von Wolfgang Leyn
Die Urheimat der Biergärten liegt bei München. Ende des 18. Jahrhunderts grub man in den Flussauen der Isar tiefe Keller, um dort ganzjährig Bier lagern zu können. Zur Kühlung diente Eis, das im Winter vom Fluss oder von nahegelegenen Teichen geholt wurde. Auf die Hänge über den Kellern pflanzte man schattenspendende Kastanien. In der warmen Jahreszeit stellten die Bierbrauer Tische und Bänke unter die Bäume und schenkten ihr Bier aus – sehr zum Ärger der Gastwirte, die sich darüber beim König beschwerten. Der legte 1812 fest, dass in Biergärten keine Speisen außer Brot angeboten werden durften. Dafür war es den Gästen erlaubt, dort ihre mitgebrachte Brotzeit verzehren. Durch die Liberalisierung des Gewerberechts in Bayern 1825 verwischten sich dann die Unterschiede zwischen Biergärten und Wirtsgärten.
Barocke Biergärten locken Leipziger nach Gohlis
Im kleinen Dorf Gohlis nordwestlich von Leipzig gab es im 18. und 19. Jahrhundert zwei Gastwirtschaften mit Biergärten, die auch bei den Städtern sehr beliebt waren: die Wasserschenke gleich neben der Mühle und die Oberschenke in der heutigen Menckestraße 8. Die eine schloss 1870 ihre Pforten, die andere zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Traditionsreichste gastronomische Einrichtung in Gohlis ist heute die Gosenschenke „Ohne Bedenken“. Sie feiert im Juli ihr 120-jähriges Bestehen.
1899 zog die Wirtsfamilie Cajeri aus der Leipziger Innenstadt in den mittlerweile eingemeindeten Vorort, übernahm das seit den 1860er-Jahren bestehende Gasthaus in der Hauptstraße 38 (heute Menckestr. 5) samt Biergarten und richtete dort eine Gosenschenke ein. Der Name „Ohne Bedenken“ geht auf einen Kellner zurück, der auf die skeptische Frage, ob man denn Gose überhaupt trinken könne, zu antworten pflegte: „Ohne Bedenken!“.
Im Zuge der Neubebauung der Menckestraße mit mehrstöckigen Großstadthäusern war 1872 auf dem Grundstück ein viergeschossiges Wohngebäude errichtet worden, das 1905 im Auftrag von Gosewirt Carl Cajeri seine heutige Gestalt bekam, mit den gekreuzten Goseflaschen im Stuck über der Eingangstür. Im Dezember 1943 wurde der Biergarten durch Bomben schwer beschädigt. Ende der 50er-Jahre schien dann das Ende der Gosenschenke endgültig besiegelt zu sein. Fortan wurden die Gasträume als Bücherei, Volksröntgenstelle oder Versammlungsraum der Nationalen Front genutzt.
Renaissance der Gose(nschenke)
Angeregt von einem Artikel über die historische Gosenschenke, der 1983 in den „Leipziger Blättern“ erschien, ließ Lothar Goldhahn Mitte der 80er-Jahre Gaststube und Terrasse rekonstruieren. 1986 konnte er die Gosenschenke wiedereröffnen, 1987 auch den Biergarten. Gosewirt Hartmut Hennebach erweiterte ihn 1994 bis zum Poetenweg. Gebraut wurde die Gose zunächst in Berlin, später im sächsischen Dahlen und ab 1994 im mittelfränkischen Weißenburg. Seit 2017 braut der heutige Gosewirt Jens Gröger seine „Edelgose“ selbst. Zum 120-jährigen Jubiläum gratulieren wir mit einem dreifachen „Goseanna!“
Ausgewählte Biergärten
Doch Speis und Trank unter grünen Bäumen gibt‘s erfreulicherweise nicht nur im alten Dorfkern. Aus den drei Teilen von Gohlis stellen wir Ihnen hier je zwei Biergärten kurz vor:
GOHLIS-NORD:
Hinter der Versöhnungskirche: De la noix
Ort: Goslarer Str. 8, 04157 Leipzig, in der Kleingartenanlage „Germanus“, Kontakt: Tel. 0173 9458926, Anfahrt: Tram 12 bis Virchowstr., Tram 4 Landsberger Str., 18 Fahrradstellplätze, Offen: 8. Mai bis 30. September (optional länger), Di-So 17-22 Uhr, So 16-21 Uhr (Mo + Di Ruhetag), Angebot: 35 Sitzplätze, Bedienung, warme Küche à la carte, saisonal & regional – neu interpretiert, 3 Biersorten (2 aus der Region), Weinkarte (u. a. Saale-Unstrut), Küchenschluss 21 Uhr, So 20 Uhr, Ausschankschluss 30′ vor Schließung, Veranstaltungen: Sommerfest, Kleinkunst-Konzerte, Besonderes: Entschleunigung unterm uralten Walnussbaum.
Beim Stadion des Friedens: Seilbahn
Ort: Max-Liebermann-Str. 91-93, 04157 Leipzig, in der Kleingartenanlage „Seilbahn“, Kontakt: Tel. 0341-9117158, Anfahrt: Tram 12, Bus 80 bis Virchowstr., Parkplatz (8 Pkw, 15 Fahrräder), Offen: Mai bis September (wetterabhängig), Di-So 11-21 Uhr, nach Absprache auch länger (Mo Ruhetag), Angebot: 60 Sitzplätze, Bedienung, warme Küche à la carte (gutbürgerlich-regional, auch vegetarisch), zwei Biersorten (aus der Region: Urkrostitzer), Küchenschluss 20 Uhr (nach Absprache auch später), Ausschankschluss 21 Uhr, Veranstaltungen: Konzerte (u. a. Country, Irish Folk), Besonderes: originale Seilbahngondel (Firma Bleichert), Spielplatz, Vogel-Voliere.
