von Hansgeorg Herold

Das Dorf Gohlis, erstmals urkundlich 1317 erwähnt und mit Sicherheit älter, ist vermutlich aus einer slawischen Siedlung hervorgegangen. Bereits diese Siedlung passte sich der natürlichen geografischen Gegebenheit auf einer kleinen Anhöhe nördlich der Pleißeniederung an und ist im Verlauf der Menckestraße (früher Hauptstraße) noch heute erkennbar. Die Führung der Straße mit der leichten Krümmung in der Mitte des Straßenzuges folgt noch immer dem historischen Verlauf. Sie hat sich über Jahrhunderte hinweg nicht verändert und selbst der wechselnden Bebauung stand gehalten. Auch Veränderungen bei den Verkehrsmitteln, von der Pferdebahn zur „Elektrischen“, haben den Platz in seiner ursprünglichen Gestalt nicht beeinflusst. Auf der platzartigen Erweiterung kurz vor der Krümmung befand sich früher der Anger des Dorfes. Der Anger lag meist in der Mitte des Dorfes, war im Gemeinbesitz und diente im Regelfall als Viehweide oder Versammlungsplatz. Auch öffentliche Gebäude wurden am oder auf dem Anger errichtet.
Der Anger in der Menckestraße war seit 1685 mit einem flachen Gebäude bebaut, in dem sich die Dorfschule und eine kleine Wohnung für den Lehrer befanden. 1774 wurde das Gebäude aufgestockt und im ersten Stock wurde ein Beetsaal eingerichtet. Außerdem erhielt das Gebäude einen Anbau für den Spritzenwagen der Feuerwehr und eine Arrestzelle. An der Außenwand befand sich ein Pranger mit Hals- und Fußeisen für Straffällige zwecks Strafverbüßung. 1818 wurde das Schulgebäude umgebaut und die Lehrerwohnung vergrößert. Lehrer Johann Gottlieb Fleischer, über 30 Jahre der einzige Lehrer in Gohlis, legte 1826 auf der östlichen Spitze des Angers einen kleinen Garten an. Nach 1830 wurde der Anbau erneut vergrößert und erhielt im ersten Stock eine Gerichts- und Gemeindestube. Im Erdgeschoss des Anbaus verblieben Gefängnis, Sektionslokal sowie der Raum für Feuerspritze und Leichenwagen. Das Gefängnishäuschen wurde 1885 abgerissen. Da das Schulgebäude weder den Bedürfnissen des Unterrichtes noch denen einer angemessenen Lehrerwohnung genügte, wurde es 1861 für diese Zwecke aufgegeben. Dafür wurde ein neues Schulgebäude am Lindenplatz (heute Kirchplatz) errichtet. Der Beetsaal wurde gottesdienstlich weiter genutzt, bis zur Einweihung der heutigen Friedenskirche am 31. Oktober 1873. Bis zum endgültigen Abriss des Gebäudes im Jahre 1887 wurden die Schulräume als Kinderbewahranstalt (Theresienstift) genutzt. Der ehemalige Anger war danach ein freier Platz, der 1890 zur Grünanlage, einem sogenannten „Schmuckplatz“ umgestaltet wurde. 1902 wurde die Anlage gestalterisch überarbeitet und mit der noch heute vorhandenen Umfassung versehen. Von Schäden durch Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg blieb der Anger zum Glück verschont. Allerdings wurde der Platz nach dem Krieg vorübergehend zur Trümmerablagerung genutzt.
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des neuen Sächsischen Denkmalschutzgesetzes von 1993 wurden zahlreiche Wohnhäuser der Menckestraße sowie der Dorfanger Gohlis mit der Kurzcharakteristik „Alter Gohliser Dorfanger als Sachgesamtheit“ in der Denkmalliste verzeichnet. Leider hat dieser aber seinen Denkmalcharakter 2005 wieder verloren. Er wurde vom Landesamt für Denkmalpflege in Dresden ohne Begründung von der Denkmalliste gestrichen. Trotz zahlreicher Anfragen und Hinweise durch Anwohner und den Bürgerverein Gohlis e.V. hat sich die Situation für den Anger bis heute nicht verändert. In der Mitte der Anlage befindet sich eine kleine Freifläche, die missbräuchlich als Parkplatz genutzt wird, obwohl sie nicht als solche ausgewiesen ist.

Auf Grund einer Initiative der Fraktion Freibeuter wurde 2019 ein Stadtratsbeschluss zur Neugestaltung des Gohliser Angers herbeigeführt. Über die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel sollte im Haushaltplan 2021/2022 entschieden werden.

Am 08.04.2021 erfolgte durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer (Frau Christiansen und Herr Zech) sowie durch Frau Müller vom renommierten Landschaftsarchitekturbüro Seelemann eine öffentliche Bürgerinformation über die für 2022 vorgesehene Umgestaltung des Gohliser Angers. Drei Varianten der Umgestaltung standen zur Auswahl, wurden ausführlich erläutert und konnten durch ein Votum bewertet werden. Die Anwesenden hatten die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten und Wünsche zu äußern. Es soll ein Platz mit denkmalpflegerischem Anspruch und hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Die Realisierung soll 2022 erfolgen, dafür wurden Investitionsmittel von 185.000 € geplant, von denen 90 % durch Förderung abgedeckt werden.

Nachdem sich der Bürgerverein Gohlis e.V. über nahezu 30 Jahre durch Initiativen und Aktionen für den Erhalt und die Gestaltung des Gohliser Angers engagiert hat, wird die
konkrete Planung und Realisierung des Vorhabens ausdrücklich begrüßt. Die vorgesehene Stele, die auf die Bedeutung des Dorfangers hinweisen wird, entspricht den Vorstellungen des Bürgervereins. Der ehemaligen Anger ist ein historischer Ort, der seit Jahrhunderten das Erscheinungsbild von Gohlis-Süd prägt. Ihm würde mit der Neugestaltung ein würdiges Aussehen verliehen.