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Gohlis Forum 7/2020

Eine stille Zeit – Gohlis Forum Ausgabe 7 erschienen

Liebe Leserinnen und Leser,

ein außergewöhnliches und im wahrsten Sinne des Wortes ver-rücktes Jahr geht zu Ende. Das öffentliche und auch das private Leben der Menschen wurde gehörig durcheinandergewirbelt, es ging auf und ab. Noch immer ist der Alltag geprägt von Hygienemaßnahmen und Vorkehrungen, welche die Corona-Pandemie beherrschbar halten sollen. Durch den zweiten Lockdown ist unser sonst so umfangreicher Kulturkalender in diesem Dezember stark ausgedünnt – viele der gewohnten und ersehnten Adventsveranstaltungen, Weihnachtsmärkte, Konzerte und Theateraufführungen können nicht stattfinden.

Die Notwendigkeit der Maßnahmen aus der Corona-Schutzverordnung scheint leider immer noch nicht allen Menschen klar zu sein. So geriet Leipzig im November einmal wieder mit unschönen Bildern in die Schlagzeilen: die Szenen vom 7.11., als Tausende Corona-Leugner Seite an Seite mit gewalttätigen Rechtsradikalen auf dem Ring marschierten, waren mehr als verstörend. Die Vereinnahmung des historischen Protestes für die damals – 1989 – wirklich herbeigesehnte Freiheit, für demokratische Grundrechte und Gerechtigkeit halten wir für anmaßend! Wir danken unserem ehemaligen Vorsitzenden Gerd Klenk, der in einem Fernsehbeitrag öffentlich gegen diese Geschichtsverfälschung Stellung bezogen hat. Er war bspw. 1989/1990 in der Leipziger Friedensbewegung aktiv (vgl. Gohlis Forum 6/2020).

Es ist erfreulich, dass dieses Heft trotz allem sehr umfangreich geworden ist. Das zeigt, dass in unserem Stadtteil weiterhin einiges los ist. Und wie immer können Sie auch nachlesen, was sich in den letzten Monaten getan hat. So hat der Bürgerverein mit dem Spendenlauf der Erich Kästner-Schule ein tolles Gemeinschaftprojekt erfolgreich durchgeführt. Für die Erneuerung der Handschwengelpumpe in der Fritz-Seger-Straße konnte dadurch der finanzielle Grundstock ermöglicht werden. Auch die AG Mobilität und die AG Stadtteilgeschichte haben schöne Aktionen durchgeführt.
An dieser Stelle bleibt uns noch, Ihnen nach diesem besonderen Jahr auch einen ganz besonderen Jahresausklang zu wünschen. Sicher denkt man vermutlich erst einmal an Verzicht, wenn man auf die vor uns liegende Adventszeit blickt. Weniger Zeit auf Weihnachtsmärkten, in Einkaufsläden, in Gaststätten, mit der Organisation oder auf kulturellen Veranstaltungen zu verbringen bedeutet allerdings auch, dass Kapazitäten frei werden und die gewonnene Zeit entsprechend genutzt werden möchte. Es gibt bestimmt Hobbies, die Sie schon immer einmal ausprobieren wollten oder ein Buch, welches seit Jahren im Regal steht und gelesen werden möchte? Wir werden die etwas ruhigeren Tage im Dezember dazu nutzen, gemeinsam mit den Kindern Plätzchen zu backen, nach Jahren mal wieder Weihnachtskarten für die ganze Familie zu schreiben und wirklich einmal etwas Stille in der Vorweihnachtszeit zu suchen. Wir hoffen, es gelingt Ihnen auch, etwas mehr Raum für Besinnlichkeit in den Adventswochen des Jahres 2020 für sich zu entdecken und wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre des Heftes.

Die komplette Ausgabe finden Sie hier oder als pdf zum Download im Archiv.

Agnes Niemann und Peter Niemann

Redaktionsteam des Gohlis-Forum

In eigener Sache – Planung 2021

Von Tino Bucksch

Langsam neigt sich das durch Corona gezeichnete Jahr dem Ende zu. Selbst wenn die letzten Wochen des alten Jahres wohl coronabedingt etwas ruhiger werden, bleibt keine Zeit zum Verschnaufen. Da wir alle optimistisch und voller Hoffnung ins Jahr 2021 blicken, wird auch der Bürgerverein Gohlis eine Jahresplanung erstellen, in der viele unserer klassischen Veranstaltungen und Termine einen festen Platz haben werden.
Startschuss wird wie die letzten Jahre der Monat März bilden. Während der Internationalen Wochen gegen Rassismus planen wir am 17.03.2021 eine Veranstaltung im Budde-Haus. Den Monat abschließen wird am 31.03.2021 das interreligiöse Abendessen, welches hoffentlich wie die vergangenen Jahre 80 bis 100 interessierte Gäste ebenfalls in Budde-Haus locken wird.

In den Mai werden wir am 02.05.2021 mit dem Nachholen des Rundgangs im alten Kasernenareal zum Jane´s Walk starten. Die geplante Veranstaltung musste aus bekannten Gründen 2020 ausfallen und wird aufgrund des enormen Interesses an unserem ersten Jane´s Walk 2019 im kommenden Jahr definitiv stattfinden. Ende Mai bieten wir noch am 30.05.2021 wieder mindestens eine Lesung im Rahmen von Leipzig liest zur Buchmesse an. Die Buchmesse selbst wird 2021 das erste Mal statt im März im Mai stattfinden, was aber kein Hindernis darstellt. Auch hier wollen wir wieder mit spannenden Autorinnen und Autoren aufwarten. Am selben Tag wird von Gewerbetreibenden rund um den „Platz ohne Namen“ an der Heinrich-Budde-Straße ein Kinderfest anlässlich des Kindertages stattfinden. Hierbei wird der Bürgerverein als Kooperationspartner mit vor Ort sein.

Im Sommer laden wir auch 2021 zu unserem traditionellen Sommer- und Familienfest ein. Dieses soll nun wie bereits 2020 geplant auf dem Gelände des Budde-Hauses stattfinden. Hier freuen wir uns, durch das Fest mit vielen neuen Ideen und unterstützt durch die Synergieeffekte des Budde-Hauses die Gohliserinnen und Gohliser am 17.07.2021 in die Lützowstraße 19 locken zu können. Im selben Monat noch wird endlich das fünfjährige Jubiläum des interreligiösen Fußballturniers nachgeholt. Der genaue Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.

Den Herbst leiten mit unserer Teilnahme an der Nacht der Kunst am 04.09.2021 ein sowie einer Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Wochen am 29.09.2021.

All diese Terminen können schon einmal fest im Kalender für das kommende Jahr vermerkt werden. Sie sind auch auf unserer homepage unter www.gohlis.info im Termin- und Veranstaltungskalender zu finden.

Neben diesen fest eingeplanten Veranstaltungen wollen wir mit Projekten wie den Baumscheibenbegrünungen, einem Stadtteilgarten für Gohlis sowie dem Projekt „Bänke für Gohlis“ sichtbar im Stadtteilbild Akzente setzen. Darüber hinaus ist ein zweiter Gohliser Spendenlauf mit einer weiteren Schule aus dem Stadtteil sowie mit der Gohliser Öffentlichkeit geplant ebenso wie die Wiederauflage der von den Gohliserinnen und Gohlisern sehr gut angenommenen Reihe „Advent in den Gärten und Höfen von Gohlis“.

Alles in Allem eine Menge Gründe, sich auf das kommende Jahr zu freuen.

