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Ausstellung

30 Jahre Bürgerverein – 30 Jahre Denkmalschutz

Der durch jahrzehntelange Mangelwirtschaft besorgniserregende Zustand der historischen Bausubstanz ganzer Stadtteile und damit auch die persönlichen Wohnverhältnisse waren im Jahr 1989 auch Gründe für viele Leipziger Bürger, ihren Unmut über das gesellschaftliche System der DDR zum Ausdruck zu bringen und die politische Wende zu fordern. Im Mittelpunkt der Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit der Anfang der 1990er Jahre neu entstehenden Stadtteilbürgervereine in Leipzig standen dementsprechend Aktivitäten zur Erforschung der Stadtteil-, Architektur- und Nutzungsgeschichte. Diese und weitere Erwägungen führten dazu, dass am 10. Januar 1992 der Bürgerverein Gohlis unter großer Beteiligung der Bürgerschaft gegründet wurde.

In Gohlis wurde unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen schon Anfang der 1990er Jahre durch das Landesamt für Denkmalpflege eine Schnellerfassung der Kulturdenkmale durchgeführt. Die bestehende Denkmalliste der Stadt Leipzig wurde um zahlreiche Einzeldenkmale, insbesondere Wohnhäuser der Entstehungszeit zwischen 1870 und 1910 erweitert.

Aufgrund wechselnder Eigentumsverhältnisse und wegen des hohen Investitionsdrucks war schnelles und gemeinschaftliches Handeln erforderlich. Von Beginn an fanden regelmäßig Treffen zwischen Mitgliedern des Gohliser Bürgervereins und der Leipziger Denkmalschutzbehörde statt. Der Bürgerverein übernahm es, durch Aushänge in den Häusern, Mieter und Eigentümer über die Denkmaleigenschaft der Gebäude zu informieren. Er unterstützte die Denkmalschutzbehörde ebenso durch Hinweise zu ungenehmigten Aktivitäten an Kulturdenkmalen.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Bewahrung der Typik des alten Ortskerns um die Menckestraße gelegt. Der Bürgerverein unter den damaligen Vorsitzenden Gerhart Passolt und Dr. sc. Dieter Götze legte bereits im Jahr 1994 einen entsprechenden Entwurf für eine Satzung zur Erhaltung und Gestaltung des alten Ortskerns vor, mit der Bitte, bei allen größeren baulichen Veränderungen beteiligt zu werden. Darüber hinaus wurden auch frühzeitig Kontakte zum Landesamt für Archäologie bezüglich der Bodendenkmaleigenschaft der alten Ortslage geknüpft. Es wurde angeregt, den alten Ortskern in seiner Gesamtheit einschließlich der Bebauung zum Denkmalschutzgebiet zu erklären. Zum damaligen Zeitpunkt war der Bereich des historischen Angers noch in der Denkmalliste erfasst.

Einige für die Ortsgeschichte bedeutende Bauwerke, u.a. das Mühlenensemble, das „Schillerschlösschen“ mit Ballsaal, die Bebauung des ehemaligen Bauerngehöfts Menckestraße 4 und mehrere vorgründerzeitliche Gebäude im Schillerweg waren schon seit den 1990er Jahren durch fortschreitenden Verfall oder durch Investitionsvorhaben akut gefährdet. Verkehrsplanerische Überlegungen zur Streckenverlegung der alten Linie 6 (heute 4) wären mit dem Abbruch denkmalgeschützter Bausubstanz und erheblichen Störungen der ortsbildprägenden Bebauungsstrukturen verbunden. Eine sogenannte „Durchbruchvariante“ sah sogar den fast kurvenlosen Verlauf der Straßenbahntrasse von der Platner Straße zur Lindenthaler Straße vor.

Das Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung erarbeitete 2000-2001 den Maßnahmeplan Gohlis Süd, der als erster Stadtteilplan den Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau und Stadterneuerung Leipzigs konkretisierte. Hier wurden drei Handlungsschwerpunkte definiert. Neben der Georg-Schumann-Straße und dem Bereich Eisenacher-/Lindenthaler-Straße mit dem zukünftigen Stadtplatz Gohlis wurde als Handlungsfeld auch der Bereich im Umfeld des Schillerhauses mit Schillerweg und Menckestraße und dem Umfeld der Mühle einbezogen und zur Aufwertung vorgesehen. Bei einer in diesem Zusammenhang am 23. Januar 2001 stattfindenden Stadtteilwerkstatt unter Beteiligung von Vertretern von 10 städtischen Ämtern mahnte der damalige Vorsitzende des Bürgervereins Gohlis Gerd Klenk eine zeitigere Berücksichtigung von Vorschlägen der Gohliser Bürger bei städtischen Entscheidungsprozessen in der Zukunft an.

Um 2000 war die historische Bebauung des Schillerwegs durch private Investitionen weitgehend gerettet und Pläne der Abschirmung des Weges für „exklusives Wohnen“ aus den 1990er Jahren lange vom Tisch, aber die Mühle und das Schillerschlösschen waren weiterhin gefährdet und im Bereich des ehemaligen Angers passierte nichts. Im Juni 2003 wurde die Erhaltungssatzung für den Bereich Gohlis-Süd beschlossen. Im gleichen Jahr erfolgte die Streichung des Angers aus der Kulturdenkmalliste durch das Landesamt für Denkmalpflege. Das führte dazu, dass der Bürgerverein, allen voran der Historiker Dr. Manfred Hötzel, in seiner Öffentlichkeitsarbeit vertieft auf die besondere historische Bedeutung des Angers hinwies und auch in den Folgejahren immer wieder die Vertreter der Verwaltung über die bestehenden Missstände informierte.
Das 1926 von Willy Ebert verfasste Heft: „Gohlis, Aus der Geschichte eines Leipziger Vorortes“ und eine durch das Stadtplanungsamt beauftragte Broschüre „Alt-Gohlis – eine historische und städtebauliche Studie“ aus dem Jahr 1996 wurden in den folgenden Jahren durch zahlreiche weitere, durch den Gohliser Bürgerverein herausgegebene Texte und Broschüren zur Ortsteil- und Architekturgeschichte ergänzt. Zu den in der Reihe „Gohliser Historische Hefte“ erschienenen Publikationen gehören u.a. die Festschrift 675 Jahre Gohlis 1317-1992, die Festschrift 680 Jahre Gohlis 1317-1997, Von der Villa Hilda zum Klubhaus „Heinrich Budde“, Die Friedenskirche zu Leipzig Gohlis, Straßennamen in Leipzig-Gohlis und Die Villa Kippenberg in Leipzig-Gohlis. Besonderes Augenmerk wurde bei den Veröffentlichungen auf den größten Gohliser Arbeitgeber und Industriepionier Adolf Bleichert gelegt. Dazu zählen die Hefte: Adolf Bleichert und sein Werk, Max und Paul von Bleichert – Unternehmen und ihre Villen, Industriearchitektur in Leipzig Gohlis und Drahtseilbahnen der Firma Bleichert in Sachsen. Zu den bedeutendsten Publikationen gehört das 2017 erschienene Gohliser Geschichtsbuch 700 Jahre Gohlis 1317-2017. Mit diesen Veröffentlichungen wurden den Gohlisern in besonderem Maß auch Kulturdenkmalwerte und Verständnis für denkmalpflegerisches Handeln vermittelt.

Unter Beteiligung der Gohliser Bürgerschaft und des Bürgervereins wurde in den vergangenen Jahren durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer ein Plan zur Qualifizierung des Angers, dem ursprünglichen Ortskern des Dorfes Gohlis, erarbeitet. In seiner Detaillierung und Bezugnahme auf die historische Bedeutung wurde der Platzgestaltung in angemessener Weise Rechnung getragen. Auch der Umgebungsschutz zu den angrenzenden Kulturdenkmalen wurde hinreichend berücksichtigt. Im 2. Halbjahr 2022 soll mit der Umgestaltung des Angers begonnen werden. Die Mühle, die Kulturdenkmale Menckestraße 4, die Wohnhäuser am Kirchplatz und die straßenbegleitenden Gebäude des „Schillerschlösschens“ konnten gerettet werden. Sie wurden mittlerweile durch Leipziger Bauträger denkmalgerecht saniert. Einige Neubauten entstanden auf Baulücken an der Kreuzung Schillerweg /Berggartenstraße. In nächster Zeit werden auch auf den letzten unbebauten Grundstücken im hinteren Bereich der Menckestraße Wohnhäuser entstehen. Auch die Sanierung des jahrelang ruinösen, notdürftig gesicherten Eckhauses Gohliser Straße 32 steht unmittelbar bevor. Eine erfreuliche Bilanz, die auch dem kontinuierlichen Engagement des Gohliser Bürgervereins mit zu verdanken ist.

Der alte Ortskern von Gohlis

Das Dorf Gohlis, erstmals urkundlich 1317 erwähnt und mit Sicherheit älter, ist vermutlich aus einer slawischen Siedlung hervorgegangen. Bereits diese Siedlung passte sich der natürlichen geografischen Gegebenheit auf einer kleinen Anhöhe nördlich der Pleißeniederung an und ist im Verlauf der Menckestraße (früher Hauptstraße) noch heute erkennbar. Die Führung der Straße mit der leichten Krümmung in der Mitte des Straßenzuges folgt noch immer dem historischen Verlauf. Sie hat sich über Jahrhunderte hinweg nicht verändert und selbst der wechselnden Bebauung standgehalten. Auch Veränderungen bei den Verkehrsmitteln, von der Pferdebahn zur „Elektrischen“, haben den Platz in seiner ursprünglichen Gestalt nicht beeinflusst. Auf der platzartigen Erweiterung kurz vor der Krümmung befand sich früher der Anger des Dorfes. Der Anger lag meist in der Mitte des Dorfes, war im Gemeinbesitz und diente im Regelfall als Viehweide oder Versammlungsplatz. Auch öffentliche Gebäude wurden am oder auf dem Anger errichtet.
Der Anger in der Menckestraße war seit 1685 mit einem flachen Gebäude bebaut, indem sich die Dorfschule und eine kleine Wohnung für den Lehrer befanden. 1774 wurde das Gebäude aufgestockt und im ersten Stock wurde ein Beetsaal eingerichtet. Außerdem erhielt das Gebäude einen Anbau für den Spritzenwagen der Feuerwehr und eine Arrestzelle. An der Außenwand befand sich ein Pranger mit Hals- und Fußeisen für Straffällige zwecks Strafverbüßung. 1818 wurde das Schulgebäude umgebaut und die Lehrerwohnung vergrößert. Lehrer Johann Gottlieb Fleischer, über 30 Jahre der einzige Lehrer in Gohlis, legte 1826 auf der östlichen Spitze des Angers einen kleinen Garten an. Nach 1830 wurde der Anbau erneut vergrößert und erhielt im ersten Stock eine Gerichts- und Gemeindestube. Im Erdgeschoss des Anbaus verblieben Gefängnis, Sektionslokal sowie der Raum für Feuerspritze und Leichenwagen. Das Gefängnishäuschen wurde 1885 abgerissen. Da das Schulgebäude weder den Bedürfnissen des Unterrichtes noch denen einer angemessenen Lehrerwohnung genügte, wurde es 1861 für diese Zwecke aufgegeben. Dafür wurde ein neues Schulgebäude am Lindenplatz (heute Kirchplatz) errichtet. Der Beetsaal wurde gottesdienstlich weiter genutzt, bis zur Einweihung der heutigen Friedenskirche am 31. Oktober 1873. Bis zum endgültigen Abriss des Gebäudes im Jahre 1887 wurden die Schulräume als Kinderbewahranstalt (Theresienstift) genutzt. Der ehemalige Anger war danach ein freier Platz, der 1890 zur Grünanlage, einem sogenannten „Schmuckplatz“ umgestaltet wurde. 1902 wurde die Anlage gestalterisch überarbeitet und mit der noch heute vorhandenen Umfassung versehen. Von Schäden durch Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg blieb der Anger zum Glück verschont. Allerdings wurde der Platz nach dem Krieg vorübergehend zur Trümmerablagerung genutzt.
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des neuen Sächsischen Denkmalschutzgesetzes von 1993 wurden zahlreiche Wohnhäuser der Menckestraße sowie der Dorfanger Gohlis mit der Kurzcharakteristik „Alter Gohliser Dorfanger als Sachgesamtheit“ in der Denkmalliste verzeichnet. Leider hat dieser aber seinen Denkmalcharakter 2005 wieder verloren. Er wurde vom Landesamt für Denkmalpflege in Dresden ohne Begründung von der Denkmalliste gestrichen. Trotz zahlreicher Anfragen und Hinweise durch Anwohner und den Bürgerverein Gohlis e.V. hat sich die Situation für den Anger bis heute nicht verändert. In der Mitte der Anlage befindet sich eine kleine Freifläche, die missbräuchlich als Parkplatz genutzt wird, obwohl sie nicht als solcher ausgewiesen ist.

Auf Grund einer Initiative der Fraktion Freibeuter wurde 2019 ein Stadtratsbeschluss zur Neugestaltung des Gohliser Angers herbeigeführt. Über die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel sollte im Haushaltplan 2021/2022 entschieden werden.

