von Matthias Judt

Die Konsumgenossenschaften in Deutschland waren einst eine Macht. In der DDR gehörten ihnen Millionen von Menschen an. (1) Konsummarken in ein kleines Heft einzukleben und die Rückvergütung für den Kauf der Weihnachtsgans einzusetzen, war Alltag in vielen Haushalten. Nachdem die coop eG (die einst aus der Konsumgenossenschaft Kiel-Flensburg hervorgegangen war) ihren Geschäftsbetrieb an eine gemeinsame Firma mit REWE abgegeben hat, (2) konkurrieren die Konsumgenossenschaften in Leipzig und Dresen darum, welche von beiden die nunmehr größte in Deutschland ist. Anders als in anderen europäischen Ländern (wie etwa Italien, der Schweiz oder Schweden) haben der coop-Skandal in der alten Bundesrepublik (ab 1988) und der Niedergang der ostdeutschen Konsumgenossenschaften seit 1990 zu ihrem fast vollständigen Verschwinden in Deutschland geführt.

„Konsum Leipzig“ (wie die Genossenschaft heute heißt) hat eine lange Geschichte. Bereits 1848 war in Leipzig ein Konsumverein gegründet worden, der allerdings 1850 verboten wurde. Eine erneute Gründung des Vereins 1865 endete – infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten – 1872 in der Selbstauflösung. Erst der am 3. Februar 1884 bei einer Gründungsversammlung gebildete „Consum-Verein für Plagwitz und Umgebung“ sollte Bestand haben und direkter Vorläufer der heutigen Konsum Leipzig eG sein. (3)

Einst unterhielt sie Hunderte von „Verteilstellen“, wie die Läden noch in den 1920er Jahren hießen, in die nur Mitglieder der Genossenschaft einkaufen gehen durften. Gleich zu Beginn der NS-Zeit wurde die Genossenschaft gleichgeschaltet. Am 20. Juni 1934 beschloss eine Vertreterversammlung zu diesem Zweck die Umbenennung in „Verbrauchergenossenschaft Leipzig-Plagwitz“. Mit der „Verordnung zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse“ vom 18. Februar 1941 wurden diese Genossenschaften aufgelöst und in das Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront (GW) übernommen. Zwar wurden in diesem Zusammenhang die Geschäftsanteile der Mitglieder rückerstattet, das Vermögen der Genossenschaft ging indes für sie verloren. Am 22. November 1941 wurde die Gemeinschaftswerk – Versorgungsring Leipzig GmbH, zu der etwa ein Sechstel des sächsischen Territoriums gehörte, ins Handelsregister eingetragen. (4)

Nach 1945 startete die Genossenschaft neu und erhielt von der sowjetischen Besatzungsmacht von Beginn an die Erlaubnis, auch an Nichtmitglieder Waren zu verkaufen. Dabei griff sie auf das bestehende und noch auszubauende Netz relativ kleiner Verkaufsstellen zurück.

Die Gohliser Konsum-Verkaufsstellen erlebten in den 1950er und 1960er Jahre mehrere Wechsel in der Zugehörigkeit. Ende September 1952 wurde die Konsumgenossenschaft Leipzig in eine Stadt- und eine Landgenossenschaft aufgespalten. 1961 entstand aus der Stadtgenossenschaft die „Konsumgenossenschaftsverband Stadt Leipzig eGmbH“ mit sieben selbständigen Stadtbezirksgenossenschaften, darunter der für Gohlis zuständigen. 1968 wurden die Stadtbezirksgenossenschaften wieder zu einer Stadtgenossenschaft zusammengeführt, der „Konsumgenossenschaft Stadt Leipzig“. (5)

Am 1. Januar 1991 wurde die heutige Konsum Leipzig eG durch Zusammenschluss der Konsumgenossenschaften Stadt und Kreis Leipzig sowie Delitzsch mit damals 579 Verkaufsstellen und 71 Gastronomiebetrieben gegründet. (6) Sie konnten in der Marktwirtschaft nicht alle überstehen. Gerade in Gohlis hatte dabei die Genossenschaft aber mit dem bis vor wenigen Jahren genutzten Ladenlokal in der Georg-Schumann-Straße noch eine vergleichsweise kleine Verkaufsstelle weiter betrieben, die erst aufgegeben wurde, als in unmittelbarer Nähe dazu auf der Höhe der Sassstraße ein REWE-Supermarkt neu gebaut und eröffnet wurde.

Die Leipziger Konsumgenossenschaft unterhält in Gohlis heute noch drei Standorte. Alle drei repräsentieren in ihrer jeweiligen Bauweise drei Epochen der Geschichte der Genossenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Viertelsweg finden wir ein Handelsobjekt vor, das die relativ kleinen Kaufhallen der DDR aus den 1960er und 1970er Jahren versinnbildlicht. Am Jörgen-Schmidtchen-Weg in Gohlis-Nord steht ein klassischer Kaufhallenbau in Plattenbauweise, wie sie in den 1970er und 1980er Jahre überall in der DDR entstanden sind. Und schließlich zeigt der Supermarkt in der Coppistraße, wie man im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnete Handelsarchitektur umsetzen kann. Das Objekt gehört zu den ersten Neubauprojekten von Konsum Leipzig nach der Wende und wurde mit einem Architekturpreis ausgezeichnet.

(1) vgl. Michel Prinz, „Das Ende der Konsumvereine in der Bundesrepublik Deutschland. Traditionelle Konsumentenorganisation in der historischen Kontinuität“, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (JWG) 1993/2, S. 159-188; Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR (Hg.), Konsum. Konsumgenossenschaften in der DDR, Köln 2006.
(2) vgl. https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/tschuess-sky-rewe-uebernimmt-id16740921.html.
(3) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konsum_Leipzig; http://www.konsum-leipzig.de/unternehmen/geschichte.html.
(4) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konsum_Leipzig, dort nach Mustafa Haikal, Gute Geschäfte. Die Geschichte der Leipziger Konsumgenossenschaft (im Folgenden „Haikal 2009“), Leipzig 2009; S. 240.
(5) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konsum_Leipzig, dort nach Haikal 2009, S. 245.
(6) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konsum_Leipzig, dort nach Haikal 2009, S. 244f.