von Ursula Hein

1902 in der heutigen Schorlemmerstraße als Sohn des Schriftenmalers Franz Tzschichhold geboren, wurde er 1914 als Zwölfjähriger durch die BUGRA, die internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik, so beeindruckt, dass er sein Leben der Typografie widmete.

Nach dem Besuch des Lehrerseminars in Grimma schrieb er sich an der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig ein und begann sein Studium in der Schriftklasse von Hermann Delitzsch, wurde rasch Meisterschüler und unterrichtete ab 1921 selbst in der Abendschule.

Schon zwei Jahre später feierte er seinen Durchbruch mit dem Themenheft „elementare typographie“, gab hierin einen Überblick über die verschiedenen graphischen Schulen – der sowjetischen Konstruktivisten, des De-Stijl-Kreises um Theo Doesburg und der Typographen am Bauhaus. Diesem angehörte er jedoch nie an, wurde aber von den dort wirkenden Künstlern stark beeinflusst. Das Aufbrechen der alten Typografien, die Vereinfachung, die experimentelle Arbeitsweise begeisterten ihn, ohne dass er jedoch die Traditionen der Leipziger Grafik vergaß.

1926 wurde er Lehrer an der Münchener Meisterschule für Typografie, hatte große Erfolge mit seiner reduzierten Bildsprache für Filmplakate, Buch- und Umschlagsentwürfe für den sozialistischen „Bücherkreis“, seine ersten Schriften brachten ihm eher Achtungs- als materiellen Erfolge.

1931 schuf er die Schriften Zeus, Transito und Saskia sowie die Uhertype-Standard-Grotesk für ein frühes Fotosatzsystem. Mit Kurt Schwitters und vielen anderen gründete er 1928 den „Ring neue Werbegestalter“.
Nach großen Erfolgen in den 20er-Jahren musste er 1933 mit seiner Frau Edith vor den Nationalsozialisten in die neutrale Schweiz flüchten. Dort begann seine klassisch-modernen Phase als Gegenentwurf gegen die von der NS-Propaganda vereinnahmte moderne Grafik. Man verübelte ihm in Fachkreisen dieses Verhalten, als „Typografiestreit der Moderne“ wird diese Auseinandersetzung von 1946 mit dem Bauhausschüler Max Bill bezeichnet.

Ein Vortrag vor dem „Double Crown Club“ 1937 in England brachte ihm viel Zustimmung. 1947 ging er für zwei Jahre auf die Insel, wo er in London großen Erfolg mit den Buchserien des Penguin-Verlages erzielte. Die letzten Jahre seines Lebens arbeitet er Basel, für die Pharmafirma Hoffmann-LaRoche und widmete sich auch wieder der Schriftgestaltung. Seine letzten Gelegenheitsdrucke beschäftigen sich mit historischen Flugblättern. 1974 starb er in Basel.

Nach Gohlis kam er wohl nicht wieder zurück, erhielt allerdings 1965 den Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig. 2015 fand Tschicholds Nachlass dank einer großzügigen Schenkung seiner Erben seinen Weg ins hiesige Deutsche Buch- und Schriftmuseum, verpackt in 176 teils großformatigen Kisten.

Noch bis zum 6. September 2019 zeigt das Museum einen Teil dieser Schätze. Der Ausstellungskatalog „Jan Tschichold – ein Jahrhunderttypograf? Blicke in den Nachlass“ von Stephanie Jacobs und Patrick Rössler kostet 24 €.