Am 08.04 2021 erfolgte durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer (Frau Christiansen und Herr Zech) sowie durch Frau Müller vom renommierten Landschaftsarchitekturbüro Seelemann eine öffentliche Bürgerinformation über die für 2022 vorgesehene Umgestaltung des Gohliser Angers. Drei Varianten der Umgestaltung standen zur Auswahl, wurden ausführlich erläutert und konnten durch ein Votum bewertet werden. Die Anwesenden hatten die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten und Wünsche zu äußern. Es soll ein Platz mit denkmalpflegerischem Anspruch und hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Die Realisierung soll 2022 erfolgen, dafür wurden Investitionsmittel von 185.000 € geplant, von denen 90 % durch Förderung abgedeckt werden.

Nachdem sich der Bürgerverein Gohlis e.V. über nahezu 30 Jahre durch Initiativen und Aktionen für den Erhalt und die Gestaltung des Gohliser Angers engagiert hat, wird die konkrete Planung und Realisierung des Vorhabens ausdrücklich begrüßt. Die vorgesehene Stele, die auf die Bedeutung des Dorfangers hinweisen wird, entspricht den Vorstellungen des Bürgervereins und sollte, der Eigenständigkeit der historischen Anlage angemessen, auch auf dem Anger ihren Platz finden. Der ehemalige Anger ist ein historischer Ort, der seit Jahrhunderten das Erscheinungsbild von Gohlis-Süd prägt. Ihm würde mit der Neugestaltung ein würdiges Aussehen verliehen.

Gohliser Schlösschen

Schon früh engagierte sich der Bürgerverein um den Erhalt und die Sanierung des Gohliser Schlösschens. Anfang der 1990er waren 15-20 Millionen DM für die Sanierung notwendig, die von Seiten der Stadt auf absehbare Zeit nicht erbracht werden konnten. Daher unterstützte der Verein den Freundeskreis Gohliser Schlösschen e.V. bei der Vorbereitung einer Benefiz-Veranstaltung um Sponsor:innen und Gelspender:innen zu finden. Hintergrund war, dass das Schlösschen seit dem 7. November 1991 wegen akuter Einsturzgefahr geschlossen war. Ein Teilerfolg konnte schon am 15. Juni 1993 gefeiert werden – das Aufsetzen der restaurierten Turmkuppel, zu dem öffentlich geladen wurde. Gerade Brunhild Vollstädt – liebevoll als „Schloßherrin“ bezeichnet – zeichnete sich als Koordinatorin und Initiatorin zahlreicher Benefizveranstaltungen mit Künstler:innen, Firmen und Sponsor:innen aus. In der Turmkuppel wurden dann Dokumentenschatullen mit originalen Urkunden aus den Jahren 1900 und 1934 verlötet sowie eine Gedenkmünze „675 Jahre Gohlis“ und die Einladung zur Kuppelinstallation. Brunhild Vollstädt tat sich als Geschäftsführerin des am 26. Februars 1991 gegründeten Freundeskreis Gohliser Schlössen e.V. hervor. Dessen Ziel war es, die Bewahrung und Pflege der Bausubstanz, der Schaffung einer Begegnungsstätte für Gäste und Bürger:innen mit kultureller Ausstrahlung und dem Angebot einer stilvollen gastronomischen Betreuung zu realisieren. Gerade letzter Punkt sollte in der neueren Geschichte des Schlösschens ein dauerhafter Konfliktpunkt sein. 1993 erfolgten dann wichtige Sanierungsarbeiten am Schlösschen: im Garten wurde die Brunnenanlage nach historischen Vorgaben wiederhergestellt, die Toranlage Menckestraße durch Montage der bekrönenden Steinvasen abgeschlossen und die Balkenkonstruktion am Westflügel saniert. Leider wurde bei den Sanierungsarbeiten paradoxerweise das Ende derselben durch das Entdecken immer weiterer Schäden auf nicht absehbare Zeit hinausgeschoben.

1995 stand das Schlösschen unerwartet im Fokus vieler Kulturhistoriker:innen. Als im Zuge der Sanierung des Investors eine tönerne Bodenvase auf Alter und Herkunft untersucht wurde, entdeckte man Sensationelles: seit Anfang 1868 befand sich im ungenutzten Seitenflügel des Schlösschens eine Töfperei und bei der Herstellung der besagten Vase wurden während des Rotierens der Töpferscheibe in Verbindung mit der Verwendung eines spitzen Griffels zur Rillenmusterung der Vase Umgebungsgeräusche gleichsam einer Grammophonnadel in den weichen Ton eingearbeitet. Dabei handelt es sich um einen Passus aus Wagners „Meistersinger“. Dieser Passus wurde dann am 8. November 1868 in die Vase eingebrannt, als Richard Wagner höchstpersönlich bei einem Besuch des jungen Friedrich Nietzsche im Schlösschen Passagen seines erst kürzlich in München uraufgeführten Werkes am Flügel im Nebenraum vorspielte.

Nachdem das Schlösschen mit einer stolzen Summe von 15 Millionen DM saniert wurde, öffnete es mit Veranstaltungen und musealen Angeboten seine Pforten für die begeisterten Gäste. Neben diesem Angebot wurde sogar versucht, das (später) heikle Thema der gastronomischen Versorgung anzugehen. Ganze fünf(!) gastronomische Etablissements – genannt die „heiteren Restaurants im Gohliser Schlösschen“ – sollten ein an der sächsischen Hofküche orientiertes Angebot bereitstellen.

Im Oktober 2002 musste der Bürgerverein mit einem offenen Brief erneut auf die prekäre Lage des Schlösschens hinweisen, nachdem eine geplante Kürzung der Zuschüsse für die so wichtige kulturelle Einrichtung bekannt wurde. Dies hätte bedeutet, dass der gesamte Veranstaltungsbetrieb (Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Führungen) zum Erliegen gekommen wäre. Die Kürzungen konnten dann abgewendet werden, jedoch nur unter der Maßgabe, dass bis zum 31.03.2003 ein neues Betreiberkonzept für den Betrieb des Schlösschens gefunden werden müsste. Die Bereitschaft der Gohliser:innen das Schlösschen zur retten ging sogar soweit, dass der Freundeskreis Gohliser Schlösschen ab 2004 bis zur Findung eines neuen Betreibers alle anfallenden Verwaltungsaufgaben ehrenamtlich übernahm.

Revitalisierung des Gohliser Mühlengrundstückes

Die Existenz einer Wassermühle im südwestlichen Teil des ehemaligen Leipziger Vorortes Gohlis an der Flurgrenze zu Leipzig ist bereits seit dem Jahr 1384 urkundlich belegt. Der Mühlenbetrieb wurde über 500 Jahre lang aufrechterhalten. Seit 1852 war das Mühlengrundstück mit Unterbrechungen im Besitz der Stadt Leipzig. Der Gohliser Industrielle Adolf Bleichert war zwischen 1856 und 1870 einer der letzten Pächter des alten Mühlgebäudes. Als Ersatz für diesen Vorgängerbau entstand das heute noch bestehende Mühlengebäude im Jahr 1877. Das danebenliegende, Anfang des 19. Jahrhunderts errichtete ehemalige Wohngebäude beherbergte seit etwa 1870 bis in die 1960er Jahre den dem Mühlengut zugeordneten Gasthof. Der gastronomisch bewirtschaftete Mühlgarten war nach dem Abbruch der Wasserschenke und der Oberschenke am Gohliser Anger beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger Bürger. Erst 1907 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt und der Mühlgraben verfüllt. Im Zuge der großstädtischen Entwicklung Leipzigs nach der Eingemeindung 1890 plante die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts eine städtebauliche Umgestaltung des Mühlengrundstückes und des dazugehörigen Mühlholzes und der Mühlwiese, der sämtliche Gebäude zum Opfer gefallen wären. Nachdem von diesem Plan Abstand genommen war, wurden die Gebäude bis in die 1990er Jahre als Schlosserei, Lager und Wohngebäude genutzt.

Bis zum weitgehenden Einsturz des Hauses im Jahr 2006 in Folge von Brandstiftung waren am Giebel der ehemaligen Gastwirtschaft die Buchstaben „Zur Mühe“ befestigt (das „L“ war bereits vorher abgefallen). Sie erinnerten fragmentarisch an die ursprüngliche Nutzung und wurden zum Motto eines langen Weges der Planung zur Revitalisierung des Ensembles seit Beginn der 1990er Jahre. Bereits bei der Neuerfassung der Kulturdenkmale der Stadt nach der Wende waren die Gebäude und der verfüllte ehemalige Mühlgraben als Kulturdenkmale vermerkt. Denkmalschützer und Stadtplaner plädierten daher für die Erhaltung der Gebäude in ihrer überkommenen Gestalt. Auch die Mitglieder des Gohliser Bürgervereins wiesen im Laufe der Jahre immer wieder auf den besorgniserregenden Zustand der Gebäude hin. Auch dem Engagement des langjährigen Mitglieds des Bürgervereins Dr. Manfred Hötzel, der regelmäßig u.a. im „Gohlis Forum“ über die Bedeutung der Gohliser Mühle informierte, ist es zu verdanken, dass der bau- und ortsgeschichtliche Wert des Ensembles unter den Gohlisern nicht in Vergessenheit geriet.

Mehrere Investoren bekundeten seit den 1990er Jahren Interesse an der Revitalisierung des Mühlengrundstückes, z.B. als Standort für kleinteiliges Gewerbe, Wohnanlage oder Hotel. Aufgrund des erheblichen Sanierungsstaus war der Gebäudekomplex aber akut gefährdet. Trotz des besorgniserregenden Zustandes setzte sich der damalige Leiter des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege Hans Gerd Schirmer noch im Jahr 2006 nach Beurteilung durch einen erfahrenen Statiker gemeinsam mit Denkmalpflegern und Gohliser Bürgern für die Sicherung des ruinösen Gasthofs ein. Kurz darauf wurde das Gebäude durch gezielte Brandstiftung nahezu zerstört.

Es vergingen Monate, bis im September 2009 durch die Stadtverwaltung endlich der Beschluss gefasst werden konnte, die Gebäude an eine Investorengemeinschaft, die ATRIUM Baubetreuungsgesellschaft mbH, zu verkaufen. Die „über den Wert der einzelnen Gebäude hinausgehende Bedeutung als Ensemble mit identitätsstiftender Charakteristik für den Stadtteil“ wurde mit einem Ideenwettbewerb für einen Kindergarten mit Wiederaufbau des ehemaligen Gasthofgebäudes mit modernem Anbau gewürdigt. Als Sieger des Wettbewerbs ging unter drei Teilnehmern das Architekturbüro „Mehner Architekten“ hervor, dessen Konzept der „gelungenen Verbindung von Alt und Neu“ schließlich zur Realisierung kam. Es gelang, den alten Gasthof in seinem äußeren Erscheinungsbild detailgetreu nach dem historischen Vorbild neu zu errichten. Als Ergänzungsanbau wurde ein abgewinkelter, zweigeschossiger moderner Gebäuderiegel mit Flachdach angefügt.

Heute befinden sich im ehemaligen Wohntrakt der Mühle Wohn- und Büroräume. Im Hauptgebäude sind Arztpraxen und ein Weinhandel untergebracht. Im kleinen Anbau, in dem sich vorher jahrzehntelang eine Schlosserei befand, ist heute eine Gaststätte. Die im Hof angrenzenden Freiflächen werden wieder als Biergarten bewirtschaftet, der im Sommer ein beliebter Treffpunkt der Leipziger ist.
An die ehemalige Nutzung erinnern heute die während der Sanierung im Bereich des Mühlgrabens gefundenen, jetzt im Hof aufgestellten Mühlsteine. Zur Eröffnung des Kindergartens trugen die gerade eingezogenen Kindergruppen ein Programm mit Liedern und Spielen zum Thema „Mühle“ vor. Das war auch für die am Bau Beteiligten die Bestätigung, dass sich alle Mühe zur Wiederherstellung des Ensembles gelohnt hat.

Öffentliche Plätze in Gohlis

1992 musste der Bürgerverein eine frühe Niederlage erfahren, als trotz intensiven Protestes des Vereins und der Gohliser Bürger:innen, die sogar für den Erhalt Geld gesammelt hatten, an der Ecke Poetenweg und Gohliser Straße die Bäume gefällt und Bauzäune aufgestellt worden. Ein erster Rückschlag im Kampf um den Erhalt grüner Flecken und frei zugänglichen öffentlichen Raum im Stadtteil, welche in den Augen des Vereins gerade für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen ein notwendiger Ruhepunkt darstellte.

