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Die Tatras gehen, die Solaris-Bahnen kommen

Solarisbahn; Foto: Matthias Judt

Von Matthias Judt

Sie sind eigentlich aus dem Leipziger Stadtbild nicht wegzudenken, doch nunmehr wird es passieren, dass die Tatra-Bahnen Fahrzeug für Fahrzeug aus dem Straßennetz verschwinden.
Was hat man mit ihnen alles seit 1969, als die ersten von über 900 Tatra-Zügen geliefert wurden, erlebt: Sie machten ihrer Benennung nach einem schneereichen Gebirge überhaupt keine Ehre, wenn sie im Winter liegen blieben, weil Schneeflocken an die Elektronik und Elektrik geraten waren. Dafür waren sie innen schön überheizt, und auch im Sommer vermittelte die fehlende Klimatisierung das ganze Wärmegefühl.

Und trotzdem konnte man sich in die Bahnen verlieben: Manch Leipzig-Gast legt es noch heute regelrecht darauf an, lieber „auf ’ne Alte“ zu warten, statt mit einer der neuen Züge zu fahren. Im März dieses Jahres befanden sich immerhin noch 108 Triebwagen und vier Beiwagen aus tschechoslowakischer Produktion in Betrieb. 18 weitere Fahrzeuge stellten eine Reserve dar. Bis 2020 wird dieser Bestand durch den Kauf von insgesamt 41 in Polen hergestellter Solaris-Straßenbahnen ersetzt. Bald wird man also nur bei Fahrten mit der „Leipziger Gläsernen“, also der samstäglichen Straßenbahn-Stadtrundfahrt, noch das Gefühl des Tatra-Fahrens erleben können.

In Gohlis wurden die Tatra-Bahnen in den letzten Jahren vor allem in den Stoßzeiten eingesetzt. Die Linien 4, 10 und 12 werden bereits seit langem vorwiegend mit in den 1990er Jahren hergestellten Zügen bedient, die allerdings vergleichsweise kurz sind und deshalb nicht so viele Fahrgäste befördern können. Auf der Linie 11 sind seit einigen Jahren die 45 m langen XXL-Bahnen unterwegs, die ein viel größeres Aufnahmevermögen haben. Auf der Linie 4 wurden in den letzten Monaten allerdings gehäuft dreiteilige Tatra-Bahnen eingesetzt, die zu Beginn der 1990er Jahre modernisiert worden waren, weil die kurzen Züge nicht mehr ausreichten. Gerade entlang der durch Gohlis fahrenden Linien 4 und 10 werden sich durch den Flottenaustausch die Nahverkehrsverhältnisse erheblich verbessern. Die neuen Bahnen haben eine Länge von 38 Metern und können deshalb entschieden mehr Fahrgäste aufnehmen als die kurzen Niederflurzüge aus den 1990er Jahren. Letztere konnten nämlich gerade zu Zeiten des Berufs- und Schülerverkehrs rammelvoll sein.

Von Solaris kommen schon die Busse der LVB bzw. von Leo-Bus, doch schon jetzt kann man abends und nachts den ersten Solaris-Straßenbahnzug sehen. Noch nicht im Regelbetrieb, aber die LVB sind kräftig dabei, das Fahrpersonal auf dem neuen Gefährt auszubilden. Im Sommer beginnt dann der Regelbetrieb.

Die neuen Straßenbahnen sind hypermodern. Das Design wurde in Berlin gestaltet, Zulieferer aus unserer Region bauten Komponenten – sei es der Fahrersitz, sei es die futuristische Innenbeleuchtung. Montiert werden die Züge bei einer Fahrzeugbaufirma in der Nähe von Poznan (Posen), deren Eigentümer ihr Handwerk einst als Flüchtlinge in West-Berlin erlernt hatten. Dorthin waren sie nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981 geflohen.

Es ist nicht nur das veränderte Stadtbild, das durch den Austausch der Tatra-Bahnen durch die neuen Züge entstehen wird. Für eine Stadt von der Größe Leipzigs ist das Vorhandensein eines umfassenden Straßenbahnnetzes (immerhin 312 km, davon knapp 145 km im Regelbetrieb genutzt) geradezu ideal. In der Messestadt bleibt die Tram die wichtigste Grundlage des öffentlichen Personennahverkehrs. In Kombination mit der, das Zentrum kreuzenden S-Bahn ist der öffentliche Nahverkehr somit eine echte Alternative zum Autofahren.

Was passiert aber nun mit den ausgemusterten Tatras? In dem vergleichsweise kleinen Straßenbahnhof in Leutzsch haben die LVB ein Zwischenlager für ausrangierte Züge eingerichtet. Sie stehen da, wenn die Schrottpreise im Keller sind und sich der Verkauf der Bahnen als Schrott für die LVB nicht lohnt. Das ist aus Sicht des Leipziger Steuerzahlers sicherlich richtig. Und es verschafft Ihnen, liebe Leserinnen und Leser die Gelegenheit, wenn Sie denn wollen, den alten Tatra-Bahnen noch einmal einen Besuch abzustatten. Denn, wenn die Schrottpreise höher sind, werden die Bahnen in Leutzsch zunächst in größere Teile zerlegt und dann weiter bei einer Firma in Espenhain zu kleinen Metallteilen geschreddert. Und das ist dann nicht mehr schön anzusehen.

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