von Matthias Judt

Die Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche in der Menckestraße trug eigentlich einen irreführenden Namen. Namenspatron Wilhelm Felsche (1798-1867) war bereits über fünf Jahre tot, als 1873 schließlich in Gohlis die Herstellung von Schokolade begann. Als gelernter Konditor hatte Felsche nur in seinen ab 1821 im Leipziger Zentrum betriebenen Konditoreien bzw. Cafés handwerklich produzierte Schokoladen verkauft. (1) Erst nach Felsches Tod sollte sich die Herstellung von Schokoladen zu einem selbstständigen industriellen Produktionszweig wandeln.

Felsches Schwiegersohn, Adolph Schütte-Felsche (1832–1908), der bereits 1856 Teilhaber im Unternehmen geworden war und ab 1867 die Firma gemeinsam mit Felsches Tochter Johanna (1834–1900) besitzen sollte, verlagerte ab 1873 die Produktion von Schokoladen nach Gohlis. Hier wurde im Jahr darauf die Kakao- und Schokoladenfabrik in Betrieb genommen. Dazu waren über die Zeit immerhin sechs Grundstücke entlang der Menckestraße erworben worden. (2)

1890 gab Adolph Schütte-Felsche die Betriebe im Stammhaus der Firma am Augustusplatz ab und konzentrierte die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die industrielle Fertigung von Schokoladen. Aus dem Unternehmen wurde eine Gohliser Firma in Familienbesitz. (3) Am 27. August 1886 war nämlich dem ältesten Sohn Oskar Wilhelm Adolph Schütte-Felsche und schließlich am 6. März 1888 dem jüngeren Sohn Carl August Wilhelm (Willy) Schütte-Felsche die Prokura erteilt worden. (4)

In der Folge wurde das Fabrikgelände sukzessive erweitert und ausgebaut. Im Jahr 1897 wurde an der Menckestraße ein dreistöckiges, 26-achsiges Verwaltungs- und Verkaufsgebäude errichtet. Bis 1921 folgte der etappenweise Bau eines weiteren, zum Poetenweg gerichteten Gebäudes, das durch seinen abgewinkelten Grundriss, das zweigeschossige Mansarddach und die 37 Fensterachsen aus heutiger Sicht als Krönung der Anlage gelten kann. (5)

Bemerkenswert erscheint dieser Baufortschritt vor allem aufgrund der Tatsache, dass der 1. Weltkrieg auch für die Schokoladenproduktion einen herben zwischenzeitlichen Einschnitt bedeutete. Während des Krieges führten der Mangel an Rohkakao und die Tatsache, dass viele Beschäftigte zum Kriegsdienst einberufen worden waren, zur Einstellung der Schokoladenherstellung und zur Umstellung der Produktion auf Zuckerwaren und Hafererzeugnisse. Erst im Spätsommer 1919 konnte die Fertigung von Tafelschokolade wieder aufgenommen werden. (6)

1937 verlagerte Willy Schütte-Felsche den Großteil der Produktion in eine neue Betriebsstätte in Wahren. In Gohlis wurden fortan nur noch Vorprodukte der Pralinenherstellung erzeugt. Nachdem während des 2. Weltkrieges von der Firma ausschließlich Wehrmachtsbedarf (u.a. Scho-Ka-Kola) hergestellt worden war, wurden die Fabrikgebäude kurz vor Kriegsende bei einem Luftangriff am 27. Februar 1945 stark beschädigt. (7)

Nach der Flucht der letzten Eigentümer der Firma Felsche, die ab 1949 zunächst in Hamburg und später in den Bremer Hanseaten-Werken ein neues Unternehmen aufbauten, wurde die Leipziger Firma zunächst als Betrieb in Verwaltung durch die „Vereinigung Volkseigener Betriebe Nahrungs- und Genussmittel Sachsen“ geführt und 1952 dann verstaatlicht. Es entstand der VEB Süßwarenfabrik Felsche. Zur endgültigen Tilgung des alten Familiennamens Felsche aus der Unternehmensbezeichnung kam es schließlich wenige Jahre später mit der Umfirmierung des Betriebes in VEB Schokoladenfabrik Goldeck.

1962 fusionierten der VEB Goldeck und der VEB Empor zum VEB Leipziger Süßwarenbetrieb. Am Standort in Gohlis wurde jedoch nur noch bis 1967 die Süßwarenproduktion aufrechterhalten. Bereits ab 1961 waren Teile der Betriebsstätte durch branchenfremde Unternehmen genutzt worden. Ab 1968 übernahm der VEB ORSTA-Hydraulik das Werksgelände und brachte dort seine Forschungsabteilung unter. Neben Entwicklungsarbeiten für den zivilen Bereich wurden hier auch „Auftrage für die Landesverteidigung“ erfüllt, unter anderem Testreihen für die Panzerproduktion. (9)

1990 wurde das Kombinat ORSTA-Hydarulik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Das Unternehmen nutzte das Betriebsgelände in Gohlis noch bis 1994. Danach wurde es von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft in die Verwaltung der Montan Wohnungsbaugesellschaft gegeben, die die Räumlichkeiten an verschiedene Selbstständige, Gewerbetreibende und Vereine vermietete. 2002 wurde das Gelände an die JUS Aktiengesellschaft für Grundbesitz veräußert, die daraus eine hochwertige Wohnanlage gestaltete. (10)

(1) vgl. „Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche“, in: http://www.leipziggohlis.de/tourismus/felsche.html.
(2) vgl. ebd.; Horst Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A – Z. PROLEIPZIG, Leipzig 2005, S. 145. Siehe auch: Susann Buhl: Wer nicht strebt, der nicht lebt! – Wilhelm Felsches Schokoladenimperium in Gohlis (im Folgenden „Buhl 2004“), in Leipziger Blätter Nr. 45, 2004.
(3) vgl. Adolph Schütte-Felsche – Fabrikant, in: http://www.leipzig-gohlis.de/historie/felsche.html.
(4) vgl. „Fabrik für Kakao- und Schokoladenherstellung W. Felsche“, in: http://www.leipziggohlis.de/tourismus/felsche.html.
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Felsche, dort nach Buhl 2004.
(6) vgl. Hansgeorg Herold, „Von der Wasserschenke zum Schokoladenpalais“ (im Folgenden „Herold, Schokoladenpalais“), in Bürgerverein Gohlis 2017, S. 153 – 159, hier S. 156f.
(7) vgl. Herold, Schokoladenpalais, S. 157.
(8) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zetti; http://www.leipzigdasdorf.de/StadtBurger/Norden/Gohlis/Gohlis.htm, beide aufgerufen am 30. August 2017; http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaft-undwende/und https://de-m.wiki.ng/wiki/Zetti, beide aufgerufen am 19. November 2017.
(9) vgl. http://www.zetti.de/unternehmen/, aufgerufen am 30. August 2017; http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaft-undwende/,aufgerufen am 19. November 2017; https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Felsche, dort nachBuhl 2004.
(10) vgl. http://www.schokoladenpalais.de/announcement/nachkriegszeit-sozialistische-volkswirtschaftund-wende/, aufgerufen am 19. November 2017.