Stadtplatz
Mit dem Stadtplatz für Gohlis sollte 1999 der etwa drei Hektor große Bereich zu beiden der Lindenthaler Straße südlich der Georg-Schumann-Straße und um die Lüder- sowie Kanauerstraße bot sich den Gohliser:innen ein recht trostloses, von Brachflächen und Baulücken geprägtes Bild. Dies wollte die Stadtverwaltung mit einem speziellen städtebaulichen Wettbewerb abändern. Da man davon ausging, dass durch die zurückgehende Wohnungsnachfrage zu keiner vollständigen baulichen Komplettierung des Quartiers kommen würde, sollte der Platz dazu dienen, das Areal attraktiver zu machen. Dabei sollte ein Stadtplatz am Schnittpunkt Lindenthaler Straße und Eisenacher Straße entstehen. Aufgrund der weiterhin zurückgehenden Wohnungsnachfrage sollte untersucht werden, in welchem Umfang Einfamilienhäuser in dem Areal als Alternative zum Wohnen am Stadtrand etabliert werden könnten. Die Verringerung der städtebaulichen Dichte wurde zu dem Zeitpunkt als Novum und echte Marktlücke angepriesen. Anfang bereiteten fünf Arbeitsgruppen aus Planer:innen, Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen sowie Studierende der HTWK Entwürfe vor. Diese wurde dann in einem Gutachterverfahren bestehend aus Mieter:innen, berufenen Bürger:innen, Haus und Grund sowie Vertreter:innen des Bürgervereins beurteilt. Am 07. Juli 2003 führte die AG Stadtteilentwicklung des Bürgervereins ein Bürgerforum zu den nun konkreten Planungen durch. 10 Jahre nachdem der Planungsprozess begonnen hatte, wurde dieser Termin als unerlässlich angesehen. Realisiert wurde am Ende entsprechend den Plänen eines Landschaftsarchitektenbüros, das an einem 1999 durchgeführten Gutachterverfahren teilgenommen hatte. Der Platz in seiner heute bekannten Form sollte Aufenthaltsfläche für Menschen aller Altersgruppen sein, wobei eine Ausstattung mit Kinderspielgeräten explizit verzichtet wurde. Auch der schlechte Schutz vor Sonneneinstrahlung aufgrund des Mangels an Grün sowie die grau versiegelte Schotterfläche lassen bis heute Zweifel an dieser Intention entstehen. Mit der Fertigstellung im Dezember 2003 wurde dann ein Flecken im Stadtteil realisiert, der bis heute von den Gohliser:innen nie als Aufenthaltsort wahrgenommen wurde. Am 8. Dezember 2003 wurde der Platz dann offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Dennoch hielt auch danach die Kritik an, dass der Platz keine richtige Funktion hätte, Spielmöglichkeiten für Kindern dringend notwendig wären und es eigentlich keinen Anlass gäbe, den Platz zu nutzen, wenn er in der Form weiter bestehen würde.

Rabenplatz
Am 10. Januar 2000 wurde dem Bürgerverein im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung der AG Umwelt, Verkehr und Ordnung mit dem Grünflächenamt und dem Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung die Pläne für die öffentliche Grünfläche Breitenfelder Straße 48 vorgestellt. Geplant war eine naturnahe, ganztätig frei zugängliche Grünfläche. Aufgrund seiner „Sackgassen“-Situtation sollte der Bereich kein klassischer Spielplatz werden aber dennoch ein Raum, in dem sich Kinder aufhalten und Natur erleben sollten. Geplanter Start der Umgestaltung war Mai 2000. Anfang April 2000 traf sich der Bürgerverein erneut mit Vertreter:innen des Amtes, der beauftragten Landschaftsarchitektin, dem Künstler und Schüler:innen der heutigen 68. Oberschule um die Gestaltung der Grünfläche zu diskutieren. Ziel war es, auch deren Stimme bei der Umgestaltung der Fläche und somit die Stimme der zukünftigen Nutzer:innen zu hören. Daher gestaltet der Künstler gemeinsam mit den Schüler:innen die Holzpyramide, die Bänke und die riesigen Raben auf dem Platz. Für die Kinder war es natürlich ein besonderes Erlebnis mit Werkzeugen wie Motorsäge, Axt, Bei, Hacke und Hobel das Holz selbst zu bearbeiten. Die Namensgebung für den Platz sollte ebenso in die Hände der Schüler:innen der 68. OBS gelegt werden.

Budde-Haus

Die Villa „Hilda“ wurde 1890/91 von der Familie und Unternehmer Adolf Bleichert zu Wohnzwecken erbaut. Sie wurde während des Dritten Reichs enteignet und ab 1956 zum Betriebskulturhaus umgebaut.
Bereits 1991 forderten Mitglieder des Gründungskomitees des Bürgervereins Gohlis e. V. die Stadtverwaltung auf, das Klubhaus Heinrich Budde in kommunales Eigentum zu übernehmen und als Vereins- und Veranstaltungshaus zu betreiben. Mit einer Willenserklärung bei der Gründung des Bürgervereins 1992 wird diese Forderung bekräftigt.

Ein Jahr später wird auf Empfehlung des Kulturamtes ein Förderverein als Träger des Hauses gegründet. Ihm gehörten auch Mitglieder des Bürgervereins Gohlis e. V. an.
Der Bürgerverein fungiert immer als wichtiger Partner des Fördervereins Heinrich-Budde-Haus, unterstützt bei Sicherungsmaßnahmen und Erwirtschaftung der Eigenmittel, vermittelt Kontakte zur Stadtverwaltung und zu Spendern.

Nach einigen Jahren erfolgreicher Arbeit im Budde-Haus muss der Förderverein 2014 wegen Insolvenz aufgelöst werden. Die Verwaltung übernimmt zunächst das Kulturamt. Wieder einmal droht eine Veräußerung der Immobilie. Mit Bürgerforen, offenen Briefen und dank des Engagements von zahlreichen Multiplikatoren über den Stadtteil hinaus kann dies jedoch abgewendet werden.

2016 schließlich findet unter Beteiligung des Bürgervereins ein Auswahlverfahren statt um einen Träger zu finden, der im Stadtteil Gohlis gut vernetzt ist und auch wirtschaftlich gut aufgestellt ist.

Seit dem 1. Januar 2017 befindet sich das Budde-Haus nun in der Trägerschaft des FairBund e. V. Als soziokulturelles Zentrum Leipzig-Nord, entwickelt es sich stetig weiter und wird von den Menschen im Stadtteil angenommen. Das nächste Kapitel heißt nun Sanierung. Erste Beschlüsse dazu wurden bereits im Stadtrat gefasst.

Gohliser Arkaden

Eines der ersten großen Bauvorhaben, welches der Bürgerverein kurz nach seiner Gründung begleitete, war das heute als Gohlis-Arkaden bekannte Stadtteilzentrum. Am 4. August 1992 folgten ca. 160 Bürger:innen der Einladung des Vereins und dem Stadtplanungsamt in die Aula des Schiller-Gymnasiums und lauschten der Vorstellung des Stuttgarter Bauherrens. Dabei fanden die Pläne zu dem geplanten Büro- und Geschäftshauses mit vielfältigen Läden, gastronomischen Einrichtungen sowie Wohnungen von euphorischer Zustimmung bis Ablehnung. Einig war man sich aber an dem Abend schon, dass statt dem gesichtslosen und inflationären Namen City-Center ein passender zu suchen sei – ein beliebter Vorschlag war dabei Lützow-Tor. Aber auch die konkreten Hinweise, dass sich das geplante Gebäude nicht in die gewachsene villenartige Bebauung einbindet oder dass eine Anpassung der Bauweise eine 200-jährige Eiche, eine 150-jährige Platane und mehrere alte Kastanienbäume erhalten würde. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde darauf hingewiesen, dass die geplante Tiefgarageneinfahrt die Verkehrssituation im Bereich Lützowstraße und Georg-Schumann-Straße nur verschärfen würde. Eine Feststellung, die bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Am 21.09.1994 wurde dann das Richtfest des 160-Millionen-DM-Projektes gefeiert. Dabei setzte der Bauherr darauf, mit historischen Bezügen die Akzeptanz des sehr wohl umstritten Projektes zu erhöhen: die alte Hallische Straße (heute Georg-Schumann-Straße) war eins Durchgangsweg für Pilger, Kaufleute und kaufkräftigen Gästen. In der Nachwendezeit sei diese Tradition endgültig verschwunden. Daher sollten die Gohlis Arkaden einen Mosaikstein bilden, der alten Handelsstraße wieder zu neuem Leben zu verhelfen. Aber auch eine emotionale Bindung sollte hergestellt werden. So durften Schüler:innen des Schiller-Gymnasiums den Bauzaun um die Baustelle künstlerisch gestalten. Natürlich auf Kosten des Bauherren, der dann sogar noch Schüler:innengruppen nach Stuttgart und Dresden einlud. Dennoch blieb das Projekt sehr umstritten. Gerade dem als „Betonbunker mit Glasturm“ empfundene Bau konnte nicht ganz unberechtigt in ein „Turmwettbewerb zu Babel“ eingereiht werden, in welchem sich über die Stadt verteilt ähnliche Bauprojekte realisiert wurden.

Am Ende wurden die Gohlis Arakaden vom 15. bis 17. Juni 1995 mit Musik und Ausstellungen nach 19 Monaten Bauzeit feierlich eröffnet. Zu den Mieter:innen der ersten Stunde gehörten Sport-Frank, das Farbenhaus Gohlis, das Schuhgeschäft Wunderlich, die AD-Küchen-Art & Design, HABRA-Moden, die SAXONIA Touristik International, Blumen-Frenzel, die Sparkasse Leipzig oder der Lukas-Bäcker. Viele von diesen sind aus dem heutigen Bild der Gohlis Arkaden verschwunden. Als Geniestreich des Investors stellte sich dabei die Ansiedlung des Penny-Marktes heraus. Dieser lockte täglich ca. 2.000 Passant:innen mehr durch die Passagen, wovon alle ansässigen Gewerbetreibenden profitierten. Auch noch leerstehende Geschäfte wurden gemeinnützigen Vereinen, kirchlichen Einrichtungen oder Künstler:innen zur Verfügung gestellt. Somit wurde den Arkaden von Anfang an Leben eingehaucht.

Ebenso zur Akzeptanz der Arkaden führte die Verlagerung der Haltstelle der Linie 20 und 24 (heute Linie 12) an den ursprünglichen Ort vor die Kreuzung Lützowstraße und Georg-Schumann-Straße. Zeitweise war diese 50 Meter weiter Richtung Blumenstraße verlegt worden und führte somit zu deutlich schlechteren Bedingungen für die Nutzung des ÖPNV. Dazu mussten aber leider die vor den Arkaden erfolgte Bepflanzung entfernt werden. Ein Wehrmutstropfen, der eine Fehlplanung verdeutlich und am Ende den versiegelten Betoncharakter der Gohlis Arkaden unverändert lies.

Der Bürgerverein Gohlis im interkulturellen Austausch im Leipziger Norden

von Michael Wagner

Durch einen Pressebericht wurde im September 2013 die Absicht der muslimischen Ahmadiyya Muslim Gemeinschaft (AMJ) bekannt, in Gohlis eine Moschee zu errichten. Die Reaktionen waren heftig. Eine anonyme Facebook-Gruppe „Gohlis sagt nein“ heizte die Stimmung mit antimuslimischen Ressentiments an. Aus der Absicht, ein Gotteshaus für maximal 100 Personen ausschließlich privat zu finanzieren, wurde die „Islamisierung“ von Gohlis herbeifantasiert. Schnell entpuppte sich „Gohlis sagt nein“ als äußerst rechte, zumindest teilweise der NPD nahestehende Gruppierung. Das gesellschaftliche Klima in Gohlis wurde deutlich rauer.

In Reaktion darauf gründete sich im Herbst 2013 die Initiative „Dialoge für Gohlis“. In „Dialoge…“ engagierten sich von Anfang an Mitglieder des Bürgervereins Gohlis, aber auch von politischen Parteien und Kirchgemeinden.

„Dialoge für Gohlis“ wollte die Debatte um die Moschee versachlichen und einen Raum für kritische Fragen bieten, hat sich dabei aber von Anfang an zur Religionsfreiheit bekannt, einschließlich des Rechtes der Ahmadiyya-Gemeinde zum Moscheebau. Dem dienten unsere Aktivitäten, von der Verteilung mehrerer tausend Flyer, der Organisation einer Kundgebung gegen einen NPD-Aufmarsch im November 2013 bis zur Unterstützung der mehrfachen Aufführung des Theaterstücks „Moschee de“ von Kolja Mensing und Robert Thalheim in einer Inszenierung von David Perlbach in der Friedenskirche im Mai 2015. Zusammen mit der Ahmadiyya-Gemeinde wurde der Entwurf des Moscheegebäudes in den Räumen des Magistralenmanagements der Georg-Schumann-Straße öffentlich ausgestellt.

„Dialoge für Gohlis“ gab zugleich den Anstoß für die Etablierung des interreligiösen Dialoges im Stadtbezirk. Dieser umfasste bald die christlichen Gemeinden des Leipziger Nordens, die Ahmadiyya, die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig sowie die Leipziger Bahá`í-Gemeinde. Nicht der Austausch über theologische Differenzen steht im Mittelpunkt, sondern die Begegnung, dass Sich-Kennen-Lernen von Menschen aus den verschiedenen Religionen. Wir möchten zeigen, dass religiöse Vielfalt Teil unserer Realität in Gohlis ist, das sie nicht zur Verfeindung von Menschen führen muss, sondern das Leben bereichern kann. Am 11. September 2016 fand vor der Friedenskirche ein interreligiöses Dankfest statt, das seitdem jedes Jahr mit großem Anklang durchgeführt wird. Ergänzt wurde dies in den letzten Jahren durch religiöse Mahlfeiern, organisiert im Dreiklang aus christlichen, jüdischen und muslimischen Gläubigen.

