Skip to content Skip to left sidebar Skip to footer

OL 3. Genossenschaften

Bauverein/Baugenossenschaft zur Beschaffung preiswert(h)er Wohnungen – AWG „Alfred Frank“ – Baugenossenschaft Leipzig eG

vom Matthias Judt

Am 31. Januar 1898 versammelten sich 17 Personen, um die Voraussetzungen für die Gründung des „Bauvereins zur Beschaffung preiswerther Wohnungen“ zu schaffen. Er ist heute die älteste noch bestehende Wohnungsgenossenschaft in Sachsen. Bereits im Folgejahr konnten die ersten Wohnungen gebaut werden. Die Genossenschaft richtete zudem 1899 eine Sparkasse ein. Innerhalb der ersten zehn Geschäftsjahre errichte der Bauverein 70 Häuser mit insgesamt 614 Wohnungen, seit 1908 sogar die ersten Wohnungen mit Innen-WC. (1)

Seine rasante Entwicklung setzte sich in den nachfolgenden anderthalb Jahrzehnten weiter fort. 1927 verfügte er bereits über 274 Hauser mit 2.450 Wohnungen und Grundstücke für weitere 300 Häuser. Darunter befanden sich auch Wohnanlagen in Gohlis-Mitte, der Bauverein war aber weiterhin stärker in anderen Leipziger Stadtteilen engagiert. (2)

Allerdings bedeutete die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933, dass die ambitionierten Pläne zum Bau von so vielen Häusern nicht mehr umgesetzt werden konnten. Die genossenschaftliche Selbstverwaltung wurde durch das Sächsische Arbeits- und Wohlfahrtsministerium beendet und das „Gesetz über die Beaufsichtigung und Anerkennung gemeinnütziger Wohnungsbaugenossenschaften“ vom 26. April 1934, das reichsweit erlassen wurde, schränkte den Handlungsspielraum des Bauvereins weiter ein. (3)

Der Zweite Weltkrieg bedeutete für den Bauverein einen harten Einschnitt. 51 Häuser mit 522 Wohnungen wurden völlig zerstört, 1.851 schwer beschädigt. Damit wurden drei Fünftel seines gesamten Wohnungsbestandes in Mitleidenschaft gezogen, und bis 1949 konnten erst 32 vollkommen unbewohnbare Wohnungen wieder hergestellt und etwa 1.100 instandgesetzt werden. (4)

Die 1950er Jahre waren für den Bauverein durch seine Umwandlung in eine „sozialistische Baugenossenschaft“ geprägt, die sich am Modell der seit 1953 gegründeten Arbeiterwohnungsgenossenschaften orientierten. Unter Beibehaltung des alten Namen wurde der Verein 1957 offiziell umgewandelt und markierte das 1959 auch durch eine Namensänderung: Aus dem Bauverein wurde die „Baugenossenschaft zur Beschaffung preiswerter Wohnungen“. (5)

In der Folgezeit fusionierte die Baugenossenschaft mit mehreren Wohnungsunternehmen. Zunächst gestalteten sich diese Fusionen als Eingliederungen kleinerer Genossenschaften. 1959 war es die „Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Leipzig-Lindenau“, die sich der Baugenossenschaft anschloss. 1963 folgten die „Baugenossenschaft von 1895“ und schließlich 1969 die „Gemeinnützige Baugenossenschaft von 1911“ (ehemals „Baugenossenschaft Festbesoldeter“). (6)

1977 wurde jedoch eine Fusion mit mehreren Wohnungsgenossenschaften aus Markranstädt, Eilenburg, Zwenkau und Böhlitz-Ehrenberg umgesetzt und in diesem Zusammenhang die Baugenossenschaft in die Arbeiterwohnungsgenossenschaft (AWG) „Alfred Frank“ umgewandelt. Die AWG nahm damit den Namen eines im Januar 1945 von den Nationalsozialisten hingerichteten Mitglieds des damaligen Bauvereins an, der für die illegale KPD tätig gewesen war. (7)

Als große AWG konnte sich die Genossenschaft auch am industriellen Wohnungsbau beteiligen. Zwischen 1976 und 1989 wurden von der Genossenschaft 3.157 Wohnungen errichtet, davon 2.673 in Leipzig-Grünau. (8)

Im November 1989 wurde ein Ausschuss zur künftigen Entwicklung der Genossenschaft gegründet. Dieser beschloss die Rückbenennung der AWG „Alfred Frank“ in „Baugenossenschaft Leipzig eG“ (BGL). Sie startete in den Jahren ab 1991 ein umfassendes Sanierungs- und Modernisierungsprogramm, veräußerte in erheblichem Umfang Bestände und beteiligte sich am Rückbau von Plattenbauwohnungen in Leipzig-Grünau. Heute verfügt die BGL noch über ca. 9.000 Wohnungen, darunter solche an ihren Gohliser Standorten in der Georg-Schumann-Straße, der Sasstraße, der Corinthstraße, der Franz-Mehring-Straße, im Viertelsweg, in der Virchowstraße und der Würkertstraße. (9)

