flucht aus Frankreich nach Portugal. Von dort glückte ihnen die Einwanderung in die USA. Simon Reich und seine Frau Rosa sind am 21.09.1951 in New York verstorben. Simon Reichs Söhne aus erster Ehe Josef, Leon, David, Moritz (Maurice), Hermann (bereits vor Simon Reich verstorben) und Ignaz (Irving) und ihre Nachfahren leben heute in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Brasilien. Rosa Reich selbst war kinderlos geblieben.

Bei der Flucht von Simon und Rosa Reich aus Deutschland wurde das gesamte Geschäftsinventar in beträchtlichem Wert zurückgelassen. Nach der sogenannten „Ausreise“ wurde gegen Reich durch das Finanzamt Leipzig- Nord am 1. Februar 1937 eine Arrestanordnung erlassen und aus `Ansprüchen` des Reichsfiskus auf alle beweglichen und unbeweglichen Vermögen der dingliche Arrest angeordnet und eine Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen. Das Unternehmen des Simon Reich wurde nach Angaben, die ein Werkmeister nach dem II.Weltkrieg machte, von einem Zwangsverwalter verschleudert. Der Betrieb sei über Nacht versiegelt und beschlagnahmt worden. Unterlagen zum Nachweis dieses Sachverhalts konnten aber nicht mehr aufgefunden werden.

Die beiden Immobilien des Herrn Simon Reich in der heutigen Bothestraße und dazu ein weiteres Grundstück in der Kirschbergstraße 71 in Möckern, das Reich vor 1933 erworben hatte, wurden am 18. Mai 1938 versteigert und gingen gegen ein Meistgebot von 43.000 Reichsmark an die Bankiers Herbert und Ralph Frege. Sie verkauften zumindest das Betriebsgrundstück in der Bothestraße 3 weiter an einen Karl Heyne , der fortan dort eine Außenstelle seines Unternehmens „Motoren-Heyne“ unterhalten sollte. Die anderen Grundstücke wurden nach einem sogenannten Zergliederungsanbringen abgetrennt.

Mit Schreiben vom 31. Dezember 1938 teilte die Industrie- und Handelskammer Leipzig dem Amtsgericht- Registergericht- mit, dass die im Handelsregister eingetragene Firma Simon Reich seit dem Verzug des Inhabers nach Frankreich in Leipzig keine Geschäftstätigkeit mehr ausübe. Die Firma wurde daraufhin am 8. Dezember1939 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.

Karl Heyne verkaufte wiederum am 13. September1939 das Betriebsgrundstück Bothestraße 3 weiter an Kurt und Max Kurt Kunter in Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die hier eine Spezialreparaturwerkstatt für Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren aller Fabrikate und Stromarten betrieben.

Nach 1945 wurde die Reparaturwerkstatt verstaatlicht und bis 1990 dem VEB Elektromotorenwerk Grünhain zugeschlagen, welcher wiederum dem Kombinat VEM angehörte. Sie befasste sich hauptsächlich mit der Reparatur von Ankern für E- Motoren der Balkancar- Hebezeuge. Sie wurde nach 1990 geschlossen.

Nach langem Leerstand, Verfall und Vermüllung des ehemaligen Betriebsgrundstückes Bothestraße 3 haben die heutigen Eigentümer die alte Hülle sorgsam restauriert, denkmalgerecht mit der alten Firmenbezeichnung versehen und damit ein schönes Wohnhaus zur Freude der Mieter und Anwohner in der Bothestraße entstehen lassen.