Ein weiteres Thema, bei dem der Bürgerverein öffentlich Farbe bekennt, ist die Aufnahme von Geflüchteten. In Kenntnis der Absicht des Freistaates, in der Max-Liebermann-Straße eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für Asylbewerber*innen mit einer Kapazität von 700 Plätzen zu eröffnen, entstand am 6. Oktober 2014 die Initiative Weltoffenes Gohlis, die in der Folgezeit an die Stelle von „Dialoge für Gohlis“ trat. „Weltoffenes Gohlis“ will Geflüchtete unterstützen, demokratische Werte in der Gesellschaft stärken und rechtsradikalen Aktivitäten entgegentreten. Der Kontakt von Menschen unterschiedlicher Herkunft soll rassistischen Pauschalierungen den Nährboden entziehen. Initiator der Gründung war erneut der Bürgerverein Gohlis. Ihm schlossen sich die Kirchgemeinden im Leipziger Norden, die Ahmadiyya Muslim Jamaat, die lokalen Gliederungen von SPD, die LINKE und Bündnis 90/die GRÜNEN sowie viele Einzelpersonen an. Dass WoG von Anfang an auch ein Netzwerk verschiedener Organisationen war, trug zur kontinuierlichen Arbeit der Initiative in den letzten 8 Jahren bei.

Solidarität mit Geflüchteten praktizieren wir durch das im Mai 2017 gegründete Nordcafé im Keller der evangelisch-methodistischen Bethesda-Gemeinde in der Blumenstraße 74. Jeden Dienstag treffen sich hier von 14 bis 16 Uhr Einheimische, Hinzugezogene, Menschen aus den kommunalen Flüchtlingsunterkünften und auch aus der EAE. Wir sind stolz darauf, dass das Nordcafé mittlerweile zu einer Institution im Leipziger Norden wurde und die Corona-bedingten Einschränkungen seines Betriebes gut überstanden hat.

Viel Spaß hatten alle Beteiligten an den über viele Jahre hinweg organisierten interkulturellen Fußballturnieren im Stadion des Friedens. Zusammen mit dem Roten Stern Leipzig haben jeweils bis zu 10 spontan gebildete Fußballmannschaften, größtenteils aus Asylbewerbern bestehend, miteinander gekickt. Selbst kriegerische Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Herkunftsländern haben niemals das gegenseitige friedliche Kräftemessen gestört.

2019 und 2020 haben wir gemeinsam mit anderen Initiativen vor der Erstaufnahmeeinrichtung Begegnungsfeste mit den Geflüchteten durchgeführt, um Abwechslung im eher tristen Alltag zu schaffen und eine Begegnung mit den Anwohner*innen zu ermöglichen.

Weitere Aktivitäten waren die Organisation öffentlicher Kolloquien zu den Themen Migration und interreligiöser Dialog. Hierbei wurde der Bürgerverein Gohlis über mehrere Jahre hinweg durch Mittel aus dem Landesprogramm Weltoffenes Sachsen unterstützt. Dazu kommen regelmäßige Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen im Rahmen Internationalen Wochen gegen Rassismus sowie während der Interkulturellen Woche. Dies hat zur gesellschaftlichen Vernetzung der Menschen und Initiativen vor Ort beigetragen, deren Ziel ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen ist. Auch dem ist zu verdanken, dass Gohlis kein leichtes Pflaster für eine rechtsradikale Mobilisierung wurde.

„Weltoffenes Gohlis“ ist nicht unpolitisch. Bei Angriffen auf die demokratische Grundordnung sind wir Teil des gewaltfreien Gegenprotestes. Griffen Aufläufe von „Legida“ oder anderen rechtsradikalen Bündnissen auf den Leipziger Norden über, hat WoG auch selbst Gegenkundgebungen angemeldet. Und selbstverständlich melden wir uns öffentlich zu Wort, wenn Bekundungen des Antisemitismus das gesellschaftliche Klima vergiften.

Neues Thema wurde in den letzten Wochen die Solidarität mit den im Zuge des russischen Angriffskrieges nach Leipzig geflüchteten Ukrainer*innen. „Weltoffenes Gohlis“ hat sich an vielen entsprechenden Aktivitäten beteiligt, beispielsweise an einem Solidaritätskonzert am 2. April vor dem Gohliser Schlösschen.

Mein Fazit des mittlerweile 9-jährigen Engagements des Bürgervereins für religiöse und kulturelle Vielfalt im Leipziger Norden ist, dass es mit viel Engagement gelungen ist, Menschen zum demokratischen und humanitären Engagement zu ermutigen, zu vernetzen sowie durch Dialog das friedliche Miteinander zu fördern.

Mobilität und Verkehr

Das Thema Mobilität und Verkehr gehört zu einen der Themen, die den Bürgerverein seit seiner Gründung bewegt hat. Dabei war das Thema sehr vielschichtig.

Früh setze sich der Verein für die Einführung von Tempo 30 im Wohngebiet ein. Grundlage dafür war ein Beschluss des Rates vom 17. Juli 1991 bis 1996 in allen Leipziger Wohngebieten Tempo 30 einzuführen. Ein Vorhaben, dass in der Form nur im Ansatz realisiert wurde. Als erstes Gebiet wurde dafür das Areal zwischen Coppistraße, Max-Liebermann-Straße, Landsberger Straße und Virchowstraße auserkoren und ein entsprechender Antrag beim Verkehrsplanungsamt der Stadtverwaltung gestellt. Schon damals wurde in dem Zuge auf eine dringend erforderliche Verkehrsplanung für den Coppiplatz verwiesen, der die Bedürfnisse des Auto-, Rad-, Fuß- und Personennahverkehr berücksichtigt.

Immer wieder tat sich der Bürgerverein als mahnender Akteur vor Ort hervor, der aber leider auch die Erfahrung machen musste, von den entsprechenden Ämtern nicht gehört zu werden. Schon im November 1992 wies der Verein auf die Konsequenzen der Inbetriebnahme der Autobahnabfahrt Radefeld hin, die ohne die Realisierung der Umgehungsstraße für die Landsberger Straße durch das Kasernenviertel, eintreten würden. Auch wenn der Verein mit dem Amt für Verkehrsplanung und dem Tiefbauamt in der Beurteilung dieser Situation einig war, war es umso unverständlicher, dass trotzdem der zweite vor dem ersten Schritt getan wurde. Das Problem der unzufriedenstellenden Terminierung, Koordination und Abfolge der Baumaßnahmen musste dann auch der Stadtrat für Stadtentwicklung und Raumplanung Niels Gormsen auf dem Bürgerforum „Verkehrskollaps in Gohlis fest eingeplant“ vor knapp 100 Bürger:innen in der Aula der 37. Grundschule eingestehen.

Auch der Ausbau der Radverkehrsverbindungen spielte schon 1993 eine große Rolle. So wurde gefordert, dass die Lindenthaler Straße zwischen Gothaer und Georg-Schumann-Straße entgegen der Einbahnstraßenregelung auch für Radfahrer:innen zu öffnen sei. Eine Ergänzung durch entsprechende Beschilderung und einer Radfahrerampel an der bestehenden Ampel wären dabei die einfachsten Mittel zur Realisierung dieser Forderung. Diese Idee wurde aber Anfangs von der Stadtverwaltung mit der Begründung abgeschmettert, langsam fahrende Radfahrer:innen behindern den ÖPNV. Dies ist umso absurder als diese Darstellung ebenso für den Abschnitt der Lützowstraße zwischen Kirchplatz und Georg-Schumann-Straße galt – ein Zustand der übrigens bis heute andauert. Mit genug öffentlichem Druck konnte die Forderung des Vereins dennoch durchgesetzt werden. Auch wenn sich die AG Verkehr des Bürgervereins eine geregelte Querung an der Sasstraße gewünscht hätte, so war die neue Führung in der Lindenthaler Straße eine Entlastung für die konfliktreiche Verkehrssituation.

Aber auch die Landsberger Straße, die den Bürgerverein sogar im 30. Jahr seines Bestehens beschäftigte, war früh ein Problemfall im Viertel. Gerade im Abschnitt Coppiplatz bis zur Kreuzung Viertelsweg gab es zum damaligen Zeitpunkt auf einer 1,4km langen Strecke keine geregelten Querungsmöglichkeiten und darunter litten laut Bürgerverein gerade Kinder und ältere Menschen. Dabei wurde ein ampelgerechter Umbau beider neuralgischen Kreuzungen erst auf das Jahr 1996 terminiert. Natürlich in den Augen des Bürgervereins viel zu spät.

Planungen für die Line 6 in Gohlis Süd
Ein besonderer Aufreger Mitte der 90er Jahre waren die Planungen des Streckenverlaufs der Linie 6 (heute Linie 4) zwischen Georg-Schumann-Straße und Platnerstraße. Dabei legte die Stadtverwaltung im Mai 1995 Untersuchungsergebnisse in Form von 3 Varianten vor. Zwei der drei Varianten sahen die Streckenführung über die Eisenacher Straße ohne Eingriff in die vorliegende Bausubstanz. Die dritte Variante hatte es aber in sich. Diese sah die kürzeste Verbindung in Form eines direkten Durchbruchs der Strecke quer durch die Bergartenstraße, Lüderstraße, Knauerstraße, Endnerstraße bis zur Ecke Lindenthaler und Wolfner Straße vor. Gastronomische Einrichtungen wie die Drogerie oder das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Frida hätte es somit nie gegeben! Denkmalgeschütze Gebäude und Bäume wären ebenso zum Opfer der Variante gefallen wie die deutliche Trennung zwischen privatem und öffentlichem Raum, welche Kennzeichen des ÖPNVs ist. Absurder weise wäre diese Variante doppelt so teuer gewesen wie die anderen beiden Varianten, würde aber zu 75% von Bund und Land gefördert, da es sich um eine sogenannte „Beschleunigungsvariante“ (1,5 Minuten) handelte. Daher lud der Bürgerverein am 28. November 1995 zu einer Bürgerversammlung ins Gemeindehaus der Friedenskirche ein. Eine explosive Stimmung erzeugte die Stadtverwaltung unter den 100 anwesenden Bürger:innen mit der Ankündigung der Durchbruchvariante 3 den Vorzug gegeben und sogar schon ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet zu haben. Selbst betroffene Gründstückseigentümer:innen erfuhren darüber erst an diesem Tag oder aus der Presse. Ziel der Stadtverwaltung war es bis Herbst 1996 einen städtebaulichen Vorentwurf auszuarbeiten und dann 1997 die bearbeiteten Pläne nach Auslegung gegenüber den Bürger:innen als Bebauungsplan zu veröffentlichen. Bemerkenswert dabei war, dass die anwesenden Gohliser:innen forderten, dass die „Bimmeln nicht schnell sondern regelmäßiger und pünktlicher“ gebraucht werde. Ein Punkt, den die LVB scheinbar selbst nach 30 Jahren nicht verstanden hat, sieht man deren Präferenzen zum (Haltestellen)Ausbau zwischen Lützwostraße und Chauseehaus. Am Ende konnte Mitte 1996 nach massivem öffentlichem Druck die Variante 3 verhindert werden. Realisiert wurde die auch vom Bürgerverein unterstütze Variante 2 in der heute bekannten Linienführung.

Auf dem Bürgerforum „Ordnung und Sicherheit in Gohlis“ am 13. Mai 1997 standen Themen auf der Tagesordnung, die aktueller nicht sein könnten – durch parkende Autos eingeengte Gehwege sowie zugeparkte Kreuzungsbereiche klangen wie eine Beschwerdemeldung aus unserem Jubiläumsjahr 25 Jahre später. Forderungen des Vereins nach Abmarkierungen zur Schaffung von Stellplätzen oder der Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche trafen damals wie heute auf wenig Gehör bei den betroffenen Ämtern der Stadtverwaltung.

Wem´s zu wohl ist der radelt durch Gohlis
Schon auf seinem Bürgerforum am 23. Juni 1998 musste der Verein feststellen, dass das Radverkehrsnetz in Gohlis erhebliche Mängel aufwies. Zwar konnte in der zurückliegenden Zeit eine Verbesserung vor allem in Gohlis Nord (Max-Liebermann-Straße, Landesberger Straße) festgestellt werden, wohingegen in Gohlis Mitte und Süd weiterhin erhebliche Gefahrenstellen vorlagen. Gerade die Tatsache, dass die Querung der Lützowstraße und Lindenthaler Straße nicht geregelt wurde, führte dazu, dass die Georg-Schumann-Straße auch für den Radverkehr eine alternativlose Ost-West-Verbindung blieb. Diese sah aber zum damaligen Zeitpunkt in keinster Weise geeignete Radverkehrsanlagen vor, womit mit wachsenden Verkehrsaufkommen Konflikte vorprogrammiert waren. Nach ganzen 7 Monaten erhielt der Bürgerverein dann eine Antwort der Stadtverwaltung. Zwar stimmte diese der Problemanalyse zu, sehe aber für Verbesserung der Radverkehrsanlagen keine Möglichkeiten. Somit blieb die Georg-Schumann-Straße aber auch die Lützowstraße zwischen Kirchplatz und Georg-Schumann-Straße für Radfahrer eine Problemzone. Wenigsten konnte beim Thema Begrünung mehr Einigkeit hergestellt werden. So sollten in den Wohnstraßen verkehrsberuhigte Bereichen entstehen deren Eingangsbereiche in die Tempo-30-Zone durch Gehwegnasen eingeengt werden sollten. Wo es der Straßenquerschnitt erlaubte, sollten Straßenbäume gepflanzt werden und dort, wo noch vorhanden die erhaltenen Vorgärten sogar mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt revitalisiert werden. Bei einer obligatorischen Stimmungsbild stimmten 80% der anwesenden 90 Gohliser:innen der Verkehrsberuhigung zu und sogar 95% der geplanten Begrünung. Weiterhin offen bliebt aber leider die Frage des Zustandes der Breitenfelder und der Schumann, die zum damaligen Zeitpunkt sehr in Mitleidschaft gezogen waren.

