Von Ursula Hein, Wolfgang Leyn, Tino Bucksch

Dass der Haussegen im Gohliser Schlösschen schief hängt, weiß man nicht erst aus der medialen Berichterstattung über das Gohliser Kleinod. Zwischen dem Freundeskreis, dem die Stadt 2005 die Betreibung der Schlossanlage übertragen hatte, und dem Restaurant im Haus herrscht Funkstille.
Umso erfreuter waren wir, als das Kulturamt für Mittwoch, den 29. Januar, zu einer Gesprächsrunde einlud. Akteure aus dem Stadtteil sowie aus der Kunst- und Kulturszene erhielten die Möglichkeit, ihre Wünsche, Ideen und Vorschläge einzubringen. Diese sollen in eine Potenzialanalyse einfließen, auf deren Grundlage die Stadt dann die Betreibung des Gohliser Schlösschens zum 1. Januar 2021 neu ausschreiben wird. Die geladenen Akteure waren daher gefragt, in den Themenbereichen „Veranstaltungsformate“, „Museale Nutzung“ und „Einbindung lokaler Akteure“ Vorschläge zu machen.
Mehrheitlich waren sich die Anwesenden einig, dass das Gohliser Schlösschen einer breiteren Nutzung zugeführt werden solle, welche der guten Verankerung im Stadtteil und der architektonischen Besonderheit des Objekts entspräche. Dabei reichten die Ideen von Tagungen und Seminaren über Kammerkonzerte und Theateraufführungen bis zur erneuten Nutzung für Trauungen. Dieser Mix soll sich auch im Spektrum der Akteure widerspiegeln, die das Gohliser Schlösschen zukünftig für ihre Arbeit nutzen. Dabei wurde betont, dass an das historische Erbe des Gebäudes als Treffpunkt für bürgerliche Freigeister angeknüpft werden soll.
Der Bürgerverein selbst hat zur musealen Nutzung konkrete Vorstellungen:
Bisher gibt es keine Ausstellung über die Gohliser Ortsgeschichte. Das Gohliser Schlösschen wurde 1756 von einem wohlhabenden und kunstsinnigen Leipziger Bürger auf dem Lehen seiner Ehefrau im damaligen Bauerndorf errichtet. Ein späterer Besitzer, der Leipziger Geschichtsprofessor und Universitätsrektor Johann Gottlob Böhme, stiftete gemeinsam mit seiner Ehefrau Geld für die Gohliser Schule und den Betsaal auf dem Anger, ließ die Dorfstraße (die heutige Menckestraße) pflastern und 1777 einen Spazierweg durch das Rosental von Leipzig nach Gohlis anlegen.

So wurde das Dorf zu einem der beliebtesten „Vergnügungsörter“ vor den Toren der Stadt. Alt und Jung, Reich und Arm pilgerten nun zu den beiden Schenken, die weithin berühmt waren für leckeren Kuchen und schmackhaftes Bier. Auf der Gohliser Mühlinsel gab es einen kleinen Park, nebenan ein Flussbad. Wer es sich leisten konnte, mietete sich in der warmen Jahreszeit auf einem Bauernhof ein oder ließ sich ein Sommerhaus bauen. 1785 war Friedrich Schiller für mehrere Monate zu Gast in Gohlis und verkehrte auch im Schlösschen, das zu dieser Zeit ein „Musenhof“ war. Die Entwicklung des Barockschlösschens, des Gartens und des Dorfes ist eng miteinander verknüpft. Erzählen lässt sich über Architektur, Kultur- und Lokalgeschichte. Für eine solche Ausstellung gäbe es keinen besseren Platz als das Gohliser Schlösschen.

Als Bürgerverein möchten wir daher mit Unterstützung des Stadtgeschichtlichen Museums, des Leipziger Stadtarchivs und des Schlösschen-Betreibers eine kleine Dauerausstellung gestalten, ergänzt durch diverse Wechselausstellungen. Konkrete Vorschläge dafür gibt es bereits. Als Zielpublikum sehen wir Schüler der Gohliser Schulen, geschichtsinteressierte Leipziger sowie Touristen im Rahmen der Führungen durch das Gohliser Schlösschen und das nahegelegene Schillerhaus mit dem Dorfmodell von Gohlis im 18. Jahrhundert.

Wie geht es nun weiter? Bis zum 31. März 2020 soll die erwähnte Potenzialanalyse vorliegen. Dann werden die Ergebnisse in den Gremien des Stadtrates diskutiert und in die Ausschreibung für den künftigen Betrieb einfließen. Am 30. September 2020 läuft der Interimsvertrag mit dem aktuellen Betreiber, dem Freundeskreis Gohliser Schlösschen e.V., aus. Bis zum Jahresende will die Stadt Reparatur- und Restaurierungsmaßnahmen am und im Schloss vornehmen. Danach soll das Schlösschen am 1. Januar 2021 wiedereröffnet werden.
Nach Auffassung des Bürgervereins steht dieser mit der heißen Nadel gestrickte Zeitplan im Widerspruch zu dem riesigen Blumenstrauß an Ideen und Wünschen für die künftige Nutzung des Schlösschens, wie sie beim Treffen am 29. Januar zusammengetragen wurden. Glaubt man im Kulturamt wirklich, in der Kürze der Zeit alle Probleme lösen zu können, um zu einem tragfähigen und nachhaltigen Betriebskonzept zu kommen? Der Bürgerverein ist hier skeptisch. Wichtig ist in unseren Augen, dass das Gohliser Schlösschen Ende 2020 nicht in einen Dornröschenschlaf verfallen darf. Wir werden die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und zu gegebener Zeit im Gohlis Forum berichten.