von Jörg Holzmann

Vor 250 Jahren wurde im badischen Bruchsal ein Mädchen geboren, das im Alter von vier Jahren an den damals weit verbreiteten Blattern erkrankte und erblindete. Ein Jahr zuvor war ihre Mutter gestorben. So weit, so traurig, für die Zeit um das Jahr 1769 aber nicht ungewöhnlich. Was hat das Ganze mit Gohlis zu tun? Eine Menge! Dieses Mädchen nämlich, eine gewisse Marianne Kirchgessner, war zu ihrer Zeit die bekannteste deutsche Virtuosin auf der Glasharmonika. Und um 1800 kaufte sie sich im Dorf Gohlis bei Leipzig ein Häuschen, das sie bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1808 zu ihrem Lebensmittelpunkt machte.

Faszinierende Klänge in Europas Konzerthäusern
Die Glasharmonika, erfunden 1761 von Benjamin Franklin, ist ein Instrument, bei dem der Ton von sich stetig drehenden, ineinander geschichteten Glasschalen erzeugt wird. Will man diese Schalen zum Klingen bringen, betätigt man ein Pedal, das eine Drehung bewerkstelligt, feuchtet die Finger an und legt diese behutsam auf die jeweils gewünschten Glasschalen. Der so hervorgebrachte Ton faszinierte und spaltete seinerzeit die Hörer. Die einen schwärmten, die anderen hielten ihn für nervenschädigend. Marianne Kirchgessner jedenfalls erlernte das Spiel der Glasharmonika in Karlsruhe und konnte ab 1791 durch Vermittlung einflussreicher Gönner zu ambitionierten Konzerttourneen aufbrechen. Diese führten die begabte junge Frau nicht nur durch viele Städte in Deutschland und Österreich, sondern auch nach Prag und London, Den Haag, Kopenhagen und St. Petersburg.

Zum Jubiläum Matinee und Konzert in Gohlis
Zu Ehren ihres 250. Geburtstages ist dieser außergewöhnlichen Musikerin am Sonntag, dem 27. Oktober, ein ganzer Tag im Gohliser Schlösschen gewidmet. Das abwechslungsreiche Programm beginnt mit einem geführten Spaziergang durch den heutigen Leipziger Stadtteil. Im Gohliser Schlösschen zeichnen danach kurze Vorträge aus musikwissenschaftlicher, medizinhistorischer und speziell Gohliser Sicht ein Bild der Person Kirchgessners und ihrer Zeit. Dazu gehören Ausführungen über die Blattern (oder Pocken), die sie als Kind das Augenlicht kosteten, über ihren Lebensweg und die Gründe, weshalb dieser sie nach Gohlis führte. Den Abschluss und Höhepunkt bildet am Nachmittag das Glasharmonika-Konzert mit Bruno Kliegl, einem der wenigen Musiker, die das Instrument heute beherrschen. Auf dem Programm stehen Werke, die speziell für Marianne Kirchgessner komponiert wurden, so etwa ein Adagio von W. A. Mozart, der die junge Frau 1791, kurz vor seinem Tod, bei einem Privatkonzert gehört hatte. Aber auch andere Originalwerke für die Glasharmonika sowie Bearbeitungen für dieses ungewöhnliche Instrument werden erklingen.

Veranstaltet wird das Programm vom Bürgerverein Gohlis gemeinsam mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig und dem Freundeskreis Gohliser Schlösschen. Los geht’s am 27.10.2019 um 10.30 Uhr mit dem Spaziergang auf Kirchgessners Spuren; 12.30 folgen die Vorträge; 15.30 Uhr ist Einlass zum Konzert. Karten erhalten Sie über die Tickethotline des Gohliser Schlösschens: 0341 33 17 36 33 (Mo-Fr 9-17 Uhr).