(1) vgl. https://www.bgleipzig.de/geschichte-gegenwart.html; http://www.vswg.de/verband/der-vswg/; https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig.
(2) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig. Vgl. auch https://www.bgleipzig.de/unsere-wohnanlagen-a-524.html.
(3) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig; Werner Schubert et al., Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945. Protokolle der Ausschüsse, Berlin (West)/ New York 1989, S. 15f.
(4) vgl. https://www.bgleipzig.de/geschichte-gegenwart.html.
(5) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig.
(6) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig.
(7) vgl. https://www.bgleipzig.de/geschichte-gegenwart.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig.
(8) vgl. https://www.bgleipzig.de/geschichte-gegenwart.html.
(9) vgl. https://www.bgleipzig.de/geschichte-gegenwart.html; https://www.bgleipzig.de/unsere-wohnanlagen-a-524.html und http://wohnen-bei-uns.eu/pages/wir-ueber-uns/bg-leipzig.php.

Beamtenbaugenossenschaft – GEWOBA – AWG „Paul Kloß“ – VLW

von Matthias Judt

Am 5. Juli 2017 konnte die Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW) ihr 95jähriges Bestehen begehen. (1) Als „Baugenossenschaft für die Reichsfinanzbeamten in Leipzig, e.G.m.b.H.“ gegründet, wechselte sie über die Zeit immer wieder ihren Namen, in der Regel im Ergebnis von Fusionen mit anderen Wohnungsunternehmen oder der Erweiterung des Personenkreises, der Mitglied der Genossenschaft werden durfte.

Die längste Zeit – fast 40 Jahre – trug sie die Kurzbezeichnung GEWOBA, was für „Gemeinnützige Wohnungs-Baugenossenschaft“ stand. Als GEWOBA wandelte sie sich von einer Genossenschaft, die diesen Namen in der Zeit des Nationalsozialismus angenommen hatte, zu einem zunächst in der DDR im Vergleich zu den seit Beginn der 1950er Jahren entstehenden „Arbeiterwohnungsgenossenschaften“ (AWG) benachteiligten Unternehmen. Schließlich wurde sie ebenfalls „sozialistische Genossenschaft“, nahm – unter Beibehaltung ihres Namens – alle Eigenschaften einer AWG an, um am Ende selbst die AWG „Paul Kloß“ zu werden. Mit ihrem heutigen Namen, Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft, den sie im November 1990 annahm, zeigt sie, dass sie aus einer ganzen Reihe von Genossenschaften aus Leipzig und dem Umland besteht, die sich über die Jahre zusammengefunden hatten.

Ihre Kernorganisation, besagte „Baugenossenschaft für die Reichsfinanzbeamten in Leipzig, e.G.m.b.H.“, wurde am 9. Juli 1922 im Städtischen Kaufhaus gegründet. Sie sollte das Ziel verfolgen, für ihre Mitglieder preiswerten und modern ausgestatteten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Nachdem in der Weimarer Republik die Reichsfinanzverwaltung und die sächsische Landesfinanzverwaltung neu eingerichtet worden waren und sie jeweils ihren Sitz in Leipzig nahmen, konnten vor Ort nicht ausreichend Finanzbeamte gefunden werden. Stattdessen wurden aus dem ganzen Reich Beamte nach Leipzig versetzt und trafen dort auf einen seinerzeit ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt. Hier setzte die neue Genossenschaft an, zuallererst in Gohlis-Mitte. (2)

Keine anderthalb Jahre nach Gründung der Genossenschaft konnten die ersten Nutzer in die Wohnungen in einer neu errichteten Wohnanlage in der Renkwitzstraße 4-8 einziehen. Dieser Anlage folgte in der gleichen Straße ein weiterer Block, der 1923/24 errichtet wurde, sowie ein weiteres Haus an der Ecke Renkwitz- und heutige Coppistraße, in das 1926 unter anderem die Geschäftsstelle der Genossenschaft einzog. Die beiden zuletzt genannten Objekte sollten sich bis 2003 im Eigentum der Genossenschaft befinden. Der Architekt all dieser Häuser, Fritz Riemann, baute hier weitere Häuser, unter anderem die Wohnanlage Renkwitzstraße 10-12/Krokerstraße 11-15, die im Frühjahr 2017 als „Riemann-Quartier“ in die Sanierung gingen (Visualisierung unter http://www.l-iz.de/melder/wortmelder/2017/03/VLW-saniert-Riemann-Quartier-in-Gohlis-170921). (3)