Gemeinsam mit der Erich Kästner-Schule: Ein erster Gohliser Spendenlauf

Von Peter Niemann

Am Morgen des 16. Oktober konnte man trotz des eher fragwürdigen Wetters reichlich Getummel auf der Sportplatzanlage an der Sasstraße 15 beobachten. Punkt 8:30 Uhr startete dort nämlich der erste Gohliser Spendenlauf. Auf das diesig feuchte 250-Meter-Rund des kleinen Sportplatzes ergoss sich dann, über den Vormittag verteilt, ein bunter Strom von rund 350 Schülerinnen und Schülern der Erich Kästner-Schule. Als erstes erhielten die Kinder der vierten Klasse die Gelegenheit, natürlich in individuellem Tempo und für insgesamt 40 Minuten, Runden zu rennen. Es folgten die Jahrgänge zwei und drei im Verbund. Mit den erlaufenen Kilometern verbesserte sich natürlich auch das Wetter, sodass die letzte Gruppe, welche sich aus Drittklässlerinnen und Drittklässlern bildete, sogar etwas Sonnenschein genießen konnte. Für alle gab es im Anschluss leckere Äpfel und Bananen als Belohnung. Die Stimmung war wirklich gut und die Kinder hoch motiviert. Schließlich waren auch einige Eltern da, um beherzt anzufeuern, und es ging darum, Spenden für zwei tolle Projekte zu sammeln. Zum einen für neue Außenspielgeräte und Spielzeug in der Schule, zum anderen für die Realisierung eines ganz besonderen Projekts im Stadtteil. Nämlich die Restaurierung der historischen Handschwengelpumpe (Typ Vogelkäfig – wir berichteten im Gohlis Forum 3 & 6 2020) in der Fritz-Seger-Straße, also in unmittelbarer Nähe zum Schulgelände.

Geplant ist nun auch eine Begleitausstellung in der Kästner-Schule zum Thema Handeschwengelpumpen, die im kommenden Jahr durch die Engagierten der AG Geschichte des Bürgervereins realisiert werden soll. Dabei wird es natürlich um Handschwengelpumpen im Stadtgebiet Leipzig sowie die besagte Pumpe in der Fritz-Seger-Straße gehen. Damit die Ausstellung auch wirklich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist, verteilt sich diese dann auf informative Roll-Ups in den Fenstern im Haupteingangsbereich der Schule.

Unter dem Titel Gohliser Spendenläufe sind weitere Läufe in unserem Stadtteil geplant. Schon im Frühjahr 2021 soll am gleichen Ort wieder eine Laufveranstaltung stattfinden. Diesmal dann an einem Samstag und offen für alle Menschen im lauffähigen Alter. Ziel wird es auch dann sein vor allem Spenden für die Pumpe und andere Dinge zu sammeln, die das Leben in unserem Stadtteil ein Stück lebenswerter gestalten.
Wir befinden uns derzeit in einem regen Austausch mit der Leipziger Stadtverwaltung bezüglich der Restaurierung besagter Pumpe in der Fritz-Seger-Straße und halten Sie natürlich auf dem neusten Stand. Unterdessen werden weitere Spenden benötigt, um das Projekt zu realisieren. Falls Sie das Projekt mit Ihrer Spende unterstützen möchten, setzen Sie sich bitte direkt mit dem Projektverantwortlichen im Bürgerverein in Verbindung:

Peter Niemann
0152 3618 8510
spenden@gohlis.info

Gohliser Baugeschehen: Häuser wachsen statt Bäume

Von Matthias Reichmuth

Vom Gohliser Baugeschehen haben wir wieder nur einen Teil der laufenden Baustellen ausgewählt, diesmal fangen wir im Süden an.

Für alle, die sich rund um den Kirchplatz an der Friedenskirche bewegen, deutlich sichtbar ist jetzt die Baustelle an der Berggartenstraße 2 (Ecke Schorlemmerstraße). Nach jahrelangen Ankündigungen und Umplanungen wächst jetzt tatsächlich ein Mehrfamilienhaus in die Höhe und schließt als fünfter Neubau der letzten Jahre die letzte noch verbliebene Baulücke rund um die Friedenskirche.

In der Georg-Schumann-Straße 72, direkt an der Straßenbahnhaltestelle und neben dem Eiscafé Florenz, wurde in diesem Jahr unter der Bezeichnung „Georgshof“ ein Mehrfamilienhaus saniert, dessen Vorderfassade inzwischen fertig ist und gelb bzw. grün erstrahlt. Außer den nun mit Fußbodenheizung ausgestatteten acht Zwei- und Dreizimmerwohnungen und der Ladeneinheit im Vorderhaus ist auf dem Grundstück auch noch ein Umbau der Hinterhofgebäude (darunter eine ehemalige Druckerei) zu Stadthäusern vorgesehen.

Ebenfalls gut sichtbar wächst an der Lindenthaler Straße 48-50, direkt gegenüber der Einmündung zur Magdeburger Straße und unmittelbar südlich der S-Bahn, ein mit Tiefgarage unterkellertes Mehrfamilienhaus heran. Noch vor einigen Jahren konnte man davon ausgehen, dass an dieser verkehrsreichen Lage die dortigen Bäume noch lange wachsen dürften, aber damit war es Ende 2019 vorbei.

Abseits der großen Achsen verändert sich Gohlis-Nord. So wurde nun in der Oldenburger Straße 1 (Ecke Braunschweiger Straße) ein Einfamilienhaus mit spitzem Giebel abgerissen, auch der recht große Garten ist verschwunden, im Oktober war die Baugrube für den Ersatzneubau zu sehen. Es ist nicht das erste Einfamilienhaus, bei dem ein moderner Neubau der Sanierung des Bestehenden vorgezogen wurde – meist werden dabei die Wohnflächen größer und die Gärten kleiner.

An der Bremer Straße berichteten wir schon von den neuen Baublöcken gegenüber der Krochsiedlung und dem Kindergarten-Ersatzneubau, der inzwischen weitestgehend fertiggestellt ist. Für die weitere Planung der Fläche östlich der Bremer Straße gab es 2016 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, der u. a. eine Oberschule und zahlreiche Einfamilienhäuser vorsieht. Tatsächlich aufgestellt und beschlossen wurde der Bebauungsplan bis heute jedoch nicht. Gebremst wird die dortige Entwicklung auch durch die knappen Kapazitäten des Abwassersystems, wie die Leipziger Volkszeitung Ende September berichtete: Für die Ableitung des ankommenden Regenwassers fehlt noch das Gesamtkonzept. Nachhaltige Lösungen setzen heute eher auf Versickerung vor Ort, allerdings sind dazu auch unversiegelte freie Flächen nötig – ein knapper werdendes Gut in Gohlis!

Ganz im Norden, an der Landsberger Straße kurz vor der Straßenbahnendstelle „Gohlis-Nord“, die genau genommen bereits in Möckern liegt, haben im Herbst die Bauarbeiten zu neuen Wohnkomplexen der LWB (einschl. Kindertagesstätte) begonnen – drei tiefe Baugruben waren bei Redaktionsschluss zu sehen, dazwischen eingeebnete Bauflächen. Letztes Jahr hatten Unbekannte auf dem Gelände Holzkreuze für die dort gefällten Bäume aufgestellt.

