Von Gotthard Weidel, Pfarrer.i.R.

Im letzten Jahr trafen sich viele Menschen zu „Advent in Gärten und Höfen von Gohlis“. Wir standen um ein Feuer herum, sangen Adventslieder, hörten Geschichten und manchmal gab es Glühwein. Mit unseren gesammelten Erfahrungen und dem Zuspruch der Teilnehmenden sollte in diesem Jahr das Programm ausgebaut werden. Aber – dem Bürgerverein geht es wie vielen anderen Veranstaltern. Im November gelten besondere Corona-Einschränkungen. Wir bedauern es sehr. Dennoch hoffen wir, im Dezember wieder zum Singen auf den Plätzen einladen zu können.

Wir wollen deshalb nicht Trübsal blasen. Advent kann weiterhin gefeiert werden. Die Familien werden ihre Wohnungen schmücken und die Fenster dekorieren. In den letzten Jahren fielen besonders unterschiedliche Weihnachtssterne auf, die aus den Stuben strahlten oder von den Balkonen leuchteten. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Arten von Sternen es gibt. Sachsen scheint eine Hochburg der Weihnachtssterne zu sein. Der klassische Herrnhuter Adventsstern führt die Auswahl an. Danach folgt das halbe Erzgebirge mit dem Annaberger-, Hasslauer-, Hartensteiner- und Zwickauer – Adventsstern. Weshalb faszinieren uns Sterne? Sie ziehen mit ihrem Licht die Aufmerksamkeit auf sich und wecken unsere Neugier. Manche verknüpfen mit den Sternen ihre Erinnerungen an die Advents- und Weihnachtszeit.

Ich erinnere mich an den ersten Adventsstern, den ich bewunderte. In der Nachkriegszeit war es sehr dunkel. Mit Stromsperren musste gerechnet werden. Eine schwache Glühbirne erleuchtete den einzigen Herrnhuter Adventsstern unseres Dorfes. Es breitete sich warmes rötliches Licht aus und strahlte bis auf den Dorfplatz. Der Stern zeigte uns Kindern: Eine gute Zeit steht bevor.

Jahrzehnte später lebte ich als sächsischer Pfarrer in einem Industriedorf mitten im Braunkohlenrevier. Die Umstände waren schwer zu ertragen. In der Adventszeit brachte die Kirchgemeinde auf dem Kirchturm einen großen Adventsstern an. Sein heller Schein strahlte sogar in die Tiefe des Braunkohletagebaus und war auch über die Abraumhalden hinweg zu sehen. Man sah aus der Tiefe und aus der Ferne, dass hier Menschen leben und Advent feiern. Das Dorf war stolz auf seinen Stern.

In der Friedenskirchgemeinde war es eine Tradition, am 23. Dezember das Weihnachtsoratorium von J.S. Bach zu singen. Die Kantorei der Friedenskirche stellte sich im Altarraum unter dem großen Adventsstern auf. Die Musikerinnen und Musiker nahmen ihre Plätze ein und alle hörten mit Pauken und Trompeten den Eingangschor: „Jauchzet frohlocket, auf preiset die Tage…“. Die Musik nahm die Menschen mit und begeisterte sie. Alle Sorgen und Probleme blieben zurück. Vielleicht begann für den Einen oder Anderen schon das Weihnachtsfest.

Ich berichte an dieser exponierten Stelle von persönlichen Erlebnissen, die jeder in einer ähnlichen Weise erlebt hat oder erleben kann. Diese Erfahrungen sind heute wichtig. Wir müssen nicht nur Einschränkungen ertragen. Vielmehr können wir uns auf gemeinsame Traditionen und Erlebnisse besinnen, die unser Leben bereichern. Dafür müssen wir nur die Augen öffnen. Falls wir uns in diesem Jahr nicht versammeln können, nehmen Sie sich die Zeit und erleben „Advent in den Straßen und auf den Plätzen von Gohlis“. Entdecken sie die Vielzahl von Adventssternen, unter denen Menschen wohnen. Unter einem guten Stern…wollen alle Menschen leben.