GOHLIS-MITTE:
Unterm Gingkobaum: Budde-Haus
Ort: Lützowstraße 19, 04157 Leipzig, im Garten vorm Budde-Haus, Kontakt: Tel. 0341 90960037, Anfahrt: Tram 12 bis S-Bahnhof Gohlis, S-Bahn Linie S1, 20 Fahrradstellplätze, Offen: April bis September (in diesem Jahr Eröffnung durch neuen Betreiber Anfang Juli), täglich ab 12 Uhr, kein Ruhetag(!), Angebot: Selbstbedienung, Imbissangebot (warm, auch vegetarisch), 5 Biersorten, auch regionale, Weinkarte, Küchenschluss 21 Uhr, Veranstaltungen: Sommerfest, gelegentlich Konzerte, Besonderes: Uralter Gingko u. a. große alte Bäume, Blick auf historische Bleichert-Villa, kulturelles Umfeld, Kinderspielplatz.
Klein, aber schön: Thüringer Rostbrät’l
Ort: Corinthstr. 13, 04157 Leipzig, Kontakt: Tel. 0341 9114571, Anfahrt: Tram 4 bis Coppiplatz, Tram 12 bis Coppistraße, Bus 90 bis Michael-Kazmierczak-Str., Parkmöglichkeit für Fahrrad und Pkw nebenan am (unbenannten) Platz zwischen Corinth- und Adolph-Menzelstr./Heinrich-Budde- und Wilhelm-Plesse-Straße, Offen: April bis September, täglich 11-22 Uhr (kein Ruhetag), Angebot: 40 Plätze, Bedienung, gutbürgerliche warme Küche à la carte, 5 Biersorten (regional: Krostitzer), Weinkarte, Küchenschluss 21.30 Uhr, Ausschankschluss 21.45 Uhr
GOHLIS-SÜD:
Traditionsreich: Gosenschenke
Ort: Poetenweg 6, 04155 Leipzig, Kontakt: Tel. 0341-5662360, Anfahrt: Tram 12 bis Fritz-Seger-Str., 100 Fahrrad-Stellplätze, 5 Pkw-Parkplätze, Offen: Ende April bis Anfang September, täglich 12-24 Uhr (kein Ruhetag), Angebot: 500 Plätze, Bedienung (Terrassen)/Selbstbedienung (Biergarten), warme Küche à la carte, gutbürgerlich-regional, auch vegetarisch, 7 Fassbiere (regional: Urkrostitzer, Rosen-Pils, Schwarze Rose), 3 Gose-Sorten, 1 hausgebraut, Weinkarte, Küchenschluss 22 Uhr, Ausschankschluss 23 Uhr, Veranstaltungen: monatlich Konzerte (Skiffle, Schlager, Rock, Country), Besonderes: Der 1905 gegründete Biergarten unter 100-jährigen Bäumen ist einer der ältesten in Leipzig, seit 2010 wurde er ununterbrochen unter die Top 10 der schönsten deutschen Biergärten gewählt.
An der alten Mühle: Münsters
Ort: Platnerstr. 13, 04155 Leipzig, Kontakt: Tel. 0341 5906309, Anfahrt: Tram 4 bis Stallbaumstr, Parkplatz für 15 Pkw, 4 Fahrradständer, Offen: Ostern bis Oktober, täglich ab 16 Uhr, Angebot: 75 Plätze, Selbstbedienung, gutbürgerlich-bayerisch gehaltenes Imbissangebot (warm, auch vegetarisch), 5 Biersorten, darunter Gose, Wein nach Angebot, Küchenschluss 21.30 Uhr, Ausschankschluss: 23 Uhr, Besonderes: alte Kastanie
Nah am Rosental: Wirtshaus West-Gohlis
Ort: Herloßsohnstr. 42a, 04155 Leipzig, in der „Westgohliser Gartenkolonie 1921 e. V.“, Kontakt: Tel. 0341 58307040, Anfahrt: Tram 4 bis Stallbaumstr., Tram 10 + 11, Bus 90 bis Wiederitzscher Str., Parkplatz (25 Pkw, 30 Fahrräder), Offen: April bis Oktober, Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa, So, Feiertag 11.30-22 Uhr (Mo + Di Ruhetag), Angebot: 120 Sitzplätze, Bedienung, warme Küche à la carte (regional/mediterran, auch vegetarisch), zwei Biersorten (aus der Region: Urkrostitzer), Küchenschluss 21 Uhr, Ausschankschluss 22 Uhr, Veranstaltungen: Ritterspektakel, Kabarett, Lesungen, Spargelwochen, Ente ohne Ende, Erntedankfest usw., Besonderes: 100-jährige Eichen, Wirtshaus im Fachwerkstil, Kinderspielplatz.
Der Vollständigkeit halber: Weitere schöne Biergärten gibt es zum Beispiel an der Gaststätte Neumann (Strelitzer Str. 1, Gohlis-Nord), bei Schaarschmidts (Coppistr. 32, Gohlis-Mitte) beim Restaurant Mytropolis (Möckernsche Str. 1, Gohlis-Süd) und in der Kleingartenanlage „Volksgesundung“ (Heinrothstr. 22, Gohlis-Süd)