von Matthias Judt

Leipzig hat eine lange Tradition als Standort des Militärs, und gerade in Möckern (ab 1875) und Gohlis (ab 1883) entstanden große Kasernengelände, die bis zum Beginn des I. Weltkrieges zum zweitgrößten Kasernenkomplex Deutschlands ausgebaut wurden. Nicht zu unterschätzen ist auch die Nutzung von Schulen, Kliniken, Privathäusern zur Unterbringung von Verwundeten des I. Weltkrieges, die nach Endes die-ses Krieges zur Demobilisierung (also Entlassung) des Militärpersonals genutzt wurden. (1) Im Folgenden wird auf die wichtigsten militärischen Objekte in Gohlis eingegangen.

Als erster militärischer Bau in Gohlis entstand die Heereswäscherei, die etwa 60 Jahre lang – bis in die 1940er Jahre hinein – als Militärwäscherei betrieben wurde. (2) Nach dem Endes des II. Weltkrieges wurden die Bauten und Anlagen weiter als Wäscherei in staatlichem Besitz genutzt. 1949 zum „Eigentum des Volkes“ deklariert, wurde die Wäscherei ab 1953 zunächst als kommunales Unternehmen betrieben und firmierte ab 1970 schließlich als „VEB Wäscherei Leipzig“. (3)

Auch nach dessen Privatisierung nutze das neu entstehende mittelständische Unter-nehmen mit 200 Mitarbeitern das Areal bis 1997 weiter, gab es dann aber zugunsten eines anderen Standortes in Leipzig auf. „Das Gelände an der Herloßsohnstraße wurde von der Wohnungsbaugenossenschaft Lipsia e.G. erworben. Auf dem 15.000 m² umfassenden Areal zwischen Rosental, Herloßsohn- und Stallbaumstraße wurde in den Jahren 2009 bis 2011 ein neues Wohngebiet, die Rosental-Terrassen, errichtet.“ (4)

In etwa zur gleichen Zeit wie die Heereswäscherei entstand ab 1880 das „Gohliser Exerziergelände“, eine Barackenkaserne, die eigentlich gar nicht auf Gohliser Flur lag, sondern Teil des damaligen Leipzigs war. Allein das große Exerzierhaus an der Ehrensteinstraße wurde tatsächlich auf Gohliser Flur errichtet. (5)

Die sowohl von der Fläche als auch von der militärischen Bedeutung her wichtigsten militärischen Anlagen entstanden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert an der speziell dafür angelegten heutigen Olbrichtstraße. Die Straße selbst liegt gerade noch auf Gohliser Gebiet. Wegen der relativ großen Entfernung der eigentlich auf Möckernscher Flur liegenden Kasernenbauten auf der westlichen Seite der Olbricht-straße zum Dorfkern Möckern wurden die Anlagen als „Gohliser Kasernen“ bezeichnet. (6) (Abbildungen: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kaserne_8_Heerstrasse_Leipzig_1904.jpg?uselang=de und https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kaserne_Heerstrasse_Leipzig_um_1915.jpg?uselang=de ). (7)

Die Kasernengebäude wurden von 1900 bis 1902 für ein Feldartillerieregiment errichtet. Die Kaserne am Viertelsweg hatte über die Zeit verschiedene Namen (Viertelswegkaserne, Planitz-Kaserne, Adolf-Hitler-Kaserne). Die unterschiedlichen Namen deuten auf die sehr wechselvolle deutsche Geschichte. Aus den Kasernen entlang der Olbrichtstraße und des Viertelswegs meldeten sich Soldaten und Offiziere freiwillig zum Dienst bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China (1900) oder jenes der Hereros in Südwestafrika (dem heutigen Namibia) im Jahre 1904. In der Kaserne am Viertelsweg wurde 1918/19 ein Teil der vom Leipziger Arbeiter- und Soldatenrat nach der Novemberrevolution gebildeten Sicherheitswehr untergebracht, gegen die sich im Mai 1919 der Hauptschlag der Reichswehrbrigade 16 richtete, als diese unter dem Kommando von General Maercker am 11. Mai 1919 Leipzig besetzte. (8)

In den 1920er Jahren wurde die Kaserne am Viertelsweg von der Reichswehr nur zur Unterbringung untergeordneter Behörden genutzt und zum Teil verpachtet. 1935 zo-gen hier Teile eines Artillerieregiments ein. Die Kaserne wurde 1937 in „Adolf-Hitler-Kaserne“ umbenannt und beherbergte im II. Weltkrieg dann die Standortkommandantur. (9)

Von 1945 bis zum Beginn der 1990er Jahre nutzte die Rote Armee die westlich der Olbrichtstraße (also in Möckern) gelegenen Teile. Das östlich der Olbrichtstraße (al-so in Gohlis) liegende Kasernengelände beherbergte nach 1945 zuerst eine Volkspolizeibereitschaft, dann Kompanien der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und schließlich ab 1956 Einheiten der Nationalen Volksarmee (NVA). (10)