Mit Wirkung zum 1. Oktober 1924 öffnete sich die Genossenschaft auch für Mitglieder, die nicht Finanzbeamte waren. Zu diesem Zweck nannte sie sich in „Gemeinnützige Beamten-Baugenossenschaft“ um. Was folgte, war ein weiterer Anstieg der Mitgliederzahlen, auch durch den Anschluss kleinerer, bisher unabhängiger Wohnungsgenossenschaften. Der Reigen von mit ihr verschmelzenden Genossenschaften begann 1926 mit dem Beitritt der „Postbaugenossenschaft in Leipzig“ und der „Baugenossenschaft Leipziger Lehrer“. Anschlüsse von oder Fusionen mit anderen Genossenschaften sollten bis 1986 anhalten. (4)

Innerhalb der ersten 10 Jahre ihres Bestehens errichtete die Genossenschaft 156 Häuser mit insgesamt 1.265 Wohnungen. Ab 1930 unterhielt sie auch eine eigene Sparkasse für ihre Mitglieder. Schon vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatten sich ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen allerdings verschlechtert. Zum Beispiel führte die Weltwirtschaftskrise ab 1929 dazu, dass öffentliche Fördergelder gekürzt und Arbeitgeberanteile bei der Finanzierung der Genossenschaftsanteile der Mitglieder ausblieben. (5)

als bei den Konsumgenossenschaften, die im Ruf standen, entweder der Sozialdemokratie oder den christlichen Kirchen nahezustehen und deshalb schnell unter Kuratel gestellt wurden, blieben die reinen Wohnungsbaugenossenschaften von größeren organisatorischen Veränderungen und Eingriffen zunächst verschont. Allerdings nahmen Eingriffe in die Geschäftspolitik (die es sie schon in der Zeit der Weimarer Republik verstärkt gegeben hatte) erheblich zu. Dazu wurde am 26. April 1934 das „Gesetz über die Beaufsichtigung und Anerkennung gemeinnütziger Wohnungsbaugenossenschaften“ erlassen. (6) Zudem beendete das Sächsische Arbeits- und Wohlfahrtsministerium die genossenschaftliche Selbstverwaltung. (7)

1937 wurde die Genossenschaft erneut umbenannt, in „Gemeinnützige Wohnungs-Baugenossenschaft“ (GEWOBA). Die Umbenennung vollzog eine genossenschaftsinterne Entwicklung auch im Namen nach, die durch eine Satzungsänderung im Jahre 1932 ausgelöst worden war. Seitdem stand die Genossenschaft allen an einer Mitgliedschaft Interessierten offen. (8)

Die Verquickung mit dem NS-Regime nahm ab 1937 zu. In diesem Jahr begann die GEWOBA in Taucha mit dem Bau von Wohnstätten für die Arbeiter der Rüstungsindustrie, ließ sich dazu das Baumaterial vom Staat zur Verfügung stellen. Es entstanden 86 Gebäude mit fast 500 Wohnungen, die die Genossenschaft bis 2012 in ihrem Besitz behalten sollte. (9) Zudem begann die Genossenschaft, bei einigen Bauvorhaben allein als Bauträger aufzutreten, also die gebauten Wohnungen anschließend nicht in ihren Besitz zu nehmen.

In den Jahren 1939 – 1942 setzten die Nationalsozialisten sodann eine offensive Verschmelzungspolitik durch, die vor allem auf das Ausschalten unliebsamer Vorstandsmitglieder orientiert war. In diesem Kontext ist die Fusion der Gemeinnützigen Beamten-Baugenossenschaft mit der Tauchauer Genossenschaft für Kleinwohnungsbau zu verstehen, die zum 1. Januar 1940 vollzogen wurde. (10)

Bei den Bombenangriffen auf Leipzig verlor die Genossenschaft eine große Zahl von Wohnungen durch Zerstörung oder Beschädigung. Doch bereits 1947 begannen der Wiederaufbau und die Sanierung, just mit Objekten in Gohlis. (11)

Im Dezember 1957 wurde die GEWOBA in eine „sozialistische Genossenschaft“ umgewandelt. Sie ging diesen Schritt, um in den Genuss der Vorteile zu kommen, die bisher nur den seit 1953 entstehenden „Arbeiterwohnungsgenossenschaften“ (AWG) zugute kamen: Befreiung von der Besteuerung, dem Zahlen von Erbbauzinsen und Zinsen auf Kredite von staatlichen Banken, der staatlichen Versicherung und der Sozialversicherung. Das verbesserte die finanzielle Situation der GEWOBA sehr stark. Auf dieser Grundlage konnte sie sich zudem wieder am Neubau von Wohnhäusern beteiligen, der bis dahin in der DDR den staatlichen Wohnungsunternehmen und den neuen AWG vorbehalten war. 1959 begann die GEWOBA mit Bauarbeiten für 96 Wohnungen in der Virchowstraße. (12)