Umgestaltung des „Platz des 20. Juli 1944“ (Jägerplatz) Ende November abgeschlossen

Von Stephan Grandke

Bereits im Mai letzten Jahres erfolgte durch das Magistralenmanagement gemeinsam mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer eine Beteiligung der Bewohner am Planungsprozess zur nutzerspezifischen Umgestaltung im Rahmen unseres Bürgerpicknicks. Die Präsentation, Diskussion und Ideensammlung wurde so gestaltet, dass Kinder und Jugendliche sich gleichrangig einbringen konnten, um ein generationsübergreifendes, repräsentatives Meinungsbild zu erhalten.

Wichtigstes Ergebnis dieser Beteiligung war der Erhalt des gut genutzten und mit ausreichend Sicherheitsabstand zur Jägerstraße gelegenen großen Sandkastens am Standort. Auch die geforderte Verlagerung der Tischtennisplatten weg von der Wohnbebauung in den zentralen Bereich wird realisiert, ebenso wie das Freihalten der bespielbaren zentralen Platzfläche für Bewegungsspiele und die Integration eines Trampolins.

Im August dieses Jahres haben die Arbeiten an dem gründerzeitlichen Quartiersplatz begonnen. Die im vergangenen Winter in der Mitte des Platzes gefällten, pilzbefallenen Silberahornbäume werden durch vitale Jungbäume ersetzt. Um die Versorgung mit wohnungsnahem Grün im Stadtteil zu verbessern, werten zudem 13 neue Rotdornbäume und Strauchflächen den nördlichen und südlichen Bereich des Platzes auf. In den bestehenden Lindenreihen werden zusätzlich zwölf Wildapfelbäume gepflanzt. Der stärker begrünte Platz nimmt künftig potenziell mehr Regenwasser auf, das über Bäume, Sträucher und Stauden wieder verdunsten kann. Das soll nicht nur das Standortklima verbessern, sondern auch Erosionserscheinungen vorbeugen, die durch das Platzgefälle mit 1,5 m Höhendifferenz bisher aufgetreten sind.

Die Südseite des Platzes erhält einen gepflasterten Gehweg, der über Bordabsenkungen einen barrierefreien Zugang über die Platzfläche bietet. Im Nordteil des 1904 angelegten Schmuckplatzes können sich Kinder auf einer Kletterstrecke, einem Trampolin sowie auf einem Stehkarussell austoben. Die zum Rollern und Ballspielen sehr beliebte zentrale Plattenfläche bleibt erhalten und wird rutschfester gemacht. Neue Sitzmöglichkeiten sowohl im Schatten als auch an sonnigen Stellen laden zum Verweilen ein. Die Aufwertung des Platzes kostet rund 428.000 Euro und wird zu zwei Drittel durch das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau“ gefördert. Die Arbeiten werden im November abgeschlossen sein, so dass der Platz wieder genutzt werden kann. Eindrücke vom Baufortschritt vermitteln nachfolgende Bilder.

Jürgen Schrödl leitet das Budde-Haus und freut sich über dessen Entwicklung

Das Budde-Haus im Abstandsmodus

Von Peter Niemann

Für alle Kultureinrichtungen in Deutschland war das Jahr 2020 ein außergewöhnliches Jahr. Ein Jahr zwischen Auf und Ab, und Ab und Auf. Ein Jahr mit zeitweisen Schließungen, mit Hygienekonzepten und gegensätzlichem Publikumsverhalten. Auch das Budde-Haus wurde davon nicht verschont. Wir haben nachgefragt beim Leiter Jürgen Schrödl.

P. Niemann: Wie geht Kulturarbeit in Corona-Zeiten?

J. Schrödl: Es ist quasi wie „Kultur auf Abstand“. Und das ist anstrengend, in vielerlei Hinsicht. Es erfordert für uns als Veranstalter mehr Kommunikation, mehr Organisation, mehr Umdenken. Vor allem die Einsicht, dass gewohnte Planungen und Veranstaltungsabläufe nun anders sein müssen. Dafür haben wir aber auch viel Verständnis von unseren Besuchern und Partnern erfahren. Und Dankbarkeit, dass wir die Dinge, die möglich waren, auch ermöglicht haben.

P. Niemann: Was haben Sie denn ermöglicht?

J. Schrödl: Das Budde-Haus hat ein wunderschönes Außengelände mit einem wunderschönen Garten. Dadurch konnten in den Sommermonaten einige Angebote, die sonst drinnen stattfinden nach draußen verlegt werden. Wir hatten zusätzliche Raumanfragen, die ebenfalls im Garten stattfinden konnten. Und wir haben zusätzliche Veranstaltungen in unser Programm aufgenommen. Zum Beispiel unsere Sommertheaterwoche. Dadurch sind auch neue Formate entstanden, die wir künftig fortsetzen wollen. Das meine ich mit dem Umdenken. In Krisen ist man stärker gezwungen dazu. Das kann man auch als etwas Positives verbuchen.

P. Niemann: Das Budde-Haus musste von Mitte März bis Ende Mai schließen. Nun fällt auch der November aus*. Was bedeutet das?

J. Schrödl: Das war und ist für alle Beteiligten hart. Für die vielen Anbieter von Kursen, die abgesagt werden müssen. Für die Künstler, die nicht auftreten können. Für die Chöre und Theatergruppen, die nicht proben dürfen. Für andere Veranstalter, die zum Beispiel ihre Seminare oder Treffen bei uns nicht durchführen können. Das sind finanzielle Verluste, aber auch enorme Hemmnisse für unsere und ihre Arbeit. Nicht zu vergessen dabei sind die vielen Nutzer dieser Angebote, die auf gemeinschaftliches Freizeiterleben und soziales Miteinander verzichten müssen. Die Einschränkungen unter Corona-Bedingungen haben den Wert kultureller Angebote für die Gesellschaft noch einmal bewusster gemacht.

P. Niemann: Wie haben denn die Besucher auf die coronabedingten Einschränkungen reagiert?

J. Schrödl: Insgesamt mit viel Verständnis, und auch Mitverantwortung. Abstand halten, auf Abstand sitzen, Kontakte zur Nachverfolgung angeben. Leider konnten wir durch die begrenzten Platzkapazitäten nicht immer alle Kartenwünsche erfüllen. Viele haben ihren Eintritt dafür mit einem Soli-Beitrag großzügig aufgerundet.

P. Niemann: Wie wird es weitergehen?

J. Schrödl: Corona wird uns noch eine Weile begleiten. Wir haben gelernt und sind darauf eingestellt, auch wenn es mental nicht einfach ist, und es schwer wird die Finanzierung zu sichern. Wir müssen 2021 auf jeden Fall Abstriche machen. Aber was wir ermöglichen können, werden wir ermöglichen. Immer mit dem Blick auf das was wir in Bezug auf den Infektionsschutz verantworten können und was der jeweiligen Situation angemessen ist. Wir hören jedenfalls nicht auf, weiter zu denken.

Gohliser Adventskalender 2020 zur Unterstützung der Michaeliskirche

Von Christian Dose

Die Sanierung der Michaeliskirche ist ein Prozess, der die Michaelis-Friedenskirchgemeinde noch lange begleiten wird. Noch ist nichts zu sehen, aber die Planungen gehen voran. In einem ersten Schritt sollen in den nächsten zwei Jahren die Fenster des Kirchenschiffs gereinigt bzw. aufgearbeitet werden. Auch an den seitlichen Fassaden sind etliche Maßnahmen zum Erhalt des Gebäudes geplant, so sollen offene Fugen geschlossen und Blechabdeckungen ergänzt werden. In den Jahren danach wird die Sanierung des Innenraumes angegangen.

