Abbildung: Karl-Georg Hirsch: Vom Fischer un syner Fru – Holzstich aus einer Privatsammlung

„Es geschieht nicht alle Tage, dass ein Schriftsteller durch die Illustrationen eines bildenden Künstlers seine Worte plötzlich in neuer Bedeutung erkennt“ schrieb Walter Jens 1996 zu den Bildern des Grafikers Karl-Georg Hirsch, der 1991 seine Sicht auf die geheime Offenbarung des Johannes ins Holz geschnitten hat. Den Begriff „Illustrationen“ hätte Hirsch damals wie heute zurückgewiesen, er sieht sich zu Recht als Interpret, aber der Wertung des Rhetorikprofessors und Schriftstellers aus Tübingen kann er sicher zustimmen.
Karl-Georg Hirsch, geboren 1938 in Breslau und aufgewachsen in Leipzig, feiert am 13. Mai seinen 80. Geburtstag. Auch wenn er heute meist im Atelier in einer Scheune in Dölitzsch bei Geithain arbeitet, wo Sohn und Schwiegertochter leben, so wohnt er doch seit Jahrzehnten gemeinsam mit seiner Ehefrau in Gohlis.
Von 1989 bis 2003 wirkte der ebenso eigenwillige wie produktive Künstler als Professor an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. 1997 bis 2000 war er dort als Dekan zuständig für den Fachbereich Buchkunst / Grafik-Design. Anfang der 60er-Jahre hatte er selbst an der HGB studiert. Später leitete er die hochschuleigene Holzschnittwerkstatt.

Karl-Georg Hirsch in seinem Atelier; Foto: Jens Paul Taubert

Karl-Georg Hirsch in seinem Atelier; Foto: Jens Paul Taubert

Karl Georg Hirsch zählt zu Deutschlands wichtigsten Grafikern. Er arbeitet für den Inselverlag und die Büchergilde Gutenberg ebenso wie für bibliophile Sammler. Inspirieren lässt er sich gern durch die Literatur. Goethe und Brecht wären hier zu nennen, Puschkin und Gogol, Hesse und Bobrowski, aber auch dichtende Zeitgenossen, mit denen er seit den 1980er-Jahren hoch geschätzte Grafikmappen herausbrachte. 2011 ehrte ihn die Stadt Leipzig mit dem Gutenbergpreis, wie vor ihm u. a. Albert Kapr, Werner Klemke, HAP Grieshaber, Hans Fronius und Gert Wunderlich.

Hirschs Werk gehört nicht zu den leicht konsumierbaren Beigaben netter Geschenkbücher für den bildungsbürgerlichen Gabentisch. Seine Holzstiche und Holzschnitte, Zeichnungen und Radierungen zeigen nicht selten Menschen, die in ihrem Leid erstarrt sind, gequält, sich quälend, aufbegehrend. Unten sehen wir seine Sicht auf Philipp Otto Runges plattdeutsches Märchen „Vom Fischer un syner Fru“ über bestrafte menschliche Machtgier, überliefert von den Brüdern Grimm.

Den kritischen Blick auf die Gesellschaft ließ sich der Künstler durch keine wie auch immer gearteten -ismen abkaufen, stattdessen hinterfragt er in seiner Grafik deren Verheißungen. Das mag neben dem Älterwerden mit dazu beigetragen haben, dass er ein wenig menschenscheu wurde.

Man stelle sich aber Karl Georg Hirsch nicht als verbitterten Menschen vor, auch wenn er sich vom Trubel der Großstadt zurückgezogen hat. Er ist den einfachen Freuden des Lebens nicht abgeneigt, einem guten Glas Wein, einem schmackhaften Essen, dem aus Kindertagen vertrauten schlesischen Streuselkuchen. Sein Rennrad nutzt er wie früher zur sportlichen Betätigung gemeinsam mit Freunden. Wir hoffen, dass er all das noch lange genießen kann, ebenso wie die Exkursionen mit dem Leipziger Bibliophilen-Abend. Wir wünschen ihm und seiner Frau Monika Gesundheit, Kraft und einen langen Atem für die vielen Pläne, die noch der Ausführung harren.

Wer noch mehr von ihm sehen will, dem sei ein Besuch in Wolfenbüttel empfohlen: Zum 80. Geburtstag widmet ihm die Herzog August Bibliothek vom 2. Februar bis zum 27. Mai 2018 die große Ausstellung Karl-Georg Hirsch: „…Friß die Reste des Vergessens.“ Hirschs Arbeiten gelten als Teil der Malerbuchsammlung der Herzog August Bibliothek, ergänzend kommen zu dieser Ausstellung noch Leihgaben von Beate und Peter Labuhn aus Stendal hinzu.

Ursula Hein