von Peter Niemann

Es ist ein ruhiger Montag Nachmittag, im ehemaligen Kasernenviertel, unmittelbar an der ‚Grenze‘ zwischen Möckern und Gohlis. Die großen Bäume entlang der Olbrichtstraße spenden angenehmen Schatten. Das Zwitschern einiger Vögel dringt, zusammen mit ein paar Sonnenstrahlen durch das halb geöffnete Fenster der ehemaligen Heeresbäckerei. In dem hohen Raum sitze ich bequem und komme schnell mit Herrn Kählitz ins Gespräch. Unlängst hatte er nämlich den Bürgerverein kontaktiert, nachdem er von dessen Bemühungen um die historische Handschwengelpumpe in der Fritz-Seger-Straße erfahren hatte.

Und Herr Kählitz, Jahrgang 1932, hat wahrlich viel zu berichten – so viel, dass wir das Interview in zwei Teile aufdröseln mussten. Schließlich blickt er auf ein ebenso langes, wie erfülltes Leben hier in unserem Stadtteil zurück. Alles beginnt damit, dass sein Vater 1935 ein Haus in der Baaderstraße in Gohlis-Mitte kaufte. Ein Mittelpunkt entsteht. Zunächst der seiner Kindheit, später dann der seiner eigenen Familie. Die Rollen des Unternehmers, Ehemanns und Vaters füllen ihn aus, lassen ihn nichts missen. Das ändert sich schlagartig, als zwei Umstände aufeinandertreffen: Der Ruhestand und das Dahinscheiden der eigenen Mutter.
Deren Nachlass erzählt nämlich eine Geschichte, die nun auf Gehör und Muße treffen kann. Fotografien, Abbildungen, Skizzen und dergleichen erzählen von seinem Großvater Bruno Wollstädter (* 14. Juli 1878 | † 17. Februar 1940). Selber hat er nur vage Erinnerungen an diesen, war er damals doch ein Schuljunge von 9 Jahren und die produktive Zeit des Großvaters war bereits Geschichte. Dieser habe zwar zur Pflege bei der Familie gewohnt, sei zu dem Zeitpunkt jedoch schwer krank gewesen und bald, mit nur 61 Jahren verschieden. Es gab entsprechend wenig Bezug, kaum Kontakt. Kählitz erinnert sich an einen einzelnen Besuch in der einstigen Werkstatt des Bildhauers Wollstädter im Hinterhof der Delitzscher Straße 80a. Von dessen dortigen Schaffen zeugen heute immerhin noch einige Fresken im Hausflur.

Völlig anders verhält es sich allerdings im Stadtraum Leipzigs und auch darüber hinaus. Erst als Ruheständler realisierte Herr Kählitz mit zunehmender Begeisterung, wie unwahrscheinlich emsig der Großvater und dessen Gehilfen tatsächlich waren. Dabei finden sich seine Bauplastiken an und in profaner wie sakraler Architektur gleichermaßen sowie vereinzelt auch als Grabkunst. Nach prominenten Beispielen dafür muss man nicht lange suchen. So gibt es eine Vielzahl von Messehäusern in der Leipziger Innenstadt an deren bauplastischer Ausgestaltung er beteiligt war. Seine Plastiken schmücken u.a. den Zentralmessepalast, er gestaltete aber auch Grabmale auf dem Südfriedhof. Selbst in Gohlis findet sich seine Bauplastik: an der Fassade der Evangelischen Verlagsanstalt in der Blumenstraße 76.

Was Kählitz jedoch ärgert ist die Tatsache, dass Wollstädter‘s Wirken, gerade im Zusammenhang mit größeren Architekturen entweder (noch) gänzlich unbekannt war bzw. häufig in den Hintergrund trat. Es sind nämlich vor allem die Architekten und manchmal noch die Initiatoren und Geldgeber der großen und renommierten Bauprojekte, deren Namen mit diesen in Verbindung gebracht werden und Erwähnung finden. Erschwerend kommt hinzu, dass es zur Zeit Wollstädters Schaffen nicht erforderlich war, Bauplastiken bzw. deren Schöpfer in Bauplänen genau zu benennen. Ein Platzhalter genügte, was die Erfassung von Baukunst und Künstler aus heutiger Sich auch eher knifflig gestaltet. Beharrlich engagierte er sich jahrelang, um genau diesem Umstand, in Bezug auf seinen Großvater zumindest, Abhilfe zu schaffen. Wo es sich anbot, schrieb er Leserbriefe, trat in Kontakt mit Ämtern, besuchte häufiger auch die Wirkstätten von Wollstädter und klärte auf.
1910 erhielt Bruno Wollstädter bei einem städtischen Wettbewerb den ersten Preis für seinen Entwurf für das Design einer Handschwengelpumpe. Vielfach begegnet uns die Pumpe vom Typ ‚Vogelkäfig‘ heute und in restaurierter Form im Stadtgebiet, etwa in der Magazingasse/ Ecke Neumarkt, im Herzen unserer Innenstadt also. Allerdings kann diese Episode, auch und gerade vor dem Hintergrund des so umfangreichen künstlerischen Schaffens von Wollstädter wohl nur als Randnotiz gelten. Eine Randnotiz, die aber nichts desto trotz dankbare Anknüpfungspunkte an die Arbeit unseres Bürgervereins bietet.

Im nächsten Teil des Interviews wird der Fokus dann auf dem Leben und unternehmerischen Wirken von Herrn Kählitz selbst liegen. Bleiben Sie gespannt.