Bürgerforum zur Verkehrssituation an der Platnerstraße
Ein besonderes und konflikthaftes Thema zwischen Stadtverwaltung und Bürgerverein war der Bereich um die Platnerstraße. So lud der Verein am 25. Mai 2000 Anwohner:innen, und Vertreter:innen der Stadtverwaltung, Stadtrat und Stadtbezirksbeirat zu einem Bürgerforum ein. Ausgangspunkt war die Entwicklung entlang Platnerstraße, Menckestraße und Möckernsche Straße, die eine hohe Verkehrsbelastung und kaum sichere Querungen aufwiesen. Der Bürgerverein forderte daher schon länger eine Neuordnung der Verkehrsströme, geregelte Querungsmöglichkeiten und die Umgestaltung der neuralgischen Kreuzungen Stallbaumstraße/Platnerstraße/Poetenweg sowie Möckernsche Straße/Stockstraße/Berggartenstraße/Menckestraße. Dies wurde dem Verein schon 1995 zugesagt. Leider erfolgte dies nach 5 Jahren immer noch nicht. Speziell eine Fußgängerampel an der südlichen Kreuzungsseite der Platnerstraße wurde vehement gefordert. Empörung brach hervor als die Vertreter:innen der Stadtverwaltung zugeben musste, dass Planungen zu den Verkehrsströmen in den betroffenen Gebieten zum Erliegen gekommen waren. Zwar erfolgten bauliche Veränderungen aber die Betrachtung der Verkehrsströme wurde nicht in Betracht gezogen. Der Unmut der Gohliser:innen war greifbar, da die Verwaltung jegliche Lösungen mit Hinweis auf knappe finanzielle Mittel abschmetterte, obwohl aus Sicht der Anwesenden andere Prestigeprojekte in Millionenhöhe realisiert werden konnten. Kurzeitig erklärten sich sogar anwesende Gohliser:innen bereit, mittels Sitzblockade auf der Straße auf die unzumutbaren Umstände hinzuweisen. Am Ende lenkte die Stadt ein und am 27. Juni 2000 beschloss der zuständige Fachausschuss die Aufstellung einer Lichtzeichenanalage an der Kreuzung Platnerstraße/Stallbaumstraße sowie bis zur Realisierung in 2001 eine transportable Ampel einzusetzen. Am 31. März 2001 wurde dann endlich die Ampelanlage installiert.

Öffentlicher Fuss- und Radweg entlang der nördliche Rietzschke entsteht
Als Erfolg konnte der Bürgerverein das Ergebnis der öffentlichen Beratung zwischen Grünflächenamt und den betroffenen Kleingartenvereinen am 13. März 2001 zum Thema der Fuß- und Radwegverbindung entlang der nördlichen Rietzschke (von Max-Liebermann-Straße bis zur Martinshöhe und evtl. bis zur Krochsiedlung) ansehen. Lange setzte sich der Verein mit dem Bürgerverein Eutritzsch dafür ein, dass ein 2,5 Meter breiter, mit sandgeschlemmter Schotterdecke versehener kombinierte Geh- und Radweg gebaut werden sollte. Damit konnte nach dem Abwenden der sogenannten Gartenstadt Gohlis der Kompromiss zwischen Naturschutz und Erholung in der Rietzschkeaue bewahrt werden.

Auch den Ausbau des S-Bahnhaltepunktes Gohlis begleitet der Bürgerverein von Anfang an. Am 10. November 2004 lud der Verein die Gohliser:innen zu einer Info-Veranstaltung mit der DB Projekt GmbH ein. Schnell wurde klar, dass aus technischen Gründen eine Verbindung beider Haltepunkte nicht möglich sei und es daher notwendig ist, bei Umstiegen die Lützowstraße zu queren. Sofort war damit ein neuer Auftrag für den Bürgerverein geboren – eine Fußgängerampel an der Lützwostraße / Blochmannstraße, um so eine sichere Querung zu ermöglichen.

Am 12. Mai 2005 konnte der Bürgerverein mit dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung und dem Grünflächenamt einen weiteren Teilerfolg feiern – das Verbindungsstücke zwischen Breitenfelder und Lindenthaler Straße wurde geschlossen und ist nun für Fuß- und Radverkehr nutzbar. Damit wird ein weiteres Teilstück der Radverbindung Nord realisiert, die der Bürgerverein seit Jahren einfordert: gefahrlos von Eutritzsch über die Theresienstraße, Blochmannstraße, Schlippe längs des Bahnbogens bis Sasstraße, Radweg am Sportplatz Sasstraße, Stoyestraße, Beckstraße entlang des Amselparkes, Wiederitzscher bis Kleingartenanlage Schreber-Hausschuild, Schlippe bis zur Bundesagentur für Arbeit nach Möckern fahren zu können.

2005 konnte der Verein dann einen weitere grundhafte Erneuerung des öffentlichen Raumes feiern: die Lindenthaler Straße wurde von Elsbethstraße bis zur Lindenthaler Bücke umgestaltet. Dabei der vorhandene Straßenraum neu aufgeteilt. Beidseitiger Radfahrstreifen auf der Fahrbahn, die Erneuerung der Gehwege, die Schaffung von 41 Stellplätzen sowie die Pflanzung von 23 Straßenbäumen schufen einen alleeähnlichen Charakter und werteten den Abschnitt des Wohngebietes enorm auf.

Schon am 23. Juni 2011 fand auf Initiative von Gegen Schall und Rauch und Stadthäuser Gohlis e.V. eine Demonstration mit ca. 100 Gohliser:innen statt, um somit auf die wachsenden Verkehrsströme in der Kirschberg-, Möckernsche und Berggartenstraße aufmerksam zu machen. Zentrale Forderung war damals die Einrichtung einer Tempo30-Zone. Dieser Forderung schloss sich der Bürgerverein schnell an. Damals kam auch zum ersten Mal ein Gehzeug zum Einsatz – ein Konzept, dass gerade um die 2020 oft genutzt wurde. Die „Bürger gegen Schall und Rauch“ arbeiteten ebenfalls schon viele Jahre als Initiative, bevor sie 2013 ihren Erfolg sehen konnten: Seither ist die Möckernsche Straße (größtenteils) Teil einer Tempo-30-Zone und nicht mehr Teil des Hauptverkehrsstraßennetzes, ebenso die gesamte Berggartenstraße.
Im Magistralenrat wurde einstweilen die Entwicklung der Georg-Schumann-Straße begleitet, die durch eine neue Markierung im Jahr 2012 erstmals Platz für den Radverkehr bekam, nachdem ein Teil des Verkehrs auf die neue Bundesstraße 6 verlagert worden war. Im Bürgerprojekt „Starke Nachbarschaften durch aktive Beteiligung“ fand seit 2013 ein intensiver Dialog mit der Stadtverwaltung zur Gohliser Straße statt, der unter anderem 2015 in der Einrichtung einer Fußgängerampel an der Springerstraße mündete.

Umgestaltung Kirchplatz
Ein Vorhaben, dass der Bürgerverein vehement seit 2015 forderte, ist die Umgestaltung des Straßenraums am Kirchplatz rund um die Gohliser Friedenskirche, da die unübersichtlliche Kreuzung, erhöhtes Tempo und die abmarkierte Sperrfläche Bergartenstraße eine unübersichtliche Situation hervorruft. Gemeinsam mit der Initiative Schall und Rauch sowie den Starken Nachbarschaften sammelte der Verein 357 Unterschriften für eine Umgestaltung des Verkehrsraum und die Schaffung besserer Aufenthaltsqualitäten. Die entsprechende Petition wurde von der Stadtverwaltung mit Ablehnung bescheinigt. Dem wollte die Kommunalpolitik in der Form nicht folgen und brachte einen Alternativvorschlag ein, der dann auch fast einstimmig im Rat beschieden wurde. Zentral dabei war, dass eine Anordnung auf Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h im Abschnitt Gohliser Straße zwischen Fritz-Seger-Straße und Berggartenstraße geprüft werden sollte. Diese konnte dann 6 Jahre später 2022 partiell realisiert werden. Die versprochene Umgestaltung der Berggartenstraße im Abschnitt zwischen Gohliser Straße und Lindenthaler Straße unter Berücksichtigung der Bürgerbeteiligung erfolgte leider bisher noch nicht.
Das der Bürgerverein auch weiterhin am Radverkehrsthema dran bliebt, zeigte das Bürgerforum zum Radverkehr in Gohlis am 20. April 2016. Schon seit Jahresbeginn 2016 hatte der Bürgerverein kritische Stellen im Stadtteil zusammengetragen, an denen Probleme und Konflikte bestanden. Aber auch Leser:innen des Gohlis Forums konnten Eingaben machen. So kamen 19 Punkte zusammen, deren Fokus folgende Punkte waren: unsanierte Nebenstraßen stellen einen Sicherheitsproblem dar und sind kein Anreiz Hauptstraßen zu umgehen, Falschparker gefährden durch Zuparken der Radstreifen den Verkehr, Lücken im Radverkehrsnetz und abgefahrene Markierungen.

Davon ließ sich der Verein nicht entmutigen, sondern lud am 21. September 2016 den Radverkehrsbeauftragten der Stadt Leipzig ein, um mit diesem die Ergebnisse des Bürgerforums zu besprechen. Aber auch um den Fußverkehr kümmerte sich der Bürgerverein. Seit August 2016 wurden Hinweise schadhafter Fußwege gesammelt, um diese als Hinweise an die Stadtverwaltung zu geben.
Eine weitere Initiative, unterstützt vom Bürgerverein, fand im Stadtteil schnelle Realisierung. Ausgehend von einer Petition des GeyserHaus e.V. eine barrierefreie Haltstelle an der Kreuzung Virchowstraße/Baaderstraße/Viertelsweg einzurichten fand schnell Gehör bei der LVB. Angesichts der Tatsache, dass zwischen Endhaltestelle und Haltestelle Virchowstraße 750 Meter und Zwischenhalt lagen, konnte eigentlich niemand auch Sachgesichtspunkten die Unterstützung verwehren. Gerade die Barrierefreiheit und der bessere Zugang für das GeyserHaus, die Schwimmhalle Nord und die neuen Wohnquartiere schufen eine breite Zustimmung. Im Herbst 2018 erfolgte dann die Freigabe der neuen Haltestelle.

Anwohnerparken in Gohlis – eine gute Idee?
Schon seit seinem Bestehen beschäftigt den Bürgerverein das Thema Parken im Viertel. Ab Mitte der 2015 nahm diese Problematik immer mehr zu, so dass die teilweise engen Straßen in Gohlis dazu führten, dass die PKWs an Orten abgestellt wurden, die gar nicht dafür vorgesehen waren (Sperrflächen, Gehwegnasen, Straßenecken). Dies führte dazu, dass Einsatzfahrzeuge oder die Müllabfuhr aber auch einfach Fußgänger:inen mit Kinderwagen oder ältere Menschen die Straßen nicht mehr sicher kreuzen konnten. Daher traf sich der Verein am 12. Dezember 2019 mit dem Abteilungsleiter für Generelle Planung beim Verkehrs- und Tiefbauamt um sich über Anwohnerparkzonen zu informieren. Am Ende musste festgehalten werden, dass für Anwohner:innenparken der Anteil an gebietsfremden Parker:innen nicht hoch genug wäre und daher der Parkdruck im Vierteil fast ausschließlich von den Gohliser:innen selbst heraus resultiert. Daher entschied der Verein an dem Thema dranzubleiben und nach Lösungsansätzen wie Informationen über Mietangebote für Dauerparkplätze in Parkhäusern oder auch vermietbaren Parkplätzen in Wohnanlagen.

Im Zuge des Neubaus des Kauflands auf dem ehemaligen Gelände der Alten Brauerei wurde die Verkehrsregelung an unübersichtlichen Knotenpunkten geregelt. Seit Jahren setze sich der Verein für eine Verbesserung an den Kreuzungen Menckestraße – Bergartenstraße – Stockstraße sowie Möckernsche Straße – Breitenfelder Straße ein. Am Ende übernahm der Investor Kaufland die Kosten der Installation der Ampel, während die Unterhaltskosten von der Kommune getragen wurden.