In den Folgejahren wuchs die GEWOBA zu einer der größten Wohnungsbaugenossenschaften in Leipzig heran. Neben der eigenen Bautätigkeit waren es eine Reihe von Fusionen mit anderen Wohnungsunternehmen, so 1964 mit der „Gemeinnützigen Baugenossenschaft Leipziger Mieter“ (BLM), 1973 mit der „Gemeinnützigen Mieterbaugesellschaft mbH“ und 1976 mit der AWG „7. Oktober“ (13) in Taucha. In diesem Jahr änderte die GEWOBA erneut ihren Namen und signalisierte damit den Abschluss ihrer Verwandlung in eine sozialistische Genossenschaft. Aus der GEWOBA wurde die AWG „Paul Kloß“, benannt nach dem Organisationsleiter für Sachsen der kommunistischen „Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit“, der 1935 wegen seiner Abgeordnetentätigkeit für die KPD von den Nationalsozialisten verhaftet worden war. (14)

Von ihrem Ausgangspunkt mit ersten Wohnhäusern in Gohlis baute sie als AWG ihren Wohnungsbestand in mehreren Leipziger Stadtteilen und im Umland weiter aus. Dabei setzte sie in den 1970er und 1980er Jahren auf die Großplattenbauweise, schuf damit zwar modernen Wohnraum, konnte aber gleichzeitig ihren Bestand an Alt- und Altneubauten nicht adäquat instand halten. Daraus entstand ab 1990 ein umfangreicher Sanierungsbedarf, bei dem die Genossenschaft sowohl auf den Rückbau von Wohnungen in industrieller Bauweise als auch auf die Veräußerung eines Teils ihrer Wohnungsbestände setzte.

Nunmehr trat sie mit ihrem heutigen Namen auf. Am 5. November 1990 setzte sie eine neue Satzung in Kraft, die dem bundesdeutschen Genossenschaftsrecht entsprach, und änderte ihren Namen in „Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft eG“. Allein bis 2011 sanierte die VLW insgesamt ca. 5.900 Wohnungen (teilweise oder komplett), darunter auch viele ihrer Wohnungen in der Gottschallstraße, der Renkwitzstraße, der Coppistraße und zuletzt auch in der Krokerstraße. (15)

Im April 2018 begann die VLW mit der denkmalgerechten Sanierung und dem Teilneubau einer Wohnanlage in der Gohliser Otto-Adam-Straße 1-13. in den Gebäuden mit den Hausnummern 1-9 werden 36 Wohnungen saniert. Die zu DDR-Zeiten errichteten Häuser Nr. 11 und Nr 13 wurden abgerissen und werden durch Neubauten von altersgerechten Wohnungen ersetzt. Bis 2014 möchte die VLW in Gohlis, Eutritzsch, Lindenau, Reudnitz und Schkeuditz insgesamt knapp 500, bisher weitgehend stillgelegte Wohnungen revitalisieren. (16)

(1) vgl. Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft eG (Hg.), „Gute Adresse“ mit Tradition. 90 Jahre Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft eG, Leipzig 2012 (im Folgenden „VLW 2012“), S. 14. Die reich bebilderte Broschüre kann im Internet unter https://www.vlw-eg.de/umschau/chronik/ gelesen oder dort als PDF heruntergeladen werden.
(2) vgl. VLW 2012, S. 14.
(3) vgl. VLW 2012, S. 14, 18 und 20; Leipziger Internet-Zeitung vom 15. März 2017, im Internet unter http://www.l-iz.de/melder/wortmelder/2017/03/VLW-saniert-Riemann-Quartier-in-Gohlis-170921.
(4) vgl. VLW 2012, S. 20.
(5) vgl. VLW 2012, S. 20.
(6) vgl. Werner Schubert et al., Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945. Protokolle der Ausschüsse, Berlin (West)/ New York 1989, S. 15f.
(7) vgl. ähnliche Information zum Bauvereins zur Beschaffung preiswerther Wohnungen, in https://de.wikipedia.org/wiki/Baugenossenschaft_Leipzig, aufgerufen am 18. Juli 2017.
(8) vgl. VLW 2012, S. 28f.
(9) vgl. VLW 2012, S. 28.
(10) vgl. VLW 2012, S. 26.
(11) vgl. VLW 2012, S. 30.
(12) vgl. VLW 2012, S. 32.
(13) Der Name verweist auf den alljährlich begangenen Gründungstag der DDR am 7. Oktober 1949.
(14) vgl. VLW 2012, S. 32 und 34; Torsten Kupfer, „Arbeitersportler gegen den Faschismus. Die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit in Leipzig 1933 bis 1935“ [Diplomarbeit, Karl-Marx-Universität Leipzig, 13. Mai 1988], im Internet aufrufbar unter http://www.das-kupfer.de/kg_diplomarbeit.htm.
(15) vgl. VLW 2012, S. 77, 81, 88f., 92f; Leipziger Internet-Zeitung vom 15. März 2017, im Internet unter http://www.l-iz.de/melder/wortmelder/2017/03/VLW-saniert-Riemann-Quartier-in-Gohlis-170921.
(16) vgl. Leipziger Internet-Zeitung vom 13. April 2018, im Internet unter www.l-iz.de/melder/wortmelder/2018/04/VLW-investiert-neun-Millionen-Euro-in-Gohlis-213180.