Ab 1957 hatte hier der Militärbezirk III der NVA seinen Sitz, dessen Kommando von hier aus militärische Einrichtungen der Landstreitkräfte der DDR in den acht südlichen Bezirken der DDR (heute gelegen in den Freistaaten Thüringen und Sachsen sowie jeweils in den südlichen Teilen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg) befehligte. (11)

1990 übernahm die Bundeswehr die von der NVA genutzten Objekte. Sie nutzte das Areal bis 2007 und hatte der Kaserne noch 1993 den Namen „Theodor-Körner-Kaserne“ verliehen. Ursprünglich sollte sie den Namen des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler erhalten, der zu den Männern und Frauen des Umsturzversuches am 20. Juli 1944 gehört hatte. Ein Zwei-Sterne-General der Bundeswehr sollte dem wertkonservativen Widerständler die Traditionswürdigkeit absprechen. (12)

Nach Aufgabe der Theodor-Körner-Kaserne zum 30. September 2007 wurde das Areal von einem Immobilienentwickler übernommen und zum Wohnquartier „Sieben-grün“ umgestaltet. (13) Seit 2017 wird auch das 1980 errichtete siebengeschossige ehemalige Stabsgebäude des MB III auf dem gleichen Gelände zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut. (14)

Bereits 1992 war die Sowjetarmee aus Leipzig abgezogen und hatte dabei auch die von ihr genutzten Objekte an der Olbrichtstraße geräumt. (15) Sie werden seit einigen Jahren zu Wohnhäusern und Seniorenresidenzen umgebaut. Auf einem bereits in Möckern gelegenen Teilgelände hat die sächsische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge ihren Platz gefunden.

Nördlich des Viertelswegs entstand auf der östlichen Seite der Olbrichtstraße ab 1901 das Bekleidungsamt des Heeres mit sechs Klinkergebäuden. „Die Aufgabe dieses Amtes war die Anfertigung der Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke für das Armeepersonal, außerdem deren Übernahme von anderen Betrieben, sowie deren Lagerhaltung.“ Nach 1945 wurde das Gelände größtenteils von der Sowjetarmee genutzt, wobei vermutet wird, dass sie hier ihre Feldpost betrieb. An seinem östlichen Rand nutzen das Leipziger Arzneimittelwerk und die Stadtwerke Leipzig Teile des Areals. An der Nordseite des Geländes (an der Max-Liebermann-Straße) errichtete die Sowjetarmee in den 1980er Jahren ein Wohngebäude für Soldatenfamilien. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen stand das Areal zu-nächst leer, wurde ab 2008 dann aber ebenfalls zu einem Wohngebiet entwickelt und erhielt den irreführenden Namen „Kaisergärten“. (16) Der in den 1980er Jahren errichtete Neubau wurde 2016/17 saniert und modernisiert.

Ende September 1935 weihte die Reichswehr an der Ecke der heutigen Max-Liebermann-Straße/Landsberger Allee einen Militärsportplatz ein. „Hier wurden von Sportmannschaften des Militärs hochklassiger Handball und Rugby gespielt. Nach dem II. Weltkrieg, als die Kasernierte Volkspolizei entstand, wurde die Sportvereinigung „Vorwärts“ gegründet. Diese Sportvereinigung betrieb auf dem Stadiongelände Fußball in der Oberliga der DDR.“ 1953 wurde die Fußballmannschaft jedoch nach Ost-Berlin abgezogen. Ein 1942 als „Feuerlöschteich“ angelegtes Wasserbecken entwickelte sich nach dem Krieg zu einem echten Freibad mit Bademeister, das regen Zuspruch fand und bis zu seinem Abriss im Jahre 1993 betrieben wurde. Nach der Beräumung des gesamten Gebiets entstand an gleicher Stelle ab 1997 ein Wohngebiet mit dem Dienstleistungszentrum „Gohlis-Park“, Seniorenresidenzen und Wohnungen, das immer noch erweitert wird. (17)

Für wenige Jahre betrieb das Heer an der heutigen Hans-Oster-Straße ein Soldaten-heim (von 1908 bis zum Beginn des I. Weltkrieges). Es hatte den Zweck, „die Soldaten der Leipziger Garnison anzuhalten, ihre dienstfreie Zeit redlich zu nutzen und im Sinne der christlichen und vaterländischen Lehre zu leben.“ Hier gab es vaterländische Lektüre, verbilligte Speisen und Zeitvertreib, was als wichtig erachtet wurde, um „die Militärangehörigen vom Besuch der Kneipen und Lokale und damit vom Einfluss der Sozialdemokratie fernzuhalten.“ Ab 1920 übernahm die evangelische Kirche das Gebäude und betreibt seitdem eines Kinderbetreuungseinrichtung in den Räumlichkeiten. (18)