Immer wieder musste sich der Bürgerverein damit auseinandersetzen, dass es keine einheitliche Linie zwischen Stadtverwaltung und den Gohliser:innen – aber auch unter diesen selbst – bei manchen Gestaltungsmaßnahmen gab. Zum Beispiel wurden Baumpflanzungen oft mit der Begründung des Verlustes von Parkplätzen oder der Unübersichtlichkeit von Kreuzungsbereiche als Folge abgelehnt aber auch die Vorgärten wurden kritisch gesehen, wenn dadurch „unzumutbare Verschattungen“ die Folge wären. (Bürgerforum 25.06.1998)

Georg-Schumann-Straße

Schon früh zeichnete sich ab, dass die Georg-Schumann-Straße ein besonderer Schwerpunkt der verkehrs- und stadtentwicklungspolitischen Arbeit im Verein werden sollte. Anfang der 90er war die Magistrale durch eine Mischung aus geschlossenen Läden, renovierten Geschäften und trostlosen Baulücken gezeichnet. Die neu gebauten Supermärkte und Einkaufzentren übten enormen Konkurrenzdruck aus. Aber die Straße reizte in ihrem Zustand niemanden zu einem wirklichen Einkaufsbummel. Daher gründeten etwas 20 Gohliser Händler mit dem Leipziger Zentrum für Arbeits- und Organisationsforschung (ZAROF) das „Kommunale Netzwerk Einzelhandel“ und starteten den Versuch, die kleinen Läden für die Gohliser:innen und Gohliser attraktiv zu gestalten. Unterstützung sagte dabei auch der Rat, das Sächsische Wirtschaftsministerium und die IHK zu. Erste Ziele waren dabei mit gemeinsamen Sonderverkäufen, mehr Dienstleistungen, gemeinsame Öffnungszeiten um den Kund:innen ein lückenlosen Einkauf zu ermöglichen und einer aktiven Pflege der Stammkundschaft wieder in die Offensive zu gelangen.

Gohliser Bürgerforum – Umbau der Georg-Schumann-Straße
1996 erfolgen die ersten umfassenden Sanierungsmaßnahmen durch LVB und die Stadtverwaltung. Dabei wurden die Gleise ausgewechselt und der motorisierte Verkehr und die Straßenbahn durch Borde oder Markierungen getrennt. Ziel war es in beide Richtungen eine überbreite Richtungsfahrbahn zu installieren und eine Parkspur. Wobei für letztere Unklarheit herrschte, wie diese anzuordnen sei und ob sogar Fußwegparken erlaubt werden. Somit wurde schnell klar, dass sowohl für den Fußverkehr als auch für den Radverkehr keine Besserungen geplant wurden. Auch Wünsche nach Baumpflanzungen blieben unerfüllt. Somit wurde der damalige triste Charakter der Straße erst einmal verfestigt. Dennoch konnten die Sanierungsmaßnahme der Straße den Verfall nicht aufhalten. Die Konzentration der Stadtverwaltung auf die Städteplanung der Innenstadt ab Mitte der 1990er und die Sanierung der Bahnbrücke, die ein Einbahnstraßen-Umleitungssystem aufwies, dass potenzielle Kundschaft nicht zurück zur Georg-Schumann-Straße, beschleunigten den Niedergang der einstigen Geschäftsstraße. Dabei würden sich die Baumaßnahmen 1998/99 fortsetzen und eine weitere Einschränkung für den Kundenstrom bedeuten. Oft musste der Bürgerverein gegenüber der Stadtverwaltung bemängeln, dass die betroffenen Händler später oder gar nicht über die Baumaßnahmen informiert und somit kalt erwischt wurden. Wirtschaftlich machte sich daher in Gohlis Hoffnungslosigkeit breit.

Mit einer Informationsveranstaltung der LVB am 17. Februar 2000 begann der langersehnte Umbau der Georg-Schumann-Straße. Gerade bei den Gewerbetreibenden stand dabei die Angst im Vordergrund, dass Sanierungsfehler wie in der Delitzscher Straße ebenso zu einem Sterben der Händler in der Georg-Schumann-Straße führen könnte. Auch wenn geplant war, bis November 2000 mit dem Umbau fertig zu sein und somit das Weihnachtsgeschäft nicht zu behindern, konnten die Gewerbetreibenden in ihrem Bedürfnis nach einer konkreten Terminierung der Baumaßnahmen in den einzelnen Bauabschnitten nicht zufriedenstellend informiert werden. Am 19. Juni trafen dann die Vertreter:innen der Stadtverwaltung, der IHK und der Gewerbetreibenden aufeinander. Die Stimmung war weiterhin von erwartungsvoll bis gereizt. Die LVB vermeldete weiterhin das Ende der Baumaßnahme Anfang Dezember 2000. Dies reiche aber gerade in den Augen der Gewerbetreibenden nicht aus, die aktuelle Situation der Händler:innen zu stabilisieren oder zu verbessern.

Im Mai 2014 fanden sich Gewerbetreibende, Hauseigentümer:innen und engagierte Bürger:innen zusammen, um einen Förderverein Geog-Schumann-Straße zu gründen. Dessen Ziel sollte es sein, eine attraktive, wohnens- und lebenswerte Magistrale zu schaffen. Eines der ersten Projekte des jungen Vereins war die dauerhafte Übernahme der Trägerschaft der jährlich stattfindenden Nacht der Kunst. Aber auch die Etablierung von „Leipzig liest an Leipzig längster Straße“ im Rahmen der Buchmesse war ein ambitioniertes aber erfolgreiches Vorhaben.

Am 17. August 2010 fand ein Bürgerforum zum Thema Zukunft der Georg-Schumann-Straße im Anker statt. Auf diesem verkündete der damalige Baudezernent zur Nedden die Einrichtung eines Magistralenmanagementes – die Grundsteinlegung für das ca. 20 Jahre andauernde Konzept. Ziel sollte es sein, die Infrastruktur zu verbessern, die Bürgergesellschaft zu stärken, qualifizierte Freizeitangebote zu etablieren und die Wirtschaft zu stabiliseren. Der Bürgerverein kritisierte dabei scharf, dass das bestehende Konzept zu stark auf temporäre Maßnahmen ausgerichtet war sowie die Idee an 4 räumlich sehr weit auseinanderliegenden Punkten – Anker, Huygensplatz, Chausseehaus und Möckernscher Markt – Experimentierstandort zu etablieren, die Austrahlcharakter auf den Rest der Straße haben sollten.

Nachdem das erste Team im Magistralenmanagement die Grundlage legen konnte, mit der Vernetzung und Aktivierung einer Vielzahl an Bürger:innen, Händer:innen und Inititaiven für die Revitalisierung der Schumann-Straße zu gewinnen und kleinere und größere Projekte anzustoßen, ging das Projekt in eine neue Phase über – einem stärkeren Fokus auf die Unterstützung von Gewerbetreibenden und Immobilienbesitzer:innen umd eine Belebung der vieleln leer stehenden Gebäude zu realiseren und den Bereich Wirtschaft, Standort- und Leerstandsvermittlung noch stärker im Magistralenmanagement zu verankern.

Radverkehrsverbindung Bahnbogen Nord

Wer heute durch Gohlis mit dem Fahrrad fährt, dem geht es nicht viel besser als in anderen Leipziger Stadtteilen. Es gibt zwar zunehmend Fahrradwege, allerdings sind diese meistens auf breiten Straßen wie der Gohliser- oder der Coppistraße zu finden. Dann hören diese Radwege vielmals einfach mitten auf der Straße auf, wie an der Kreuzung Georg-Schumann-Straße/ Lützowstraße oder Georg-Schumann-Straße/ Lindenthaler Straße. Vielfach sind sie allerdings gar nicht zu finden, wie auf der Breitenfelder Straße entlang des Kauflands. Warum soll es in Gohlis den Radfahrern auch anders ergehen? Die Aufschrift „Fahrradstraße“, wie man sie aus einigen anderen Stadtteilen Leipzigs kennt, sucht man allerdings vergebens und das, obwohl wir in Gohlis eine prädestinierte Strecke dafür haben.

Die Radverkehrsverbindung entlang des „Bahnbogen Nord“ hat der Bürgerverein Gohlis schon frühzeitig seit Bestehen und regelmäßig im Zusammenhang mit zwei großen Bauprojekten im Stadtteil thematisiert. Mitte der 90er Jahre schon haben sich Mitglieder in der AG „Umwelt, Verkehr und Ordnung“ für sichere und zusammenhängende Radwege in Gohlis eingesetzt. In der Ausgabe vom August 1998 titelte der damalige „Gohliser“ (Vorläufer des Gohlis Forums) „Wem’s zu wohl ist, der radelt durch Gohlis“ und wollte damit auf die schlechte Situation für Radfahrer hinweisen.

Das erste Projekt in der damaligen Zeit war der Umbau der Georg-Schumann-Straße. Mit mehr als fünf Kilometern ist die Trasse durch den Leipziger Nordwesten nicht nur die längste in der Stadt. Diskutiert wurden die Umbaumaßnahmen mit Beteiligung des Bürgervereins, welcher unter anderem regelmäßig Bürgeranhörungen in der Planungsphase veranstaltete. Frühzeitig wurden die misslichen Zustände des Radwegs auf der Straße angesprochen und die daraus resultierenden Gefahren für Radfahrer. Interessanterweise waren damals die Problemstellen entlang der Georg-Schumann-Straße schon die gleichen wie heutzutage. Für die Autofahrer wurde mit der Fertigstellung der B6 (Max-Liebermann-Straße) eine akzeptable Lösung gefunden. Was blieb für die Radfahrer?

Das zweite Projekt war die Festlegung von Gohlis-Süd als Sanierungsobjekt zum Erhalt der Altbauten in diesen Gemarkungen. Auf der Karte kann man leicht erkennen, dass der Bahnbogen Nord (oder auch „Gohliser Bogen“) die nördliche Grenze des Sanierungsgebietes Gohlis – Zentrum Nord II darstellt.

Die Strecke durch Gohlis mit dem Start direkt am Budde-Haus und Sitz des Bürgervereins, entlang der S-Bahn ist vielen Ortskundigen ein Begriff. Guckt man allerdings auf das heutige Resultat, erkennt man leicht, dass der Bahnbogen Nord nicht in eine Fahrradstraße oder ähnliches transformiert wurde. Natürlich lassen sich aus heutiger Sicht die Dinge einfacher bewerten. Zumal, und das wird auch in den älteren Ausgaben des Gohlis-Forums deutlich, es vermutlich keine einheitliche Planung für die Radstrecke (analog der B6 für Autofahrer) gegeben hat. Beispielsweise gab es zur Fertigstellung des Sportplatzes an der Sasstrasse die erfreuliche Meldung der Fertigstellung im Gohlis Forum vom November 1999. Folgen Radfahrer der Strecke, gilt es jetzt viele sehr befahrene Straßen zu überqueren, bevor man über die Lindenthaler-, Breitenfelder- und Wiederitzscher Straße auf das heute noch unwegsamste Teilstück kommt. Am Gartenverein Schreber-Hauschild vorbei, gelangt man schließlich über den Fußweg an der S-Bahn entlang auf die Georg-Schumann-Straße.

Wo das letzte Teilstück an der Stadtteilgrenze zu Möckern auf die Georg-Schumann-Straße mündet, kann man heute der Laubestraße und dem Heuweg folgen und ist direkt auf dem Luppedamm. Die Übergänge an den Straßen und Kreuzungen zwischen den Teilstücken muss man allerdings ohne gute Ausschilderung und ohne Radwegmarkierungen meistern.

Hieraus lässt sich schließen, dass eine einheitliche Planung des Radweges (noch) nicht umgesetzt wurde. Aus heutiger Sicht ist dieses sicherlich sehr bedauerlich, denkt man nur an den geplanten Radschnellweg Halle-Leipzig, größtenteils entlang der S-Bahnlinie 3 nach Halle (radschnellweg.org). Der Bahnbogen Nord wäre ein idealer Zubringer oder Weiterverteiler dieses Weges. Der Radschnellweg soll in verschiedenen Bauabschnitten realisiert werden. Erst wenn der finale Streckenverlauf klar ist, die formellen Genehmigungsverfahren abgeschlossen sind und die Mittel für den Bau bereitstehen, wird die Umsetzung des Projektes beginnen. Ein konkreter Zeitpunkt oder -plan ist derzeit allerdings noch nicht benannt.

Planungen für die Line 6 in Gohlis Süd

Ein besonderer Aufreger Mitte der 90er Jahre waren die Planungen des Streckenverlaufs der Linie 6 (heute Linie 4) zwischen Georg-Schumann-Straße und Platnerstraße. Dabei legte die Stadtverwaltung im Mai 1995 Untersuchungsergebnisse in Form von 3 Varianten vor. Zwei der drei Varianten sahen die Streckenführung über die Eisenacher Straße ohne Eingriff in die vorliegende Bausubstanz. Die dritte Variante hatte es aber in sich. Diese sah die kürzestes Verbindung in Form eines direkten Durchbruchs der Strecke quer durch die Bergartenstraße, Lüderstraße, Knauerstraße, Endnerstraße bis zur Ecke Lindenthaler und Wolfner Straße vor. Gastronomische Einrichtungen wie die Drogerie oder das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Frida hätte es somit nie gegeben! Denkmalgeschütze Gebäude und Bäume wären ebenso zum Opfer der Variante gefallen wie die deutliche Trennung zwischen privatem und öffentlichen Raum, welche Kennzeichen des ÖPNVs ist. Absurder weise wäre diese Variante doppelt so teuer gewesen wie die anderen beiden Varianten, würde aber zu 75% von Bund und Land gefördert, da es sich um eine sogenannte „Beschleunigungsvariante“ (1,5 Minuten) handelte. Daher lud der Bürgerverein am 28. November 1995 zu einer Bürgerversammlung ins Gemeindehaus der Friedenskirche ein. Eine explosive Stimmung erzeugte die Stadtverwaltung unter den 100 anwesenden Bürger:innen mit der Ankündigung der Durchbruchvariante 3 den Vorzug gegeben und sogar schon ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet zu haben. Selbst betroffene Gründstückseigentümer:innen erfuhren darüber erst an diesem Tag oder aus der Presse. Ziel der Stadtverwaltung war es bis Herbst 1996 einen städtebaulichen Vorentwurf auszuarbeiten und dann 1997 die bearbeiteten Pläne nach Auslegung gegenüber den Bürger:innen als Bebauungsplan zu veröffentlichen. Bemerkenswert dabei war, dass die anwesenden Gohliser:innen forderten, dass die „Bimmeln nicht schnell sondern regelmäßiger und pünktlicher“ gebraucht werde. Ein Punkt, den die LVB scheinbar selbst nach 30 Jahren nicht verstanden hat, sieht man deren Präferenzen zum (Haltestellen)Ausbau zwischen Lützwostraße und Chauseehaus. Am Ende konnte Mitte 1996 nach massiven öffentlichen Druck die Variante 3 verhindert werden. Realisiert wurde die auch vom Bürgerverein unterstütze Variante 2 in der heute bekannten Linienführung.