Wohnen in Gohlis

von Matthias Judt

Aufbau …

Die Gohliser Ortsteile Nord, Süd und Mitte repräsentieren in ihre jeweilgen Wohnungsbeständen unterschiedliche Epochen des Wohnungsbaus in Leipzig. In Gohlis-Süd und –Mitte finden sich Villenstraßen, hochherrschaftliche Bürgerhäuser und vereinzelt (nach Norden zunehmend) Wohnhäuser aus den Wiederaufbaujahren nach 1945. In Gohlis-Mitte und –Nord haben Wohnungsgenossenschaften und –gesellschaften während des gesamten 20. Jahrhunderts größere Wohnanlagen neu errichtet bzw. nach der politischen Wende 1990 grundlegend saniert. Das prägt die drei Ortsteile, wobei Süd eher durch Einzelobjekte hervorsticht, Mitte einen Mix aus Einzelobjekten und „Leipziger Wohnblöcken“ (das sind typische Karrees) bietet und Nord sich durch größere Wohnanlagen bis zu solchen, die in der DDR in industrieller Bauweise (als „Plattenbauten“) errichtet wurden, auszeichnet.

Das zeigt sich auch in den verwendeten Baustilen. Sie reichen von den Jugendstilbauten in Süd und Mitte über die schon funktionaler orientierten Bauten etwa der heutigen VLW-Genossenschaft in der Renkwitzstraße (nach 2000 zum Teil an die damalige GRK-Holding veräußert) und in der Hans-Oster-Straße bis hin zu den schnörkellos und nach dem Prinzip „Funktion vor Form“ errichteten Bauten in der Kroch-Siedlung oder den DDR-Bauten aus den 1950er bis 1980er Jahren, vor allem in Gohlis-Mitte und -Nord.

Insofern verwundert es nicht, dass neben den Eigentümern einzelner Wohnhäuser immer auch kapitalkräftige Wohnungsunternehmen in Gohlis aktiv waren, weil nur sie das Errichten ganzer Straßenzüge, Karrees oder Quartiere finanziell und baulogistisch tragen konnten. In Gohlis sind deshalb alle wichtigen Leipziger Wohnungsgenossenschaften, die städtische Wohnungsgesellschaft und große Immobilienentwickler mit eigenen Objekten vertreten. Das waren ursprünglich bürgerliche Wohnungsbaugenossenschaften (die heutigen VLW (1) und BGL (2)), in den 1950er Jahren entstandene Arbeiterwohnungsgenossenschaften (die heutigen WOGETRA, UNITAS, Kontakt und Lipsia), nach 1990 völlig neu entstandene Genossenschaften (wie Pro Leipzig eG), der frühere VEB Gebäudewirtschaft Leipzig (die heutige lwb) und nach 1990 entstandene privatwirtschaftliche Unternehmen (Instone – vormals GRK-Holding, CG-Gruppe und andere).

Fortgesetzt haben all diese Unternehmen Wohnungsnot bekämpft, sei es für Beamte, für die Arbeiterschaft, für im Krieg Ausgebombte oder für alle, die eine besseren Wohnkomfort anstrebten.

Der Begriff des „Komforts“ war dabei über die Jahrzehnte gewichtigen Veränderungen ausgesetzt. Es konnte anfangs um die Integration einer Innentoilette in die Wohnhäuser (etwa mit den WC auf halber Treppe) bzw. in die Wohnungen selbst gehen, um den Einbau von Bädern (die den Gang ins Stadtbad obsolet werden ließen), um den Einbau von moderneren Heizungen (Außenwand-, Etagen- oder Zentralheizungen auf Kohle-, Gas- bzw. Ölbasis), um das Wohnen in der „Vollkomfortwohnung“ im Plattenbau oder um das Leben im aufwändig sanierten Altbau nach dem politischen Umbruch 1989/90.

Noch heute findet man am vor 1990 gebauten Bestand vereinzelt unterhalb der Fenster die inzwischen nicht mehr genutzten Abgasauslässe der Gasaußenwandheizungen, die zu DDR-Zeiten entweder auf Kosten der Wohnungseigentümer oder der Mieter in einzelnen Räumen der Wohnungen eingebaut worden waren. Hauptsächlich wurden die Altbauwohnungen in Gohlis jedoch mit Braunkohlebriketts beheizt. Auch Warmwasser konnte damit in Badeöfen erzeugt werden. Neben der durch die Industrie verursachten Umweltbelastung war es vor allem der sogenannte Hausbrand, der ganz wesentlich zur Luftbelastung in Leipzig (und eben auch in Gohlis) beigetragen hat.

