von Ursula Hein

Ein kleiner Menschenauflauf in der Schorlemmerstraße, mehr als dreißig Menschen versammeln sich vor der Hausnummer 8, um der Enthüllung einer Gedenktafel für den berühmten Typographen und Buchgestalter aus Gohlis beizuwohnen. In der Halleschen Straße, der heutigen Georg-Schumann-Straße, ist er auf die Welt gekommen, in der Fritzschestraße, der heutigen Schorlemmerstraße, hat er gewohnt, bevor es ihn nach Berlin zog. 1933 musste er gemeinsam mit seiner Frau vor den Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen. Er blieb dann in der Schweiz, stattete seiner Heimatstadt nach dem Krieg noch mehrfach Besuche ab und erhielt 1965 für seine Verdienste um die Buchkunst den Leipziger Gutenbergpreis.

Hier in Gohlis standen an diesem kühlen, aber schönen Novembermorgen Susanne Kucharski-Huniat vom Kulturamt und Dr. Stephanie Jacobs, die Direktorin des Buch- und Schriftmuseums, gemeinsam mit dem Initiator der Plakette Gotthard Weidel, ehemaliger Pfarrer der Friedenskirche und Bürgerrechtsaktivist, vor der Tafel und fanden lobende Worte für den „Jahrhunderttypographen“ aus Gohlis, dessen Nachlass Frau Dr. Jacobs als Geschenk der Schwiegertochter des Geehrten jetzt im Museum aufarbeiten lässt. Die Sonderschau anlässlich dieser Schenkung ging im November zu Ende.

Es blieb aber nicht nur bei den üblichen feierlichen Worten. Nein, Herr Weidel lud die gesamte Feiergemeinde im Auftrag der Hausgemeinschaft von Nr. 8 und Nr. 10 in den Garten zur Kaffeetafel ein. Reichlich Kuchen und Kaffee, dazu noch Infomaterial vom Museum und dann auch noch die Einladung, sich eine kleine Ausstellung zu Jan Tschichold im Treppenhaus der Nr. 10 anzusehen.

Monika Hirsch, die Ehefrau des bekannten Gohliser Grafikkünstlers Karl-Georg Hirsch, erzählte uns, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann Jan Tschichold noch persönlich kennengelernt habe, als er zu einem Jubiläum der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig weilte. An diese Begegnung schloss sich ein jahrelanger Briefwechsel zwischen Hirsch und Tschichold an. Vor knapp zwei Jahren gratulierte das Gohlis Forum Karl-Georg Hirsch in einem längeren Beitrag zu seinem 80. Geburtstag. Jetzt war von der Verbindung zwischen zwei Gohliser Künstlern zu erfahren, dem einen, an den die Gedenktafel erinnert, und dem anderen, der weiterhin täglich in seinem Atelier vor den Toren von Leipzig tätig ist.

Der Bürgerverein hofft, dass sich weitere Gohliser nach dem Vorbild der Hausgemeinschaft um Gotthard Weidel für die Würdigung lebender oder verstorbener Gohliser Künstler und anderer Persönlichkeiten engagieren.