Die Arbeiten werden aus Eigenmitteln der Gemeinde, Geldern der Landeskirche und über Förderungen von Bund und Land finanziert. Aufgrund der durch die Corona-Pandemie weniger gewordenen Kirchensteuereinnahmen kann zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die ersten Arbeiten nächstes Jahr wirklich beginnen können. Alle notwendigen Anträge wurden aber gestellt.

Neben den Mitteln der Landeskirche und den beantragten Förderungen sind wir weiterhin auf Ihre Spenden angewiesen. Jetzt gibt es den zweiten Gohliser Adventskalender zur Unterstützung der Michaeliskirche. Er wurde von der Grafikerin und Illustratorin Urte von Maltzahn-Lietz aus Gohlis gestaltet. Mit jedem weiteren Tag ab dem ersten Dezember ändert und vervollständigt sich das Bild… Helfen Sie uns, die Michaeliskirche zu erhalten und nehmen Sie gegen eine Spende von 10,- € einen Gohliser Adventskalender mit. Sie erhalten ihn nach den Gottesdiensten der Michaelis-Friedenskirchgemeinde oder in ausgewählten Gohliser Geschäften. – Vielen Dank!

Unter einem guten Stern…

Von Gotthard Weidel, Pfarrer.i.R.

Im letzten Jahr trafen sich viele Menschen zu „Advent in Gärten und Höfen von Gohlis“. Wir standen um ein Feuer herum, sangen Adventslieder, hörten Geschichten und manchmal gab es Glühwein. Mit unseren gesammelten Erfahrungen und dem Zuspruch der Teilnehmenden sollte in diesem Jahr das Programm ausgebaut werden. Aber – dem Bürgerverein geht es wie vielen anderen Veranstaltern. Im November gelten besondere Corona-Einschränkungen. Wir bedauern es sehr. Dennoch hoffen wir, im Dezember wieder zum Singen auf den Plätzen einladen zu können.

Wir wollen deshalb nicht Trübsal blasen. Advent kann weiterhin gefeiert werden. Die Familien werden ihre Wohnungen schmücken und die Fenster dekorieren. In den letzten Jahren fielen besonders unterschiedliche Weihnachtssterne auf, die aus den Stuben strahlten oder von den Balkonen leuchteten. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Arten von Sternen es gibt. Sachsen scheint eine Hochburg der Weihnachtssterne zu sein. Der klassische Herrnhuter Adventsstern führt die Auswahl an. Danach folgt das halbe Erzgebirge mit dem Annaberger-, Hasslauer-, Hartensteiner- und Zwickauer – Adventsstern. Weshalb faszinieren uns Sterne? Sie ziehen mit ihrem Licht die Aufmerksamkeit auf sich und wecken unsere Neugier. Manche verknüpfen mit den Sternen ihre Erinnerungen an die Advents- und Weihnachtszeit.

Ich erinnere mich an den ersten Adventsstern, den ich bewunderte. In der Nachkriegszeit war es sehr dunkel. Mit Stromsperren musste gerechnet werden. Eine schwache Glühbirne erleuchtete den einzigen Herrnhuter Adventsstern unseres Dorfes. Es breitete sich warmes rötliches Licht aus und strahlte bis auf den Dorfplatz. Der Stern zeigte uns Kindern: Eine gute Zeit steht bevor.

Jahrzehnte später lebte ich als sächsischer Pfarrer in einem Industriedorf mitten im Braunkohlenrevier. Die Umstände waren schwer zu ertragen. In der Adventszeit brachte die Kirchgemeinde auf dem Kirchturm einen großen Adventsstern an. Sein heller Schein strahlte sogar in die Tiefe des Braunkohletagebaus und war auch über die Abraumhalden hinweg zu sehen. Man sah aus der Tiefe und aus der Ferne, dass hier Menschen leben und Advent feiern. Das Dorf war stolz auf seinen Stern.

In der Friedenskirchgemeinde war es eine Tradition, am 23. Dezember das Weihnachtsoratorium von J.S. Bach zu singen. Die Kantorei der Friedenskirche stellte sich im Altarraum unter dem großen Adventsstern auf. Die Musikerinnen und Musiker nahmen ihre Plätze ein und alle hörten mit Pauken und Trompeten den Eingangschor: „Jauchzet frohlocket, auf preiset die Tage…“. Die Musik nahm die Menschen mit und begeisterte sie. Alle Sorgen und Probleme blieben zurück. Vielleicht begann für den Einen oder Anderen schon das Weihnachtsfest.

Ich berichte an dieser exponierten Stelle von persönlichen Erlebnissen, die jeder in einer ähnlichen Weise erlebt hat oder erleben kann. Diese Erfahrungen sind heute wichtig. Wir müssen nicht nur Einschränkungen ertragen. Vielmehr können wir uns auf gemeinsame Traditionen und Erlebnisse besinnen, die unser Leben bereichern. Dafür müssen wir nur die Augen öffnen. Falls wir uns in diesem Jahr nicht versammeln können, nehmen Sie sich die Zeit und erleben „Advent in den Straßen und auf den Plätzen von Gohlis“. Entdecken sie die Vielzahl von Adventssternen, unter denen Menschen wohnen. Unter einem guten Stern…wollen alle Menschen leben.

Advent in den Höfen und Gärten von Gohlis – 2020 Edition

Hehre Ziele. In diesem Jahr wollten wir eigentlich noch eine Schippe drauflegen. Nach einem erfolgreichen Start im Jahr 2019, wollten wir in diesem Jahr noch mehr Advent in noch mehr Höfe und Gärten von Gohlis bringen. Damals gelang es uns immerhin, 11 vorweihnachtliche Zusammenkünfte in unserem lieben Stadtteil zu realisieren. Dabei war uns natürlich daran gelegen, das bestehende Angebot an Weihnachtsmärkten und Adventsveranstaltungen einzubinden und durch weitere zu ergänzen. Und jede davon war wahrlich einzigartig. Es wurde gesungen, gelesen, gelauscht und gelacht. Manchmal haben wir sogar etwas gebastelt, oft wurde Tee getrunken und viele Kekse vertilgt. Immer kamen wir mit ganz unterschiedlichen Menschen aus dem Stadtteil zusammen und haben uns wirklich gut unterhalten.

Bedingt durch diese unsägliche Pandemie gewinnt in diesem Jahr natürlich die Vernunft. Bereits Anfang November haben wir uns im Bürgerverein und mit allen Beteiligten darauf verständigt, dass Advent in den Höfen und Gärten von Gohlis 2020 leider abgesagt werden muss. Da wir gnadenlose Optimisten sind, planen wir jedoch vorsichtig damit – sofern zulässig und bei einer Inzidenz von weniger als 35 – im Dezember spontane Zusammenkünfte auf Plätzen in Gohlis zu veranstalten. Ein regelmäßiger Blick auf unsere Website lohnt sich also. Zur Einstimmung auf die anstehende Adventszeit finden Sie auf dieser Seite ein paar Impressionen aus dem vergangenen Jahr. Wir sehen uns dann aller-, allerspätestens bei einer unserer vielen Adventsveranstaltungen im Dezember 2021. Wir freuen uns!

Neues aus der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“

Liebe Leserinnen und Leser des Gohlis Forum,

die Vorweihnachtszeit ist in vollem Gang und auch dieses Jahr bietet Ihnen die Bibliothek Gohlis wieder viele Möglichkeiten, das Weihnachtsfest (Trotz COVID-19!) auf ganz besondere Weise zu gestalten. So finden Sie in unserem Bestand Bücher mit den besten Rezepten für Weihnachtsplätzchen und Weihnachtsbraten, kreative Ideen für individuelles Dekorieren und Verschenken sowie eine Vielzahl an Märchenfilmen für gemütliche Fernsehnachmittage.