In Gohlis wurden nach 1945 an verschiedenen Stellen größere Wohnungsbauprojekte umgesetzt, nach der Errichtung des Staatssozialismus jedoch nur noch zunächst unter staatlicher, später auch wieder unter genossenschaftlicher Ägide. Bereits ab 1949 wurden an der Max-Liebermann-Straße drei Wohnblöcke mit 72 Wohneinheiten als sogenannte Aktivistenhäuser errichtet. Ab 1959 entstanden weiter östlich in derselben Straße etwa 1.660 Wohnungen in „Neu-Gohlis“ und ab 1981 noch einmal 180 Wohneinheiten im Viertelsweg. (3)

Noch in den 1980er Jahren entstand nördlich der Krochsiedlung ein Neubaugebiet mit den für viele Städte der DDR (und auch für große Teile der Leipziger Neubaugebiete) typischen Plattenbauten, die seit Beginn der 1970er Jahre die „Wohnungsbauserie 70“ (WBS 70) adaptierten. In Gohlis-Nord entstanden 890 Wohnungen (nach anderen Angaben sogar 960 Wohneinheiten), die vor allem von Angehörigen der „bewaffneten Organe“ bewohnt wurden. Der ehemalige Straßenname „Straße der NVA“ (die heutige Sylter Straße) deutete darauf hin, dass hier viele Militärs wohnten. Nicht von ungefähr wurde und wird das Gebiet von der Bevölkerung auch „Stahlhelm-Siedlung“ genannt, was nicht auf die Organisation aus den 1920er Jahren hindeuten sollte, sondern auf den Umstand, dass auch Soldaten der NVA der DDR mitunter einen Stahlhelm tragen mussten. (4)

… und Verfall …

Wohnen in Gohlis war und ist aber nicht nur als eine Aufbaugeschichte zu erzählen, sondern auch als eine des Verfalls. Der Stadtteil kam im Bombenkrieg der 1940er Jahre im Vergleich zu anderen Leipziger Gebieten noch vergleichsweise glimpflich davon. Doch zeigen auch hier die scheinbar eilig errichteten Lückenbauten in von Jugendstilhäusern geprägten Quartieren in Gohlis-Süd und –Mitte die Auswirkungen des Krieges: Zweckmäßige Bauten, nicht passend zur Umgebung, aber Bombenlücken schließend und dringend benötigten Wohnraum schaffend.

Was der Bausubstanz aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch vor allem zusetzen musste, war die mangelhafte Instandhaltung, die ausbleibende grundlegende Sanierung oder gar Modernisierung in DDR-Zeiten. Das betraf auch Wohnanlagen, die erst relativ spät entstanden waren, etwa die Kroch-Siedlung in Gohlis-Nord. (5) Waren hier noch bis 1954 im Krieg zerstörte Häuser im Norderneyer Weg zügig wieder aufgebaut worden, „befand sie sich 1990 in einem sehr abgewohnten Zustand.“ (6)

Am 6. November 1989 startete das seinerzeitige „Fernsehen der DDR“ eine neue Sendereihe und strahlte als erste Reportage den Film „Ist Leipzig noch zu retten“ aus. Gezeigt wurden darin in den Wochen zuvor gemachte Filmaufnahmen in Leipziger Altbauvierteln. In der Stadt seien 70.000 Wohnungen akut in ihrem Bestand gefährdet, müssten also abgebrochen werden. Dafür wurde sogar vorgeschlagen, Pioniereinheiten der NVA einzusetzen. 150.000 weitere Wohnungen müssten mit einem voraussichtlichen Aufwand von 15 Mrd. DDR-Mark saniert werden. (7)

Obwohl der Film sich vor allem um Quartiere in den Süd-Leipziger Stadtteilen Südwest und in Plagwitz drehte, waren seine Aufnahmen beispielhaft für die Situation des gesamten Leipziger Altbaubestandes im Jahre 1989. Dabei gab es in der Stadt durchaus genug Bauarbeiter, doch einerseits mussten viele von ihnen bis dahin nach Ost-Berlin zu dortigen Wohnungsbauverpflichtungen des „VE Wohnungsbaukombinat Leipzig“ entsandt werden und andererseits waren das vor allem Betonfacharbeiter, aber zu wenig Maurer, Dachdecker, Zimmermänner und andere Bauleute, die für die Instandhaltung und Sanierung des Altbaubestandes benötigt wurden. (8)

Ein zusätzliches Problem im Verfall des Wohnungsbestandes zu DDR-Zeiten war, dass Privatpersonen, die in der Regel durch Erbschaft in den Besitz von Mietshäusern kamen, finanziell nicht in der Lage waren, ihre Häuser instand zu halten, geschweige denn grundlegend zu sanieren oder gar zu modernisieren. Zwar hatten solche Hauseigentümer Anspruch auf stark subventionierte Bau- und Handwerksleistungen, doch konnte das schon an fehlenden Baukapazitäten in Leipzig scheitern. Versuche des DDR-Amtes für Preise aus den späten 1980er Jahren, an private Eigentümer von Mietwohnungen zweckgebundene Subventionen zur Finanzierung von grundlegenden Sanierungen oder gar Modernisierungen auszugeben, scheiterten am Widerstand des SED-Politbüros. Wie in vielen Städten der DDR galt auch für die in Leipzig, einschließlich Gohlis, dass sich die Wohnungen in Privatbesitz 1989/90 in einem besonders schlechten Zustand befanden.