Handschwengelpumpen in Gohlis

Schon 2001 begann der Bürgerverein Gohlis, sich mit dem Thema der Handschwengelpumpen im Viertel zu beschäftigen. Dazu veröffentlichte der Verein im Gohlis Forum zwei Beiträge zu der allgemeinen Geschichte der Pumpen in Leipzig, um den interessierten Leserinnen und Lesern einen Einstieg in das bisher unbekannte Thema zu geben. Die Autorin zeigte dabei auf, dass schon Anfang des 13. Jahrhunderts auf Plätzen und Straßen über Grundwasserbrunnen Wasser für die Bevölkerung aber auch für Tiere als Tränke und als Feuerschutz zu Tage befördert wurde. Anfangs waren die Brunnen nur mit einem hölzernen Deckel verschlossen. Die schütze aber nicht davor, selbst in den Brunnen zu fallen oder dass das Wasser verunreinigt wurde. Daher begann man im 16. Jahrhundert, die Brunnen mit einer Pumpvorrichtung zu überbauen. Dies erleichterte das Befördern des Wassers und schütze vor Verunreinigungen. Erst 300 Jahre später ersetzte man in Leipzig die Pumpengehäuse aus Holz durch Gusseisen. Auch die hölzernen Brunnenschächte wurden stark durch Vermoderung angegriffen und daher modernisierte die Stadt in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Pumpen. Im Brunnenschacht wurden Metallkonstruktionen eingebaut und darauf die verschiedenen gusseisernen Gehäuse aufgesetzt. Heute sind in der Stadt noch acht unterschiedliche Gehäusetypen vorhanden. Davon viele in desolatem Zustand. Daher hat sich der Bürgerverein zum Ziel gesetzt, sich für den Erhalt der Standorte in Gohlis einzusetzen.

2006 berichtete der Bürgerverein im Gohlis Forum über die Pumpe vom Typ „Kleiner Löwe“, die in der Virchowstraße Ecke Daumierstraße stand und leider beschädigt wurde. Dabei brachen Unbekannten das Gehäuse der Pumpe ab. Dem Tiefbauamt bliebt nichts weiter übrig, als den Fuß sauber abzuschneiden und den unscheinbaren Stumpf übrig zu lassen. Damit existierten 2006 nur noch 7 Pumpen in Gohlis – um 1900 gab es in Leipzig 282 dieser öffentlichen Handschwengelpumpen!

Der Bürgerverein, der sich nicht nur theoretisierenden mit der Stadtteilgeschichte beschäftigte, sondern auch anpacken wollte, hat daher gemeinsam mit der Erich Kästner-Schule einen Spendenlauf ins Leben gerufen, um die mittlerweile demontierte Pumpe an der Fritz-Seger-Straße zu restaurieren. Die Pumpe vom Typ Vogelkäfig musste im März 2020 abgebaut werden, da die Beschädigungen zu massiv waren, um eine Betriebstauglichkeit herzustellen. Am 16. Oktober 2020 fand der besagte Spendenlauf auf der Sportfreifläche in der Sasstraße statt. Knapp 350 Schülerinnen und Schüler erliefen dabei 18.000€ wovon die eine Hälfte für ein Spielgerät der Kästner-Schule und die andere Hälfte für die Sanierung der Pumpe genutzt werden sollte. Die inhaltliche Auseinandersetzung der AG Stadtteilgeschichte des Bürgervereins mit dem Thema Handschwengelpumpen wurde dann in eine Ausstellung überführt und der Kästner-Schule übergeben, damit diese an den Außenfenstern des Schulgebäudes für alle Interessierten einsehbar war.

Darüber hinaus kamen von privaten Spenderinnen und Spender weiter Beträge zusammen, so dass bisher knapp 14.000€ an zweckgebundenen Spenden für die Pumpe in der Fritz-Seger-Straße zur Verfügung stehen.

Die Zusammenarbeit des Bürgervereins mit Leipzig gießt, Leipzig pumpt, weiteren Bürgerverein und dem Arbeitskreis Gohliser Geschichte des Leipziger Geschichtsvereins im Rahmen der Koordinierungsgruppe Handschwengelpumpen hat dabei in Kooperation mit der Bau und Service Leipzig GmbH, die die technische Seite dieses Projektes betreuen, weitere Erkenntnisse für eine erfolgreiche Sanierung oder Neuinstallation gebracht. Dabei stehen Fragen der Finanzierung und der alternativen Herstellung von Ersatzpumpen im Fokus. Gerade weil die Herstellung aus Gusseisen zu teuer und aufwändig sind, wird nach alternativen Einsatzmethoden modernster Art gesucht. Dies kann dabei helfen, die Pumpe in der Fritz-Seger-Straße als ein Art Modellprojekt für eine erfolgreiche Sanierung ins Auge zu fassen.

Schillerhaus

Neben dem Gohliser Schlösschen setzte sich der Bürgerverein auch für den Erhalt und die Sanierung des Schillerhauses ein. Als eines der ältesten erhalten gebliebenen Bauernhäuser in Leipzig drohte dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude die Schließung. Diese erfolgte leider schon 1995, da die Decke des Schillerhauses drohte einzustürzen. Insekten und Schwamm zerstörten damals die Holzkonstruktion des Fachwerkhauses und das Dach. Auf 660.000 DM wurden die Sanierungskosten beziffert. Der Bürgerverein wandte sich sogar eindringlich mit dem Anliegen an den damaligen Beigeordneten für Kultur Dr. Georg Girardet. Der Verein bewirkte damit, dass bei der Stadt Leipzig endlich ein Spendenkonto eingerichtet wurde. Am 5. Juni 1997 fand zusätzlich ein Benefizkonzert im Kunstauktionshaus Leipzig in der Gohliser Straße statt. Gleichzeitig bot der Bürgerverein Bilder des Gohliser Malers Willy Seybold an, die dem Verein von dessen Witwe zweckgebunden überlassen wurden. Aber auch die die Schillergesellschaft, viele Bürger:innen und Einrichtungen beteiligten sich an dem Spendensammlungen. So spendeten beteiligte Künstler:innen der Gohliser Musiktage ihr Honorar oder das Funkenburtrio veranstalteten ein Benefizkonzert. Enorme Strahlkraft hatte die Silvesteraufführung der 9. Sinfonie 1997 im Gewandhaus. An die Verbindung erinnernd, dass das große Opus von Beethoven mit dem Text aus Schillers Ode „An die Freude“ auch in Gohlis Wurzeln hat, ließen Prof. Kurt Masur und die Mitglieder des Gewandhausorchesters die Erlöse der Generalprobe den Sanierungsarbeiten des Schillerhauses zugutekommen.

Es gelang dem Bürgerverein über 115.000 DM an Spenden zu sammeln und somit eine Kofinanzierung für weitere Förderungen sicherzustellen. Somit konnte 1998 bzw. 1999 eine Wiedereröffnung des Schillerhauses realisiert werden. Damit wurde die Basis der bis in die Gegenwart andauernden guten Zusammenarbeit zwischen dem Bürgerverein und dem Schillerhaus gelegt. Gleichzeitig verdeutlicht es das Bewusstsein des Vereins für dieses besondere Kleinod in unserem Stadtteil.

Stadtteilentwicklung allgemein

Schon früh machte sich der Bürgerverein ausgehend von Gohlis Süd im Bereich Stadtteilentwicklung stark. Das war auch nötig. Das städtebauliche Erbe, dass er Verein Anfang der 1990er vorfand, war ernüchternd. Die Bausubstanz viele Gebäude war in durchweg problematischen Zustand, standen leer oder waren wie das Schillerhaus aus bautechnischen Gründen auf nicht absehbare Zeit geschlossen. Auch die öffentlichen Bereiche historischer Orte wie dem Gohliser Schlösschen, dem Schillerschlösschen oder der Alten Mühle waren nicht mehr zugänglich. Auch die Nutzungssituation, die der Verein vorfand, war sehr unbefriedigend – bestehende kulturelle und gastronomische Einrichtungen sind geschlossen und mahnte eine Verödung des öffentlichen Raumes an. Daher setzte sich der Bürgerverein dafür ein, dass ein umfängliches Sanierungskonzept zur Revitalisierung öffentlichen Raumes und einer Urbanisierung ein. Optimismus stand in diesen Jahren im Vordergrund, der Verein sah eine Vielzahl an Potenzialen – der topografischen Struktur sowie den noch rudimentär vorhandenen kulturell und gastronomischen Nutzungsmix – um aus Gohlis ein vitales Quartier mit besonderen Impulsen zu machen.
So wurde schon 1993 die alte Ortslage am Gohliser Anger (Menckestraße) in das Bebauungsplan-Gebiet Gohlis-Zentrum-Süd aufgenommen. Seit 1995 galt für weite Teile der alten Ortslage eine Veränderungssperre. Hier setze sich der Verein ein, diese in eine Erhaltungssatzung zu überführen. Im Fokus stand dabei, die drei zentralen touristischen Punkte aus Gosenschenke, Gohliser Schlösschen und Schillerhaus in ein entsprechendes städtebauliches Ambiente einzubinden. Dabei sollte es darum gehen, die alte Ortslage in deren vielfältigen Gestalt zu erhalten und mit einer stärkeren Durchmischung aus Läden, Dienstleistungen und Wohnen aufzuwerten. Der kompromisslose Denkmalschutz der historischen Bausubstanz war dabei eine Grundüberzeugung des Bürgervereins. Auch den Konflikt mit den Leipziger Wohnungsgenossenschaften scheute der Verein dabei nicht, als in dessen Auge die Abstimmung dieser mit der Stadtverwaltung im Sinne des sozialen und altersgerechten Wohnungsbau nur unzureichend vorankam.
Der Bürgerverein kritisierte früh, dass die im gesamten Bereich von Gohlis existierenden Baulücken und der relativ hohe Anteil an schlechter Bausubstanz und Ruinen oft bei Sanierungen oder Lückenschließung freier Standorte den städtebaulich-architektonischen Ansprüchen gerecht wurden. Gerade die vielen vorhandenen Wohnhöfe sollten wieder ihrem ursprünglichen Nutzungszweck überführt werden und durch Entsiegelung von Wohnhöfen, Rekultivierung von Vorgärten und Straßenbegrünung die Lebensqualität im Stadtteil gesteigert werden. Schon Anfang der 90er warnte der Bürgerverein vor ständig ansteigenden Autoverkehr und forderte ein Fuß- und Radwegekonzept. Für einen großen Teil der Mietshausbebauung wurde ein erheblicher Sanierungsbedarf festgestellt. Daher setzte sich der Verein früh für die Festlegung eines Sanierungsgebietes ein.

Sanierung und Stadtteilentwicklung Gohlis
Leider musste der Bürgerverein schnell merken, dass im Widerstreit der planerischen Vorstellungen der Stadtverwaltung, den Zielen der kommunalpolitischen Entscheidungsträger:innen im Rat und den Interessen der privaten Investor:innen die Anliegen der Bürger:innen oft den das Nachsehen hatten. Der Verein forderte stets, dass Bürger:innen nicht nur Objekte sondern auch Subjekte in den Entscheidungsprozessen sein wollen. Dennoch nutze der Vereine seine Präsenz, die Interessen der Gohliser:innen in die Entscheidungsprozesse einzubringen. Schon auf einem Forum zur 675-Jahrfeier wurde dem damaligen Stadtrat Gormsen und Amtsleiter Gerkens die Potenziale der konstruktiven und kritischen Bereitschaft der Bürger:innen vor Ort vor Augen geführt. 1993 versuchte der Bürgerverein daher in den Text der Beschlusslage für die bauliche Entwicklung des Stadtteils die „wesentlichen Teilschritte des Sanierungsgeschehen in Gohlis […] nach Möglichkeit die Meinungen, Anregungen, Vorschläge und Wünsche der betroffenen Bürger von Gohlis, insbesondere des Bürgervereins Gohlis e.V. bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen“ (Gohliser 1/1993). Der Bürgerverein beließ es aber nicht nur mit solchen Formellen Schritten, sondern brachte sich konkret ein. Schon auf dem 2. Stadtteil veranstaltete der Verein eine öffentliche Gesprächsrunde mit Vertreter:innen des Planungsamtes, des Amtes für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung, des Referates für Denkmalschutz und interessierten Gohliser:innen. Dabei wurde schnell klar, dass der schwierige Part sein, eine Balance zwischen Denkmalschutz und zügiger Sanierung zu finden. Einig war man sich aber schnell, dass kritisiert wurde, wenn „Besitzer ihr Haus entgegen den Denkmalschutzbestimmungen schweinchenrosa oder himmelblau streichen lassen, wenn baustilfremde Plastefenster eingesetzt werden, wenn große Werbetafel den Blick auf die Sehenswürdigkeiten von Gohlis verstellen.“ (Gohliser 14/1993). Gerade die Arbeitsgruppe Stadtteilentwicklung des Bürgervereins tat sich darin hervor, eine Denkmalschutzliste für Gohlis zu erstellen und Mieter:innen über diesen Zustand zu informieren. So sollte verhindert werden, dass dem Denkmalschutz widersprechende Sanierung erfolgen. In vielen Fällen konnte dies eben wegen jener Liste und dem Engagement der Mieter:innen verhindert werden.