Eine Alternative zu Filmen auf DVD oder Blu-ray finden Sie auf der Webseite der Leipziger Städtischen Bibliotheken (www.stadtbibliothek.leipzig.de) unter der Rubrik Online-Angebote.

Das Filmportal „filmfriend“ ist ein Video-on-Demand-Streaminganbieter speziell für Bibliotheken. Hier finden Sie ein übersichtliches und gut ausgesuchtes Angebot an hochwertigen Inhalten und Themen. Der Schwerpunkt des Filmangebots liegt auf deutschen Klassikern, Dokumentationen, Kinderserien sowie dem internationalen Arthouse-Kino. Mittlerweile stehen über 1500 Filme zum Streamen für Sie bereit. Zur Nutzung der Filme ist eine Anmeldung mit der Benutzernummer und dem Passwort des Bibliotheksausweises notwendig. Filmfriend ist werbefrei und erhebt keinerlei personenbezogene Daten. Die Filme lassen sich ganz einfach auf dem PC/ Mac oder auf dem Tablet und Smartphone sowie über TV-Geräte (AppleTV, Google ChromeCast) abspielen. Die Altersfreigabe für Kinder wird automatisch geprüft. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist „filmfriend“ eine ideale Plattform für Filmfreunde und solche, die es noch werden wollen.

Und alle, die dieses Jahr ihr Pensum an Flimmerstunden bereits übererfüllt haben und das „Mensch ärgere dich!“-Spielbrett auch schon nicht mehr sehen können, finden im Bestand der Bibliothek Gohlis eine spannende Auswahl an Gesellschaftsspielen für die ganze Familie. Für Zocker und Strategen, für Klein und Groß, für Jung und Alt. Es sollte für jeden etwas dabei sein. Also! An die Würfel, fertig, los!

Das Team der Bibliothek Gohlis „Erich Loest“ wünscht Ihnen eine friedliche und besinnliche Weihnachtszeit. Bleiben Sie gesund!
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Die Anmeldung für LeipzigPass-Inhaber ist ermäßigt.
Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 19. Lebensjahr können die Bibliothek kostenlos nutzen.

Bibliothek Gohlis „Erich Loest“
Stadtteilzentrum Gohlis
Georg-Schumann-Str. 105
04155 Leipzig

Tel.: 0341 / 123 5255
E-Mail: bibliothek.gohlis@leipzig.de

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 10 – 19 Uhr ; Mi 15 – 19 Uhr

„Ein Leipzscher in Israel, Alfred Glaser“ – Ein Lesetipp auch für Gohliser

Von Ursula Hein

Am Freitag kam das Jahrbuch 2019 des Leipziger Geschichtsvereins und ich habe mich gleich festgelesen. Die renommierte Leipziger Historikerin und verdienstvolle Herausgeberin der vierbändigen Erinnerungen Johann Christian Müller „Meines Lebens Vorfälle und Neben-Umstände“ aus dem 18. Jh., Katrin Löffler, hat sich jetzt eines Leipzigers angenommen und lässt uns mit der kommentierten Herausgabe zweier Briefe an Bernd-Lutz Lange teilhaben am Schicksal des aus assimilierter jüdischer Familie stammenden Alfred Glaser. Als einziger seiner Familie hat er die Judenverfolgung überlebt. Trotz aller negativen Erfahrung spricht er – immer noch heimwehkrank – von seinem Leben in Leipzig, von seinen (christlichen) Freunden, von Schwester und Schwager in der Landsbergerstraße in Gohlis. Die Briefe berühren durch ihre Unmittelbarkeit und durch die Verzweiflung, die ihn 1987 beim Abfassen immer wieder übermannt und es ihm unmöglich macht weiterzuschreiben. Erst nach viel Valium und mehrtägiger Pause, aufgemuntert durch den „Gaffee und ein Stückchen Kuchen zum „Ditschen“ schafft er es, die Briefe zu Ende zu schreiben. Es ist ihm noch vergönnt, sein Leipzsch seit 1987 bis zu seinem Tod im Jahre 1995 mehrmals zu besuchen.

Katrin Löffler zeigt uns auf fünfzig Seiten kenntnisreich und einfühlsam einen Urleipziger, der aufgrund einer menschenverachtenden Ideologie seine Stadt verlassen musste und sie als einziger Überlebender seiner Familie wieder besuchen konnten. Dieser Beitrag mit seinen Briefen sollte allen denen zu denken geben, die meinen, man könne und sollte das tausendjährige Reich einfach aus dem Gedächtnis streichen. Die Neurechten wird man leider mit solchen Veröffentlichungen nicht erreichen, aber man muss gegen sie kämpfen.

DDR-Garagen, was gibt es Schöneres in Gohlis?

Von Ursula Hein

Einen Parkplatz zu finden, gar einen überdachten ist nicht nur in Gohlis schwer. Wer also eine alte DDR-Garage gemietet hat oder sie gar sein Eigen nennt, kann sich glücklich preisen und gibt sie freiwillig nicht her. Es gibt viele dieser Garagenzeilen, teils versteckt, teils direkt an der Straße. Aber wie sehen sie aus? Hier feiert die graue DDR noch Urstände. Die Garagentore prangen bestenfalls in langweiligem Braun, sind besprayt, keiner scheint sich um ihr Aussehen zu kümmern.

Dass es auch anders geht und die Garagen richtige kleine Schmuckstücke sein können, haben wir jetzt an der Ostsee erlebt. Da gibt man sich richtig Mühe mit seiner Garage, überlegt sich, wie der Anblick der Tore auch anderen Menschen Freude machen könnte.
Foto: Zingst, Strandstraße

Während das Aussehen die Nutzer scheinbar wenig interessiert, jetzt hat sich die Stadt der Garagen erinnert. Diese ca. 5x 2,50 großen Garagen stehen nämlich auf städtischem Grund. Bisher kostete die jährliche Grundpacht 125 € und das seit 22 Jahren! Jetzt möchte die Stadt 250 € haben und die Garagennutzer sind natürlich empört, wie man in der LVZ lesen konnte. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es sich um den Jahresbeitrag handelt. Was sind 250 € pro Jahr gegen 1.200 € Garagenmiete pro Anno, die man hier in Gohlis Süd für eine solche Garage verlangt und auch bekommt? Es wird also teurer und Parkplätze sind sehr rar.

Vielleicht können sich die Garagenbesitzer trotz dieser Erhöhung dazu überwinden, einen Pinsel in die Hand zu nehmen und ihre Garagen verschönern. Es müssen ja nicht gleich Eulen sein, ein wenig Farbe täte es auch.

Geschichte in Geschichten (Teil 3) – Schüler fragen Zeitzeugen: Ute Ziegenhorn

Von Judith Lucas, Laura Kronschwitz und Luise Petereit

Ute Ziegenhorn: Jahrgang 1940, aufgewachsen in Jena, besuchte sie von 1946-52 eine Schule in Leningrad, wohin ihr Vater als Zeiss-Spezialist dienstverpflichtet war, danach ging ihre Familie wieder nach Jena. Dort studierte sie von 1959-65 an der Friedrich-Schiller-Universität Medizin und machte eine Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Seit 1974 arbeitete sie in Leipzig u.a. in der Poliklinik Nord in Gohlis, in der Menckestraße 17, wo sie bis 1992 praktizierte. Nach deren Auflösung war sie bis 2009 selbständige Kinderärztin in Gohlis.