Das hatte auch eine politische Dimension. „Am Verfall der Städte hat sich in der DDR der Protest entzündet“, schrieb rückblickend ein langjähriger Mitarbeiter der Bauakademie der DDR im Jahre 1991 (9). Selbst der ehemalige SED-Generalsekretär „Erich Honecker bedauerte später ‚die Vernachlässigung bestimmter Stadtkerne’ und gestand ein, dass er selbst etwa in Leipzig bei den Fahrten vom und zum Flugplatz den Eindruck gehabt habe, ‚als wenn gerade erst das Artilleriefeuer des Zweiten Weltkrieges vorbeigegangen ist’. Die Verantwortung dafür mochte der einst mächtigste Mann der DDR aber nicht übernehmen, sondern er beschuldigte seinen Bauminister, nicht die notwendigen Entscheidungen getroffen zu haben, um die Dinge voranzutreiben.“ (10)

Nach dem politischen Umbruch von 1989/90 ging der Verfall der Bausubstanz in Teilen von Gohlis weiter. Die stark abnehmende Bevölkerungszahl ließ den Wohnungsleerstand erheblich anwachsen. Hatte Gohlis 1933 noch über 54.580 Einwohner, waren es 65 Jahre später nur noch gut 31.125. Erst 2013 war die Einwohnerzahl wieder auf über 40.000 angewachsen. In vielen Straßen beschränkte sich die erste Sicherung von leer gezogenen Häusern auf Programme wie „Wächterhaus“ oder „Haushalten“. Dahinter stand der Gedanke, ganze Wohnhäuser befristet gegen Entrichten einer eher symbolischen Miete an Künstler abzugeben, die mit ihrer Präsenz in den Häusern Vandalismusschäden verhindern konnten.

Nichtsdestotrotz verkamen Häuser weiter. An Balkonen und Fassaden gespannte Netze halfen vordergründig, das Herunterfallen von Putzstücken zu verhindern, waren aber vor allem Symbole einer scheinbar absterbenden Stadt. Das bedeutete, dass zwar begonnen wurde, Häuser zu sanieren, aber viele Objekte, auch ganze Karrees, nach der Wende weiter dem Verfall preisgegeben wurden oder gar erst ab da anfingen, zu verfallen.

Erst mit den Entscheidungen großer Unternehmen, Leipzig zur Drehscheibe des Postflugverkehrs und der Automobilproduktion zu machen, wendete sich das Blatt, und gerade Gohlis konnte wegen seiner relativen Nähe zu den neuen Betriebsstätten dieser Firmen im Norden von Leipzig profitieren.

… und wieder Aufbau

„Nach 40 Jahren DDR waren viele Städte durch schlechte Bausubstanz, hohen Leerstand und verwahrlostes Wohnumfeld gekennzeichnet. So auch Leipzig. In Umsetzung der Aktion ‚Ein Ruck geht durch Leipzig’ beschloss die Stadtverordnetenversammlung in Sitzungen am 12.09. und 14.11.1990 in den 15 problemreichsten Stadtteilen die Durchführung vorbereitender Untersuchungen für Sanierungsmaßnahmen. Im Mai 1991 wurde in der Prioritätenliste festgelegt, dass Gohlis zu den sechs vordringlich zu sanierenden Gebieten gehört.“ (11)

Tatsächlich damit gemeint war allerdings zunächst nur der Ortsteil Gohlis-Süd, innerhalb dessen Grenzen ein 71 Hektar großes Terrain als Sanierungsgebiet ausgewiesen wurde. Bis 2007 wurden hier Wohngebäude grundlegend saniert, Rad- und Fußwege neu gestaltet oder erneuert, Straßenzüge durchgrünt und Schulen modernisiert. (12)

Dabei wurde auch an anderer Stelle mit der Sanierung von Gebäuden begonnen. In zwei Abschnitten lief die Sanierung der Krochsiedlung, zunächst 1991/92 noch unter der Ägide der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (lwb), ab 1997 (bis 2001) dann in der Verantwortung eines neuen Eigentümers. (13)

Mit den steigenden Einwohnerzahlen seit der Jahrtausendwende, die seit einigen Jahren sogar mit einem Geburtenüberschuss einhergeht, haben die Sanierung der bestehenden Bausubstanz und der Neubau an Fahrt gewonnen. An der Virchowstraße wird ein größerer Gebäudekomplex an der Ecke zur Otto-Adam-Straße saniert und baulich ergänzt. In der Virchowstraße verschwinden Baulücken. Die Konversion von Militärflächen schreitet voran.