In nur zehneinhalb Monaten Bauzeit wurde 1934/35 zwischen Kroch-Siedlung und heutigem Stadion des Friedens eine Kaserne errichtet und Mitte Oktober 1935 als „Hindenburgkaserne“ an die Wehrmacht übergeben. Ab 1937 wurde sie zur Nachrichtenkaserne umstrukturiert. Nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde das Objekt von der Sowjetarmee übernommen, baulich erweitert und bis 1992 genutzt. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen wurde nur ein Teil des Areals saniert und um-genutzt, während ein größerer Teil verwilderte. Zu DDR-Zeiten errichtete Bauten, da-runter zwei Wohnhochhäuser sowie Baracken, wurden abgebrochen. Zwei ehemalige Unterkunftsgebäude wurden 2007 saniert und für Wohnzwecke bzw. als Verwaltungsstelle für die Bundesnetzagentur umgenutzt. Es entstand ein Supermarkt mit Parkplatz. Seit 2017 wird das bisher ungenutzte Areal zu einem Wohngebiet umgestaltet. (19)

Alle sechs in Gohlis ehemals militärisch genutzten Areale werden seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr von der Bundeswehr genutzt. Ihre Konversion zu attraktiven Wohngebieten stellt ein Beispiel für die sinnvolle Umgestaltung von ehemals militärischen Zwecken dienenden Arealen dar. Auch bei den in Möckern liegenden Kasernenanlagen befindet sich heute nur noch eine einzige in der Nutzung durch die Bundeswehr (General-Olbricht-Kaserne an der Grenze zu Gohlis). Alle anderen wurden zu Wohngebieten bzw. dem Standort eines Sozialversicherungszentrums mit Agentur für Arbeit, Berufsförderungswerk und Deutscher Rentenversicherung oder der besagten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylbewerber umgewandelt. (20)

(1) vgl. Dieter Kürschner, „Gohlis – Standort des Militärs“ (im Folgenden: „Kürschner 2008“), in: Das Online-Stadtteilmagazin für Leipzig-Gohlis, in: http://www.leipzig-gohlis.de/historie/militaer.html (2008)
(2) vgl. Karl-Heinz und Ursula Kohlwagen, „Kasernenstadt Gohlis-Möckern“ (im Folgenden „Kohlwagen 2017“), in Bürgerverein Gohlis (Hg.), 700 Jahre Gohlis. 1317 – 2017. Ein Gohliser Geschichtsbuch, Markleeberg 2017, S. 107-134, hier S. 128; Kürschner 2008.
(3) wiedergegeben und zitiert nach Kohlwagen 2017, S. 128.
(4) wiedergegeben und zitiert nach Kohlwagen 2017, S. 128.
(5) vgl. Kürschner 2008.
(6) vgl. Kürschner 2008. Siehe auch Vera Denzer, Andreas Dix, Haik Thomas Porada (Hg.): Leipzig. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Leipzig. Köln/Weimar/Wien 2015, S. 205.
(7) Fotos gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
(8) vgl. Leipzig-Lexikon. Straßen. Treskowstraße, in: http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/08173.htm, aufgerufen am 14. September 2017; Kürschner 2008.
(9) vgl. Dieter Kürschner, „Zur Geschichte der Leipziger Garnison und der Kasernen in der Pleißestadt“, in Markus Cottin/ Detlef Döring/ Cathrin Friedrich (Hg.), Stadtgeschichte. Mitteilungen des Leipziger Geschichtsvereins. Jahrbuch 2008, S. 179 – 184, hier S. 178.
(10) vgl. Leipzig-Lexikon. Straßen. Treskowstraße, in: http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/08173.htm, aufgerufen am 14. September 2017; Matthias Judt, „Der Militärbezirk III am Viertelsweg“, hier im Onlinelexikon (im Folgenden „Judt, MB III“) (Link setzen)
(11) vgl. „Judt, MB III“; Kohlwagen 2017, S. 117 und 122; siehe auch http://www.homuth-architekten.de/portfolio-type/quartier-siebengruen-leipzig.
(12) siehe Jakob Knab, Falsche Glorie. Das Traditionsverständnis der Bundeswehr, Berlin 1995, S. 118.
(13) vgl. Judt, MB III; Kohlwagen 2017, S. 117 und 122; siehe auch http://www.homuth-architekten.de/portfolio-type/quartier-siebengruen-leipzig.
(14) vgl. http://www.leipzig.de/news/news/vorhabenbezogener-bebauungsplan-nr-99-1-geschaeftshaus-viertelsweg-martin-drucker-strasse/, aufgerufen am 26. Mai 2017.
(15) vgl. Kohlwagen 2017, S. 122.
(16) wiedergegeben und zitiert nach Kohlwagen 2017, S. 118; vgl. auch https://www.vier-immobilien.de/kaisergaerten.html.
(17) wiedergegeben und zitiert nach Kohlwagen 2017, S. 128f.
(18) wiedergegeben und zitiert nach Kohlwagen 2017, S. 129f.
(19) wiedergegeben nach Kohlwagen 2017, S. 130-132.
(20) vgl. Leipziger Volkszeitung vom 26. August 2015, in: http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipziger-Kasernenviertel-mausert-sich-zu-schicker-Wohnadresse.