von Michael Plättner

Wie an so vielen anderen Orten in Leipzig herrscht auch im Kulturhof Gohlis Stille. Der Hof, der unter anderem die Musikschule „Neue Musik Leipzig“ und das Werkcafé beherbergt, liegt weitestgehend ruhig. Zum dritten Mal seit März letzten Jahres verharrt alles: der Musikunterricht, das Café, der Konzert- und Veranstaltungsbetrieb.

Lediglich einige wenige Lehrer*innen kommen in die Musikschule, um von hier online zu unterrichten. Wir grüßen uns mit entsprechendem Abstand, schwatzen kurz – meist mit Mundschutz auf dem Hof.
Die Stimmung meiner Kolleg*innen ist dabei in der Regel ein wenig besser als meine eigene. Es herrscht ein gesunder Pragmatismus. Der Online-Unterricht funktioniert als Einzelunterricht soweit. Das ist gut. Die Schüler*innen und Eltern haben sich darauf eingestellt. Wir sind dankbar über die Möglichkeit, aber sie ersetzt nicht annähernd den Unterricht vor Ort oder die Stimmung auf dem Hof. Weder für uns, noch für die Schüler*innen. Und es wird zunehmend schwerer, Instrumentalist*innen und Sänger*innen – egal welchen Alters – online zu motivieren. Auch das ist verständlich.

Jeder von uns, der seine Kinder derzeit beim häuslichen Lernen betreut, kennt die Grenzen der digitalen Lernvermittlung. Und der erwachsene Schüler, dessen Unterricht eine willkommene Zäsur im wöchentlichen Arbeitsrhythmus war, versucht nun im Homeoffice zwischen Kindern und kochen am digitalen Endgerät die Lehrer*innen zu verstehen. Ein Zusammenspiel und Musizieren ist bei einer Übertragungsverzögerung von einer halben Sekunde ohnehin kaum möglich.
Für die jungen Musiker*innen fehlen zudem die weiteren Anreize: in den letzten 12 Monaten gab es kaum Ensembleproben, die Bigband oder das Orchester haben keinen Ton zusammen gespielt. Bei den großen Besetzungen und dem Chor beginnt man nahezu von vorn. Die Wettbewerbe „Jugend musiziert“ und „Jugend jazzt“ sind zwar derzeit als Präsenzveranstaltungen geplant, aber ich ertappe mich, dass ich nicht so richtig daran glaube…

Noch einer der Gründe, warum ich nach dem Lockdown im letzten Frühjahr diesen als deutlich schwieriger empfinde: Das Frühjahr war geprägt von der Energie, sich neu zu erfinden. Wir haben Videotechnik angeschafft, online Konzerte und Vorspiele veranstaltet – später, sobald es ging, „hybrid“ mit kleinem Publikum. Jetzt, wo wir wissen, dass wir die Lockdowns nummerieren müssen, herrscht eine Onlinemüdigkeit bei Publikum und meinen Musikerkolleg*innen vor. Kaum jemand mag noch reine Streamingkonzerte machen. So mischt sich in eine gewisse „Lockdown-Routine“ eine Portion Resignation.
Neben den wirtschaftlichen Sorgen stellt sich dabei wie in vielen anderen Kulturstätten in Leipzig auch bei uns die Frage: ab wann macht es wieder Sinn zu planen?

Zum Glück ist es auch hier unter anderem die Energie unserer Musiker*innen und Kolleg*innen, die mich aus meinem winterlichen Tief holen und die Antwort geben: sobald wie möglich. Wenn wir ein Konzert wieder verschieben müssen, dann ist es halt so. Aber es geht weiter – noch lange mit Einschränkungen, da machen wir uns nichts vor – aber wir werden wieder öffnen und planen konkret Konzerte ab Ende März. So weicht die Resignation langsam einem fast schon trotzigen Tatendrang.

Michael Plättner ist Gründer und Leiter der Musikschule Neue Musik Leipzig und des Kulturhof Gohlis