Laura: Unser Thema ist die Friedliche Revolution in Leipzig und die Wende und ich woll-te wissen, wie allgemein Ihre Einstellung zur Revolution war, wollten Sie die Wiedervereinigung?
Wiedervereinigung hin Wiedervereinigung her. Es war eigentlich der Druck in der Arbeitswelt, Vorstellungen vom beruflichen Dasein und vom Werdegang. Da denke ich, da ist die Wiedervereinigung schon ein Schritt gewesen, der einfach notwendig war, vieles war eben doch so, dass man keine freie Entscheidung treffen konnte, in der Berufswahl ging es ja schon los.
[…]

Laura: Haben Sie auch an den Demos teilgenommen?
[…] Bei den sozialistischen Veranstaltungen musstest du erscheinen und da habe ich mich registrieren lassen und habe mich dann abgeseilt. Wenn du da nicht erschienen bist, dann konnten sie dich von der Uni schmeißen. […]

Laura: Ach so, okay und an denen zur Revolution?
Ja, jeden Montag. Wir haben damals auch immer Spätdienst in der Markgrafenstraße gemacht da war es auch immer schwierig durch die Innenstadt zu kommen und jaja das gehörte dazu. […]

Laura: Gerade am 09. Oktober hatten Sie da Angst, dass das irgendwie eskaliert?
Ja, es war sehr angespannt und die haben ja alle möglichen Lastwagen und Überfallkommandos, was das alles war von der NVA und Bereitschaftspolizei, das hatten sie ja alles aufgefahren. Das war ja überall rund rum um den Ring und wusste ja keiner, was passiert. Alle hatten Angst, dass sie schießen, obwohl die von der Bereitschaftspolizei auch alle Schiss hatten. […] Ich habe ja als Kind schon erlebt, den Juni 1953. Das war ja auch schon so eine kritische Zeit, da war ich gerade 13, das war ja auch nicht ohne.

Laura: Und was genau hat Sie dazu bewegt, obwohl Sie so viel Angst hatten?
Weil wir was verändern wollten, einfach das. Nicht die sog. Freiheit, was ist denn Freiheit, aber einfach um diesen ewigen gesellschaftlichen Druck loszuwerden.

Laura: Haben sich Ihre Hoffnungen jetzt damit erfüllt wie es jetzt abgelaufen ist?
Nein, weil vieles war ja mehr oder weniger dann ein Politikum. Da sind die ganzen Polikliniken zerstört wurden, jetzt erfinden sie die Ärztehäuser wieder. […] Da war vieles in Ordnung und wie gesagt auch die Mütterberatung und die Betreuung der Kindereinrichtungen. Da sind wir ja immer einmal die Woche hingegangen und haben uns die Sorgenkinder angeguckt. […]

Laura: Welche Veränderungen mit der Wiedervereinigung waren für Sie am größten und am bedeutendsten?
Naja, für uns war es beruflich ja total anders. […] nach der Wende hat die Stadt uns ja alle entlassen, da mussten wir uns ja alle erstmal kümmern, um Praxisräume, um die Einrichtung. Ich war da Ende 40, das ist ja nicht so einfach, Schulden aufzunehmen, das kannten wir ja alles nicht Kredite in dieser Form […] Dann war das ja ein total anderes Abrechnungssystem, das haben wir ja alles in der vollen Sprechstunde nebenbei uns aneignen müssen, das war schon nicht so einfach.

Laura: Gab es auch Veränderungen vor allem in Ihrer Branche, die Sie so richtig gut fanden? Neue Methoden oder so, die eingeführt wurden?
Na klar. Wir haben ja nicht mehr so viel schreiben müssen dank Computer, Das war schon ein Schritt, ansonsten Sonographiegeräte und sowas, das hatten wir ja alles nicht.

Laura: Was haben Sie sich damals noch, Sie haben ja schon gesagt, Sie haben sich vor allem diese Freiheit erhofft, was noch?
Ja, die sog. Freiheit, da geht es ja auch um die Reisefreiheit, dass man eben mal in der Welt reisen kann. Das durften wir ja alle nicht und naja, dass du eben nicht diesen ständigen gesellschaftlichen Druck hattest […] Mein Vater und meine Schwester, die waren auf Reisekader, obwohl sie nicht in der Partei waren, ins westliche Ausland und, wenn ich nun hier mal einen Messegast hatte, das wurde ja alles weiter gemeldet das haben die ja alles gewusst, die Stasi. […]

Laura: Empfinden Sie das Gesundheitssystem, wie es jetzt organisiert ist, als besser, oder…? Was finden Sie besser oder schlechter?
Ich finde das… also naja, du hast halt heute ganz andere Möglichkeiten der Untersuchung von MRT angefangen. Das hatten wir ja alles nicht, selbst Universitäten hatten das nicht und die Ultraschall Geräte. […] aber ich sag mir eben immer: der Normalsterbliche, wenn der zum Doktor will, der will ordentlich angehört werden, der will nicht, dass der nur in den Computer guckt und sich auch mal mit dem Menschen unterhält und ein bisschen Zuwendung und das gehört eben auch mit dazu und das ist nicht in Ordnung wie es heute zum Teil läuft […]

Laura: Wenn Sie in der Schule Ihre Meinung gesagt haben, über den Staat und so, es gab ja auch das Fach Staatsbürgerkunde, haben Sie da irgendwie bemerkt, dass Sie da schlechtere Noten bekommen haben?
Ja, auch schlechte Beurteilung habe ich von meinem Klassenlehrer bekommen. Der ist mir dann, nachdem ich das Abitur dann hatte, da hat er so quasi sich entschuldigt… Das kannst du zwar nicht beweisen, aber das war so. […]

Laura: Ja, was weiß ich ja nicht, wie schnell das nach der Wende dann auch alles geändert wurde oder…
Ja, das ging ruckzuck. Die haben da auch keine Rücksicht auf uns genommen. Das hätten die mit keinem Wessi gemacht, was die mit uns gemacht haben. Die haben uns ja sofort das neue System aufgedrückt bei der vollen Arbeit. Da hat doch keiner gefragt, wie wir das bewältigen, das Programm. Es hatte keiner bei uns einen Computer, geschweige denn, das andere Abrechnungssystem, das war alles so nebenbei. […]

Laura: Also hätten Sie sich eher gewünscht, dass nicht einfach die DDR komplett an den Westen angepasst wird, sondern das, was es in der DDR gab…
Ja schon anpassen, aber sinnvoll überlegen, was ist hier erhaltenswert und was nicht, das hat man ja nicht gemacht. Man hat rigoros alles erstmal abgesenst. Das hat man doch gar nicht gemacht, Gedanken sich gemacht. Können wir uns das übernehmen oder nicht, das war ja alles schlecht. Und so war es ja nicht. Das ist ja Fakt. […]

Der Text wurde bearbeitet und gekürzt, Ursula Hein

Geschichte in Geschichten (Teil 4) – Schüler fragen Zeitzeugen: Meigl Hoffmann

Von Lina Keilhaue, Lucia Malinowski und Levin Imieske

Meigl Hoffmann wurde 1968 in Leipzig geboren. Nach dem Abschluss der 10. Klasse an der Leibnizschule gründete er als Lehrling sein erstes Kabarett. Opposition wurde ihm, wie er sagt, schon „in die Wiege gelegt“. 1987 stellte er einen Ausreiseantrag. Dieser wurde Anfang Oktober 1989 genehmigt und er musste die DDR verlassen. Anfang 1990 kehrte er aus Frankfurt/Main nach Leipzig zurück und gründete hier 1992 das Kabarett „Gohgelmohsch“.