(1) Zur VLW siehe Matthias Judt, „Beamtenbaugenossenschaft – GEWOBA – AWG ‚Paul Kloß’ – VLW“ (Link)
(2) Zur BGL siehe Matthias Judt, „Bauverein/Baugenossenschaft zur Beschaffung preiswert(h)er Wohnungen – AWG „Alfred Frank“ – Baugenossenschaft Leipzig eG“ (Link)
(3) Alle Angaben nach „Plan! Leipzig, Architektur und Städtebau 1945 – 1976“, Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 15. Mai bis 15. Oktober 2017.
(4) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gohlis_(Leipzig).
(5) vgl. Peter Leonhardt, Neu-Gohlis Wohnstadt der A.-G. für Haus- und Grundbesitz. Krochsiedlung“, in: Bürgerverein Gohlis (Hg.), 700 Jahre Gohlis. 1317 – 2017. Ein Gohliser Geschichtsbuch, Markleeberg 2017 (im Folgenden „Bürgerverin Gohlis 2017“), S. 98-101.
(6) vgl. Siegfried Seidel, „Die Sanierung der Krochsiedlung nach 1990“ (im Folgenden „Seidel 2017“), in Bürgerverein Gohlis 2017, S. 101f, hier S. 101.
(7) siehe https://www.youtube.com/watch?v=XUocQhndh34.
(8) siehe auch https://www.youtube.com/watch?v=7X7ly4mWG4g und https://www.youtube.com/watch?v=zFaWLsXNrgs.
(9) Jürgen Rostock: Zum Wohnungs- und Städtebau in den ostdeutschen Ländern. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 29/1991, S. 41-50, hier S. 41, zitiert nach Werner von Scheliha, „Der Verfall historischer Innenstädte in der DDR“, in Horch und Guck Heft 2/2009, S. 4 – 8 (im Folgenden: „Scheliha 2009“), wiedergegeben nach http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/2008-2009/heft-64/06402/.
(10) Scheliha 2009, darin Zitate von Honecker nach Reinhold Andert/Wolfgang Herzberg: Der Sturz. Erich Honecker im Kreuzverhör. Berlin/Weimar 1990, S. 278f.
(11) Hansgeorg Herold, „Sanierung in Gohlis nach 1990“ (im Folgenden: „Herold, Sanierung 2017“), in: Bürgerverin Gohlis 2017, S. 342-344, hier S. 342.
(12) vgl. Herold, Sanierung 2017, S. 343.
(13) vgl. Seidel 2017, S. 101f.

Wohnen in den Neubauten an der Max-Liebermann-Straße in den 1960er Jahren

von Matthias Judt

Im Jahre 2015 erzählte die ehemalige Korrektorin und Revisorin der Leipziger Volkszeitung, Gertraud Dörschel, wie sich ihr Wohnumfeld zwischen Max-Liebermann-, Virchow- und Hannoverscher Straße in den 1960er Jahren entwickelte: „In unser Wohnviertel, in den 1960er-Jahren errichtet, zogen damals junge Leute, durften einziehen nach vielen Anträgen, Bittgängen, Fürsprachen und unbezahlten Aufbaustunden. Sie hatten Arbeit und Auskommen, hatten Kinder. Zum Spielen war viel Platz auf der Wiese in dem großen Häuserkarree. Früher waren hier Schrebergärten“. (1)

Auf dieser Wiese wurde später „ein Sandkasten gebaut, etwa dreimal so groß wie üblich. Das war nun eine wunderbare Einrichtung für all diese Kinder und er wurde eifrig genutzt, natürlich auch von meinen Kindern. […] Später errichteten die Arbeiter des volkseigenen Betriebes Verlade- und Transportanlagen, vormals Bleichert, in vielen freiwilligen Arbeitsstunden nach Feierabend Spielgeräte in diesem Sandkasten, so ein Klettergerüst, ein Reck, einen Barren und zum Schluss eine große Schaukel, die aussah wie ein Krokodil und acht bis zehn Kindern Platz bot. Doch die Freude über diese Schaukel währte nicht lange. In den Nächten belustigten sich erwachsene darauf und zerbrachen sie dabei. Einmal wurde sie noch repariert, dann wurde sie abgebaut.“ (2)

(1) vgl. Gertraud Dörschel, „Der Baum“, in Leipziger Volkszeitung (Hg.), „So war das damals …“ Leser erzählen aus ihrer Jugendzeit, Leipzig 2015, S. 28f, hier S. 28.
(2) ebd., S. 28.