Bei Wartungsarbeiten im Frühjahr 2015 im Heinrich-Budde-Haus machte Hausmeister Jochen Krause eine Entdeckung. Zu seiner Überraschung – und der aller folgenden Experten – entdeckte er ein bisher völlig unbekanntes Deckengemälde im sog. Musikzimmer im Erdgeschoß (Hochparterre). Es befindet sich über einer Zwischendecke, die aus dekorativ bemalten Holzspanplatten besteht und auf dem umgehenden abschließenden Stuckfries ansetzt.

Das Kulturamt der Stadt Leipzig beauftragte zwei Sachverständige, die Diplom-Restauratorinnen Daniela Arnold und Christina Neubacher aus Leipzig, Gemälde und Stuck zu untersuchen und Vorschläge zu deren Erhaltung zu machen. Die Gutachterinnen kamen zu einigen überraschenden Ergebnissen. Es folgt hier zunächst die exakte Beschreibung des Kunstwerks aus dem Gutachten: „Die historische Deckengestaltung (Grundfläche 6,60 x 5,30m) dominiert ein zentraler kreisförmiger Deckenspiegel (Durchmesser 3m). Der runde Deckenspiegel ist mit einer außerordentlich hochwertigen Dekorationsmalerei mit vier symmetrisch angeordneten Figurenpaaren vor üppigen Blumenranken gestaltet. Je zwei Figurenpaare weisen Ähnlichkeiten auf… Das Gemälde wird von einem rechteckigen Stuckrahmen eingefaßt, die Ecken füllen dreieckige vertiefte Felder, die mit aufgemalten üppigen Blumendarstellungen versehen sind… Die Gestaltung wird von einem weiteren breiten Rahmen eingefasst, der in einzelne Felder gegliedert ist… Die Felder sind abwechselnd mit Blumenmotiven bemalt oder mit plastischen Stuck-Rosetten, Muschelwerk, Akanthusblatt und ähnlichem verziert, die Felder werden von profilierten Rahmungen (Eierstab, Perlstab) eingefasst.  Die Bemalung in den vertieften Feldern und im Deckenspiegel ist von außerordentlicher Qualität, die Figuren und die vielfältigen Ranken- und Blumenmotive sind nuancenreich modelliert.“

Die Deckenmalerei befindet sich insgesamt in einem guten Zustand. Die Malschicht ist nicht überarbeitet. Allerdings gibt es Malschichtablösungen und eine starke Ruß- und Staubverschmutzung sowie Feuchteschäden im Stuck an den beiden Außenwänden. Die  Ursache dafür ist noch unklar. Die  Stuckdecke ist durch die Verankerung der Zwischendecke beschädigt.

Die größte Überraschung unter den Ergebnissen der Untersuchung dürfte sein, daß es sich bei der Bemalung  der Stuckdecke nicht um die Erstfassung, sondern um eine vollständige Übermalung einer früheren Malschicht handelt.  Von der Erstfassung sind allerdings nur noch wenige Reste erhalten. Diese stammen eindeutig  aus der Zeit der Erbauung der Villa 1890/91. Sie korrespondieren stilistisch mit einer ebenfalls verborgenen Stuckbemalung im Mittelzimmer im 1. Stock der Villa.

Von historischen Aufnahmen war die ursprünglich luxuriöse Ausstattung der Innenräume mit Stuck, Säulen und Deckenbemalungen bekannt. Diese ist bei  mehreren Umgestaltungen verloren gegangen oder beseitigt worden.  Daß ein wertvolles Deckengemälde überlebt hat, dürfte niemand vermutet haben. Zunächst wurden von den Restauratorinnen folgende Sicherungsmaßnahmen ausgeführt (Außerdem wurden mehrere Empfehlungen für umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen gegeben): Entfernen von losem Staub und Schmutz, Durchführung von Reinigungsproben im verrußten Bereich, Notsicherung der gelockerten Stuckteile sowie nachhaltige Konservierung akut gefährdeter Malschicht.

Dafür fehlen zur Zeit die Mittel. Bis zur Klärung der Gesamtsituation des Heinrich-Budde-Hauses wurde die Zwischendecke deshalb wieder geschlossen. Neben der technischen und künstlerischen Qualität des Deckengemäldes ist auch die allgemeine Unkenntnis über seine  Existenz erstaunlich. Es gibt keine Unterlagen über das Gemälde und über die Zwischendecke,  weder in den Bauakten noch in anderen schriftlichen Quellen, auch aus der Zeit als Klubhaus. Eine Umfrage des Autors bei Nachkommen der Familie Adolf Bleicherts, Bauherr und erster Bewohner, und bei  Nachkommen der Familie Karl Mendes, Besitzer der Villa von 1927 bis 1952, brachte kein Ergebnis. Einem der letzten Zeitzeugen, Herr Gößner, Sohn des Fahrers und Gärtners von Mende, der als Kind nach 1945 im Musikzimmer gelegentlich bei Familie Mende am Mittagessen teilnehmen durfte, war das Gemälde nicht bekannt.

Bei zahlreichen Führungen durch das Haus in den letzten beiden Jahrzehnten, an denen auch Nachkommen der früheren Besitzer teilgenommen haben, bin ich niemals auf das Gemälde angesprochen worden. Es wäre eine weitere Überraschung, wenn dieser kleine Beitrag helfen würde, die Geschichte des Deckengemäldes aufzuklären.

Dr. Manfred Hötzel

Abb.: Deckengemälde, Detail: Blumenschmuck

Die malerische Darstellung des Deckengemäldes zeigt vier symmetrisch angeordnete Figurenpaare, eingebettet in Blumen und dekorative Pflanzenornamentik. Die Malerei ist in hoher Qualität ausgeführt. In der verfärbten Kreisfläche in der Mitte befand sich ursprünglich eine Lampe, der Bereich ist stark verrußt/verfärbt

 

Gutachten
Arbeitsgemeinschaft Dipl. Restauratoren Leipzig Daniela Arnold und Christina Neubacher: Dokumentation. Bestandsaufnahme und Notsicherungsmaßnahmen am gefährdeten Malereibestand des Deckengemäldes im Musikzimmer des Heinrich-Bude-Hauses in Leipzig, August 2015, 4°, 13 Bl. Text MS, 47 Bl. Fotodokumentation, geheftet