Während der Wende, bei den großen Massendemonstrationen waren Sie nicht in Leipzig, sondern in Frankfurt/Main. Wie kam es dazu?
Mein Problem in der DDR bestand darin, dass meine Mutter, Leistungssportlerin, 1960 Teilnehmerin an den Olympischen Spielen in Rom, mehrfache DDR-Meisterin und so weiter, 1974 illegal in den Westen ging. Das hieß damals „Republikflucht“. Eigentlich wollte mein Vater mit meinem großen Bruder und mir hinterher, hat dann aber doch gekniffen und ist hier geblieben. Es hätte passieren können, dass er in den Knast kommt und wir dann ins Kinderheim. Meine Mutter versuchte, in die DDR zurückzukehren. Das haben die Behörden aber nicht zugelassen. Nun saß sie getrennt von den Kindern todunglücklich in Frankfurt. Es war sehr schwierig auszureisen, auch wenn du endgültig gehen wolltest. Das hat alles ewig lange gedauert. Die Behörden wollten nicht, dass die Leute massenweise die DDR verlassen. Deswegen haben sie ja 1961 die Mauer gebaut. Als Sohn einer Republikflüchtigen galtest du sofort als Staatsfeind. Noch dazu mit einem Vater, der am Volksaufstand vom 17. Juni 1953 teilgenommen hatte und danach ein halbes Jahr im Knast saß. Da war dir die Opposition schon in die Wiege gelegt. Im Prinzip konnte ich in der DDR gar nichts werden. Wer studieren wollte, musste sich länger für die Armee verpflichten. Der normale Grundwehrdienst dauerte anderthalb Jahre, und wenn du stattdessen nicht drei Jahre gegangen bist, dann haben die gesagt: Studienplatz bekommen Sie keinen und Abitur natürlich auch nicht. So bin ich ein bisschen als Wanderer zwischen den Welten aufgewachsen. Hätte ich meiner Mutter in den Westen folgen sollen? Das hätte gedauert. Und ich hing auch an Leipzig. So habe ich mich dann illegal in Prag mit der Mutter getroffen, in die DDR durfte sie ja nicht wieder rein.

Wie haben Sie sich damals Ihre berufliche Zukunft vorgestellt?
Mir wurde in der 9. Klasse klar, dass ich kein Abitur kriege. Mein Plan, Sportjournalist zu werden, was damit passé. Ich hatte aber keinen Plan B. Kumpels fragten, was ich denn werden wolle. „Ich werde Rockstar, Schauspieler oder Asozialer“, sagte ich. Hab mich dann erst mal für Punk entschieden. Dann sollten wir uns um eine Lehrstelle bewerben. In der DDR gab‘s ja offiziell keine Arbeitslosen und jeder bekam eine Lehrstelle. Nicht die, die er haben wollte, aber du kriegtest auf jeden Fall eine. Ich hatte keine Idee, was ich denn nun werden sollte. Da gab es so blaue Heftchen, da standen diese ganzen Berufe drin, also zum Beispiel Facharbeiter für Betonbau oder Zerspanungstechniker. Alles hat nur nach Arbeit und Schmutz gerochen, wenn du das gelesen hast. Wegen totaler Ratlosigkeit habe ich mich einfach gar nicht beworben. Daraufhin hat die Schuldirektorin meinen Vater hinbestellt. Der hat dann zu mir gesagt: „Hör zu, ich besorg dir eine Lehre. Die machst du ohne Fehlzeiten, die Sache wird dir zwar nicht gefallen, aber du machst sie so gut, wie du kannst. Musst ja später dann nicht in dem Beruf arbeiten. Dafür unterstütze ich alles, was du danach machst.“ Sag ich: „Okay, das ist ein Deal.“ Und dann hat er mir eine Lehrstelle als Maschinen- und Anlagenmonteur besorgt.

Wie kam es dann aber zum Kabarett?
Ich saß mit meinen Kumpels im Café, wir haben uns damals ja als Bohème, als Halbintellektuelle, betrachtet. Und da hatte irgendeiner ein Kabarettbuch einstecken, von der „Herkuleskeule“ in Dresden. Da hab ich reingeguckt, und da war ein Gedicht drin ‚Langsam im Denken‘. Das fand ich cool. Da hab ich gesagt: Ich schreibe keine Gedichte, ich singe keine kommunistischen Volkslieder. Wir machen Kabarett. Zusammen mit ein paar verrückten Kumpels aus der Berufsschule haben wir dann damit angefangen. Und das war so gut, also so jung, so gegen den Strich irgendwie, dass die in der Berufsschule gesagt haben, wir sollten gleich ein richtiges Kabarett gründen. Damals gab es eine Punkband, die hieß ‚Wutanfall‘, von der war ich großer Fan. Deswegen hab ich mein Kabarett ‚Mutanfall‘ genannt.

1987 stellten Sie einen Ausreiseantrag. Was hatte Sie dazu bewogen?
Vom September 1985 bis Mai 1987 habe ich meine Ausbildung gemacht und mit den Kumpels Kabarett gespielt. Dann wurde mir klar, dass das mit einer Theater- oder Kabarettkarriere unter dem Radar der staatlichen Organe nicht mehr lange weitergeht. Kabarett geht ab einer gewissen Öffentlichkeitswirkung nicht ohne Deal mit den Behörden. Und mit Mutter im Westen ist es sehr fraglich, ob sie dich überhaupt vor einem größeren Publikum auftreten lassen. Und da wusste ich, jetzt musst du gehen. Ich wollte eigentlich nicht weg, aber ich dachte mir: Hier kann ich nicht länger Kabarettist sein. Also habe ich einen Ausreiseantrag in den Westen gestellt, zur Pflege der Mutter. Die hatte schweres Rheuma.

Wie sind Sie mit der oppositionellen Szene in Leipzig in Berührung gekommen?
Ich kannte eine Menge Leute, die im Kirchenkeller der Michaeliskirche verkehrten, und kam auch viel in Kneipen und Klubs rum, so habe ich oppositionelle Leute kennengelernt. Das war mal so ein Umwelt-Typ oder einer, der fragte: „Rosa Luxemburg, kennst du die?“ Und dann war ich ja mit dem Kabarett sowieso kritisch unterwegs. Wir haben uns als Linke verstanden. Also den Staat selber nicht. Wir waren der Meinung: Das sind keine Kommunisten, das sind Arbeiterverräter. Wir dagegen fühlten uns als bolschewistische Avantgarde, als Trotzkisten, als Revolutionäre im Geiste von Bucharin und so. Das war uns schon irgendwie wichtig. Einer meiner Freunde und Mitbegründer des Kabaretts hat damals gesagt: „Ich bin zwar Genosse, aber ich trage das Parteiabzeichen nicht am Revers, sondern im Herzen.“ Also der war wirklich Kommunist, ein guter.