Auch wenn die Stadtverordnetenversammlung am 31. März 1993 beschloss, bei wichtigen Teilschritten des Sanierungsgeschehen die „Meinungen, Anregungen, Vorschläge und Wünsche betroffener Bürger zu berücksichtigen.“ So musste der Bürgerverein als Sprachrohr der Gohliser:innen dies immer wieder einfordern. Nicht immer gelang dies – so beim Bau von Häusern im Poetenweg oder der Förderung gewerbsmäßiger Prostitution im Ortsteilzentrum und in der Nähe von mehreren Schulen in der Gothaer Straße. Gerade letzteres schlug hohe Wellen. Schon im März 1993 hatte der Stadtrat das Gebiet zwisschen Elsbethstraße und Berggartenstraße zum Sanierungsebiet „Gohlis Zentrum“ erklärt und festgelegt, dass „die weitere Ansiedlung von Vergnügungsstätten (z.B. Spielstätten, Bordelle, Sex-Shops) zu verhindern sind.“. Dennoch sah das Ordnungsamt Anfang 1994 keine Hinderungsgründe die Anfrage eines Investors zur Einrichtung eines Bordells in der Gothaer Straße positiv zu bescheiden und das entgegen den Vorgaben der Sanierungssatzung und dem Flächennutzungsplanes.

Bürgerforen gehörte sehr früh einer Form der Vereinsarbeit. Am 26 August 1994 lud der Bürgerverein Vertreter:innen des Amtes für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung, des Grünflächenamtes und des Stadtplanungsamtes um über die Entwicklungen seit dem letzten Forum zum Denkmalschutz zu berichten. So konnte von fast 1.000 der Denkmalschutzstatus ermittelt werden und dies dann den Mieter:innen mitgeteilt werden. Aber auch die eigens erarbeitete Gestaltungs- und Erhaltungssatzung zur Rettung des alten Dorfkerns von Gohlis wurde vorgestellt. Leider musste der Bürgerverein mit Nachdruck auf eine ausreichende Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung von Seiten der Ämter bei Bau- und Sanierungsmaßnahmen einfordern – ein Thema, dass sich mühsam durch die Arbeit des Bürgervereins der nächsten 30 Jahre ziehen sollte. Der Stadtverwaltung muss man zum damaligen Zeitpunkt zugutehalten, dass offene Fragen zum Wohnen, zu Mieten, zu Grünräumen oder zu alternativen, altersübergreifenden Wohnformen leider nicht in der Leipziger Stadtverwaltung sondern in Dresden oder Bonn zu klären seien.

Städtebau geht vor Baumschutz
Das Wohnqualität nur Hand in Hand mit Grünen Farbtupfern gehen kann, wusste der Bürgerverein schon sehr früh. Daher setzte er sich dafür ein, dass bei allen städtebaulichen notwendigen Maßnahmen das Beton nicht das prägende Element des Stadtteilbildes sein sollte. Wie viele Themen der 90er Jahre war auch dies mühsam. Die Ecke Sasstraße Blumenstraße wurde nicht nur von den Trümmern der dortigen Gründerzeitvilla befreit, sondern die umstehenden Bäume wurden mit Genehmigung der Stadt gleich mit entfernt. Ein weiteres Problemgebiet war Mitte der 90er Jahre die Franz-Mehring-Straße. Diese war zwar im Grünstrukturplan als Grünflächenverbund zwischen den Grünbereichen Gohliser Bogen (Gebiet entlang Bahnlinie) und nördliche Rietzschkeaue ausgewiesen und daher sicherte die Stadtverwaltung zu, diesen Abschnitt nur in „offener“ Bauweise (d.h. Einzelhäuser mit Zwischenräumen für Anpflanzungen) zu bebauen. Einfallsreiche Investor:inen umgingen dies aber, indem nebeneinander liegende Grundstücke erworben wurde. So wurden Gebäude über bis zu vier Grundstücke gestreckt. Gerade die Bebauung der westlichen Franz-Mehring-Straße ab Coppiplatz überschritt die Schmerzensgrenze der Gohliser:innen und des Bürgervereins – ein massives Eckgebäude mit geschlossener Anschlussbebauung schuf eine grünlose Hinterhofschlucht ohne Gleichens.

Weil bei Sanierungen immer wieder große Baumbestände Neubauten weichen mussten oder Sträucher in den Höfen und Vorgärten Sanierungsmaßnahmen zum Opfer fielen, organisierte der Bürgerverein am 9. August 1996 im Budde-Haus ein Bürgerforum „Gohlis – grün oder grau?“. Im Fokus stand dabei die weitere Entwicklung entlang des Gohliser Bogens entlang der Lützowstraße und Breitenfelder Straße, dessen Realisierung mit Aufstellung eines Bebauungsplanes 1993 infrage gestellt wurde. Aber auch ein Rad- und Fußweg entlang der Güterbahnlinie zwischen Sasstraße und Breitenfelder Straße wurde gefordert.
Bürgerfreundliche komplexe Stadtteilentwicklung in Gohlis oder gewinnorientierter Kahlschlag und Wildwuchs?

Früh warnte der Bürgerverein, dass neben dem Wegfall der stadtteilspezifischen Funktion des Arbeitens im Quartier weitere Funktionsverluste drohten. So stellte sich der erhoffte Fördermittelzufluss nicht in dem Maße ein, so dass im festgelegten Sanierungsgebiet Gohlis die selbstgesteckten Ziele nicht mehr einzuhalten waren. Folgen waren der erhebliche Verlust der Händler- und Gewerbetreibendenstruktur speziell auf der Georg-Schumann-Straße sowie die Einschränkung infrastruktureller Rahmenbedingungen für die Bürger:innen. Die Etablierung eines komplexen „Stadtteilzentrum Gohlis“ rückte somit in die Ferne. In den Augen des Bürgervereins reichten die Gohlis Arkaden eben nicht aus, um diesem Ziel gerecht zu werden. Dabei konzentrierte sich die Kritik des Vereins auf einen Mangel an Komplexitätsorientierung bei der Entwicklung des Stadtteils. Stattdessen wurden selektiv Investor:inneninteressen für vereinzelte Objekte Vorrang gegeben. Gerade Pläne für die Bebauung nördlich der Sylter Straße, welche ein Landschaftsschutz- und Wassereinzugsgebiet entgegen dem Flächennutzungsplanes entwickeln würden, stießen auf entschieden Widerstand in Gohlis. Aber auch der Mangel an sozialen und kulturellen Einrichtungen wie Jugendclubs, Sporteinrichtungen, Begegnungsstätten oder Spielplätzen kennzeichnete nach Meinung des Vereins eine Vielzahl der Planungen. Aber auch die mangelhafte Umsetzung von Selbstbindungen im Bereich der Bürgerbeteiligung durch die Stadtverwaltung führten dazu, dass der Bürgerverein bei Bauvorhaben in der Stallbaumstraße, Herloßsohnstraße, Poetenweg,, Blumenstraße oder Sasstraße nicht oder nur ungenügend informiert und eingebunden wurde. Am Ende wurden so die Anregungen, Hinweise und Wünsche der Gohliser:innen auf Abstand gehalten und die Stadtverwaltung konnte ihre eigene Linie durchziehen.
Der Bürgerverein erreichte es, dass am 25. November 1998 auf einem Bürgerforum die konkretisierten Sanierungsziele (beschlossen 1993) für das Sanierungsgebiet Gohlis-Zentrum und Gohlis-Zentrum-Nord II entsprechend der Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten vorgestellt wurden, da sich diese seit Beginn der Sanierung erheblich verändert hatten. Im Fokus stand dabei wichtige städtebauliche, verkehrsorientierte, soziale und umweltschutzrelevante Prämissen festzulegen, die alle das Ziel haben sollten, die bauliche und funktionale Missstände zu beseitigen und die Eigenarten und positiven Charakter des Viertels zu erhalten. Hierzu bewies der Bürgerverein wieder durch Kärrnerarbeit „auf der Straße“, dass es ihm wichtig war, den Meinungsspiegel der Gohliser:innen einzufangen. Dazu wurden im gesamten Sanierungsgebiet mit Handzettel über die geplante Veranstaltung und die Möglichkeit der Einbringe informiert. Neben viel Anerkennung für geleistete Sanierung und Erreichen von Sanierungszielen blieb weiterhin ein gewichtiger Kritikpunkt des Bürgervereins, dass die Erhaltungssatzung und ein Bebauungsplan für den Alten Ortskern vermisst wurde. Dabei hatte der Verein eigens einen Vorschlag vorgelegt. Doch dieser verschwand irgendwann den in den Schubladen des Baudezernenten. Weiterhin vermisste der Bürgerverein eine Lösung für die fehlenden Radverkehrswege auf der Georg-Schumann-Straße sowie der Lindenthaler und Breitenfelder Straße. Großer Zweifel wurde angebracht, ob für das geplante Einkaufszentraum auf dem ehemaligen Brauereigelände mit der geplanten Verkehrslösung der Zufahrt über die Breitenfelder Straße wirklich die praktikabelste sei.

Maßnahmenplan Gohlis Süd gefordert
Am 19. Januar 2001 kamen Bürger:innen, der Verein sowie Vertreter:innen des Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung zu einer Stadtteilwerkstatt zusammen. Die Erfahrung, dass Bürgerbeteiligung bei Widerspruch ignoriert und bei Zustimmung gefeiert wurde, zog sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der letzten Jahre. Dennoch blickte der Bürgerverein nach vorne und gab den Vertreter:innen des Amtes den Wunsch mit, dass die Ergebnisse der Werkstatt als Maßnahmenkatalog zur Umsetzung zu bringen sei. Dabei standen folgende Punkte im Fokus: Aufwertung der Georg-Schumann-Straße zur Geschäftsstraße, Stärkung des Stadtteilzentrums auf dem ehemaligen Brauereigelände, Aufwertung von Brachflächen u.a. durch Zwischennutzung für Kinder und Jugendliche, Wohnumfeldsverbesserungen u.a. durch stärkere Durchgrünung und wohnortnahe Spielplätze, Schaffung von Treffbereichen für Kinder und Jugendlichen wie Rollerskatbahne, die weitere Sanierung von Straße und die Verbesserung der Verkehrsbedingungen. Auch der Bürgerverein musste anstaltslos zugeben, dass sich im Sanierungsgebiet vieles getan hatte. Häuserfassaden sind neu entstanden, Straßenraum in der Wiederitzscher Straße, unteren Lindenthaler Straße sowie Sastraße und Elsbethstraße wurde gestaltet und neue öffentliche Spiel- und Sportplätze wurden eingerichtet. Nach der Festigung der Grundstrukturen ging es darum, die teilräumlichen Probleme zu bekämpfen. Auch wenn der Maßnahmenplan mit Bürgerbeteiligung erstellt wurde, so lag das finale Paket dann ohne Rückkopplung der Beteiligten vor. Erneut eine Enttäusche des Bürgervereins im Bereich der Bürgerbeteiligung in der Stadt Leipzig. Leider fiel dabei schnell auf, dass gerade der Bereich der Georg-Schumann-Straße zwischen Gohlis-Arkaden und Bothestraße unterbelichtet war. Gerade die Entwicklung des ehemaligen Brauereigeländes schien auf unbestimmte Zeit verschoben worden zu sein. Auch die Idee der Schaffung von Freizeit- und Sportanalagen wurden nicht konkretisiert.
Immer wieder musste der Bürgerverein daraufhin weisen, dass bei geplanten Bauvorhaben die spezifische historische Kulisse von Gohlis nicht in Mitleidenschaft gezogen würde. Gerade in Gohlis Süd um den Alten Anger war dies leider ein Dauerbrenner. Gerade auf das Bauvorhaben eines Wohn- und Geschäftshauses Bergartenstraße 1/Schillerweg 2-4 musste der Bürgerverein entschieden Einwände machen (März 2011). Zum einen musste für die geplante Einfahrt der Tiefgarage eine Vielzahl an Grünem weichen und zum anderen sollte diese im Schillerweg erfolgen, wodurch die Verkehrssituation in diesem Bereich noch mehr belastet und die Straßengesatltung durch die gohlistypische Vorgärten verhindert werden würde. Auch die geplante Bauhöhe von 16 würde komplett von der umliegenden Gebäudeflucht abweichen. Auch hegte der Bürgerverein Zweifel an der gesamten Einordung des geplanten Gebäudes in das Areal um Schillerweg und Kirchplatz. Diese Bedenken wurden sogar vom Stadtplanungsamt geteilt.