Mitte/Ende 1988 begannen dann in Leipzig die ersten oppositionellen Aktionen. Zur Dokfilmwoche haben wir das erste Ding gemacht. In der DDR war gerade die sowjetische Zeitschrift „Sputnik“ verboten worden, wegen eines Artikels über den Hitler-Stalin-Pakt. Vorm Kino „Capitol“ ließ eine kirchliche Gruppe Luftballons fliegen, wo ‚Sputnik‘ draufstand. Die Stasi hinterher, mit dem Regenschirm haben sie versucht, die Luftballons zu zerstechen… Die haben auch mal einem von uns aufs Maul gehauen. Also, das war schon nicht ohne. Und dann gab‘s am 15. Januar den Liebknecht-Luxemburg-Marsch, da war ich dann auch dabei. Das war die größte Demonstration seit dem 17. Juni 1953. Beim Pleiße-Gedenkmarsch, da ging‘s um die Umwelt, aber auch um Meinungsfreiheit. Dann häuften sich langsam Aktionen wie das Straßenmusikfestival am Thomaskirchhof im Juni 1989. Da war ich auch dabei, einen Steinwurf entfernt vom Geschehen stand ich hinter den Fotografen. Ich wusste ja nicht, sind die von uns oder von der Stasi.

Wie würden Sie Ihre Rolle während der Proteste beschreiben?
Ich selber war dabei wie ein Zeitzeugen-Journalist, der keinen Fotoapparat mithat, aber die Bilder im Kopf speichert. Zum Beispiel von der Einkesselung der Teilnehmer des Straßenmusikfestivals durch die Polizei. Danach wusste ich: Die werden den Staat verteidigen, wenn’s sein muss, auch gegen das eigene Volk. Nach dem Straßenmusikfestival habe ich meinen Ausreiseantrag dann auch gedanklich gestellt. Bis dahin war ich ein DDR-Bürger, der eigentlich lieber bleiben will, doch nun betrachtete ich mich als im Exil lebend hier in Leipzig. Ja, und dann wurde das im Sommer 1989 auf dem Nikolaikirchhof immer größer und immer interessanter. Neben dem „Wir wollen raus!“ gab’s auf einmal auch den Spruch „Wir bleiben hier!“. Da war ich live dabei, als der erfunden wurde. Nachdem die „Tagesschau“ darüber berichtete, kamen am nächsten Montag noch viel mehr Leute. Teilweise standen sie hinter der Absperrung, teilweise auf dem Nikolaikirchhof, immer mit Polizeiketten dazwischen. Am 2. Oktober haben die dann so ‘ne Kette aufgemacht, als der Druck von außen zu stark wurde. Was passierte? Die Zuschauer solidarisierten sich mit uns, und wie von Geisterhand zog ein Demonstrationszug los über den Augustusplatz, damals Karl-Marx-Platz. Ich stand da auf der Treppe vor der Oper und konnte es nicht fassen: Der Platz schwarz vor Menschen. Und alle waren sich einig: „Das kriegen die nie wieder in den Griff!“

Vier Tage vor der entscheidenden Demo am 9. Oktober wurde Ihr Ausreiseantrag genehmigt …
Ja, am 5. Oktober war es soweit. Ich hab noch zu meinen Kabarett-Leuten gesagt: „Ich würde ja gerne bleiben. Ich hätte auch in Mecklenburg einen Unterschlupf. Aber ich glaube, dass die am 9. Oktober schießen werden.“ Denn wenn die zulassen, dass der Demonstrationszug einmal um den Ring läuft, dann ist die Demonstrationsfreiheit da. Damit ist die Meinungsfreiheit gegeben, dann kommt als nächstes die Pressefreiheit. Danach die Forderung nach Reisefreiheit. Und bei der Reisefreiheit ist die Existenz des Staates DDR infrage gestellt.

Im Westen haben Sie sich entschieden, nach Leipzig zurückzukehren…
13 Tage nach meiner Ausbürgerung ist Honecker zurückgetreten. Da dachte ich, das kann doch nicht wahr sein: Die ganze Zeit halte ich durch. Und jetzt, wo das Arschloch zurücktritt, darf ich nicht mehr rein in die DDR! Die spinnen doch wohl. Wir durften dann endlich am Heiligabend visafrei wieder rein. Bis März 1990 bin ich noch gependelt, mal vier Tage Frankfurt, dann wieder drei Tage Leipzig. Und dann hab ich gesagt: Ich komme zurück. Denn hier sind die Freiräume. Im Westen ist alles schon fertig und verteilt, aber im Osten hast du noch die anarchische Möglichkeit, was zu machen als freier Künstler. Und genauso ist es gekommen.

Der Text wurde bearbeitet und gekürzt von Wolfgang Leyn.

Notfallsimulation in der Krochsiedlung

Von Tino Bucksch

Am 22. Oktober war in der Krochsiedlung im Leipziger Norden einiges los – aufgrund vermehrter Beschwerden und Anfragen gegenüber dem Ordnungsamt verursacht durch einen enormen Parkdruck innerhalb der Siedlung, die errichtet wurde zu einer Zeit als die Ahnung über den Bedarf an Abstellflächen für den Individualverkehr noch wie Zukunftsmusik klang, führte das Ordnungsamt der Stadtverwaltung Leipzig eine vor-Ort-Begehung der besonderen Art durch. In einer gemeinsamen Aktion mit dem Polizeirevier Nord und zwei Einsatzwagen der Feuerwache Nord sollten die Anwohnerinnen und Anwohner der Krochsiedlung, durch den simulierten Versuch der beiden Fahrzeuge die Siedlung zu durchqueren, dafür sensibilisiert werden, was das individuelle Parkverhalten für den Fall eines Notfalles in der Siedlung bedeuten würde. Quälende anderthalb Stunden lang dauerte die Vorführung – beding durch mehrfachen Halterermittlungen inklusive des Herausklingelns der Fahrerinnen und Fahrern und dem Unvermögen, um bestimmte Kurven nicht herumfahren zu können, ohne die parkenden Autos zu beschädigen. Damit wurde wohl Jedem und Jeder klar, dass im Notfall in der Siedlung Schlimmeres passieren könnte.

Dabei muss die Situation vor Ort differenziert betrachtet werden. Zum einen herrscht Freude darüber, dass Leipzig wächst und dass auch die Krochsiedlung für junge Familien und zugezogene Gohliserinnen und Gohliser attraktiv ist. Zum anderen ist die Siedlung in einer Zeit konzipiert wurden, als die Frage des zur Verfügung stehenden Parkraumes keine Rolle spielte. Diese beiden widerstreitenden Fakten treffen aufeinander und machen es schwer, das Problem zu lösen. Fest steht, dass eine Gehwegseite zusätzlich zu einem Teil der Grünflächen, die beide komplett als Parkplatz genutzt werden, nicht die Lösung sein können. Komplett öffentlichen Raum und Grünflächen aber in Parkplätze umzuwandeln und damit den Charakter der Siedlung nachhaltig zu zerstören, auch nicht.

Am Ende kann eine befriedigende Lösung nur gefunden werden, wenn die Interessen Aller im Areal an einen Tisch gebracht werden – die Anwohnerinnen und Anwohner, die Stadtverwaltung sowie der Immobilienbesitzer. Wobei es schon innerhalb der Mieterinnen und Mieter keine Einigkeit gibt. Die Vorschläge reichen vom Erhalt der alten Siedlungsstruktur bis hin zur Reduzierung der Grünflächen für Parkflächen oder ein Parkhaus. Der Bürgerverein wird weiterhin versuchen, die widerstreitenden Positionen an einen Tisch zu bekommen. Gerade das Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner kann nur Gehör finden, wenn es sich gemeinschaftlich gebündelt gegenüber den anderen zwei Akteuren Gehör schaffen kann.