von Ursula Hein

Kippenberg, Katharina geb. Catharina von Düring
(1876 Hamburg – † 1947 in Frankfurt am Main)

Catharina von Düring wurde am 1. Juni 1876, als fünfte Tochter des wohlhabenden Kaufmanns Hartwig von Düring und seiner Ehefrau Anna M. H. geb. Neubourg geboren, wuchs in Hamburg zusammen mit fünf Schwestern und einem Bruder auf. Ihr Vater starb schon 1893 und ließ seine Familie in guten finanziellen Verhältnissen zurück. Nach dem Tod ihres Bruders 1902 ging sie nach Leipzig und nahm als Gasthörerin 1903-1905 an philosophischen, historischen und literarischen Vorlesungen teil.
Ihren späteren Ehemann, den aufstrebenden Verleger Dr. Anton Kippenberg, lernte sie 1905 auf einer Eisenbahnfahrt nach Weimar durch den Leipziger Germanisten Witkowski kennen Beide Herren waren gemeinsam auf dem Weg zur Mitgliederversammlung der Goethe-Gesellschaft. Im September 1905 fand die Verlobung und schon im Dezember die Vermählung statt. Das junge Ehepaar bezog eine Wohnung in Gohlis in der Fechnerstraße 10/12, dort wurden die Töchter Jutta und Bettina geboren.
Katharina Kippenberg, wie sie sich seit ihrer Eheschließung schrieb, unterstützte ihren Mann beim Auf- und Ausbau des Insel Verlages zum führenden deutschen Literaturverlag. Anton Kippenberg vertrat den konservativen Klassikerbereich, seine Frau war als Lektorin für die moderne zeitgenössische Literatur zuständig. Ihre Freundschaft mit Rainer Maria Rilke ist legendär, der Dichter beendete im Turmzimmer der Villa Kippenberg 1910 seine „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Expressionistische Dichter wie Johannes R. Becher, Theodor Däubler aber auch Hans Carossa wurden durch Stipendien des Verlags unterstützt. 1914 organisierte Katharina Kippenberg bei der BUGRA, der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig, die Unterabteilung Buchillustrationen innerhalb der Sondergruppe „Die Frau im Buchgewerbe und der Graphik“.
Nachdem ihr Mann zu Beginn des 1. Weltkrieges eingezogen worden war, leitete Katharina Kippenberg den Verlag, im Mai 1918 erhielt sie Prokura und 1922 wurde sie Kommanditistin. Die von ihr protegierten Autoren des Expressionismus wie Johannes R. Becher, Leonhard Frank, Martin Andersen Nexö und Heinrich Mann strich Anton Kippenberg nach der Rückkehr aus dem Krieg wieder aus seinem konservativen Verlagsprogramm. Als in den 20er Jahren die alten Klassiker-Ausgaben nicht mehr so gefragt waren, entdeckte und lektorierte Katharina Kippenberg englische und amerikanische Autoren wie Virginia Woolf, Aldous Huxley und D. H. Lawrence.
Neben der Verlagstätigkeit widmete sich Katharina Kippenberg ihrer Familie und der Gestaltung der Villa Kippenberg in der Richterstraße 27. Die mit Möbeln der Goethezeit eingerichtete Familienvilla in Gohlis wurde unter dem Namen „Palazzo Chippi“ zu einem literarischen Salon des Ehepaars. Katharina Kippenberg organisierte Dichterlesungen, Konzerte, Empfänge. Wie das im Marbacher Literaturarchiv inventarisierte Gästebuch zeigt, waren namhafte Vertreter aus Kunst, Kultur und Wissenschaft dort häufig zu Gast, unter anderem Max Planck, Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Elly Ney, Reichkanzler Hans Luther ebenso wie die deutsche Kronprinzessin Cecilie. Auch die Familie Goerdeler gehörte zu den engen Freunden des Hauses.
1933 änderte sich einiges im Verlagswesen. Nachdem Katharina Kippenberg dem Nationalsozialismus zunächst aufgeschlossen gegenüber stand, änderte sie nach SA-Ausschreitung, Verlagsreglementierungen und der Flucht bedeutender, meist jüdischer Autoren ihre Haltung. Während es ihrem Mann gelang, den Verlag weitgehend aus der Politik herauszuhalten und vor allem Autoren der „Inneren Emigration“ veröffentlichte, hielt sie weiterhin Kontakt zu Autoren wie Stefan Zweig, Ricarda Huch, Edzard Schaper, Reinhold Schneider sowie zu der Familie Goerdeler.
Katharina Kippenberg edierte und kommentierte schon seit 1914 die moderne Literatur im Insel Verlag. Sie gilt inzwischen als eine der bedeutendsten Verlegerinnen des 20. Jahrhunderts. 1935 schrieb sie eine Rilke-Biographie, der letzte Band „Kleine Aufsätze“ kam posthum 1948 heraus.
Die Kriegsereignisse hatten auch vor dem Insel Verlag nicht halt gemacht, 1943 war das Verlagshaus und 1945 die Gohliser Villas zerstört worden. Die ausgelagerte Goethesammlung entkam den Bombenangriffen, das Ehepaar überlebte in Weimar und Walbach. Die letzten Jahre führten beide dann von Leipzig weg. Schon 1945 verhalfen die Amerikaner der Familie, die Goethe- und Rilkesammlung nach Marburg zu bringen, wo die Amerikaner einen „Collecting point“ eingerichtete hatten, den die Universitätsbibliothek betreute. In dieser Stadt ließen sich die Kippenbergs nieder.
Trotz Krankheiten und Depressionen, die sie ihr Leben lang geplagt hatten, arbeitete Katharina Kippenberg bis zu ihrem Tode für den Insel Verlag und an ihrem letzten Buch über Rilkes Duineser Elegien, dessen Herausgabe sie 1946 noch erlebte.
Für ihre Verdienste verlieh ihr die Universität Leipzig am 22. Mai 1946 und die Universität Marburg am 1. Juni desselben Jahres die Ehrendoktorwürde, doch da war sie schon sehr krank und konnte die Ehrungen nicht mehr selbst in Empfang nehmen.
Sie starb am 7. Juni 1947 in einem Frankfurter Krankenhaus und wurde am 12. Juni 1947 in Marburg beigesetzt. Auf dem Friedhof ist das Ehepaar Kippenberg beide in einem „Ewigen Grab“ wieder vereint.

Werke in Auswahl
Deutsche Choräle. Auswahl und Nachwort Leipzig 1914
Die Anrede. In: Navigare necesse est. Eine Festschrift für Anton Kippenberg. Leipzig 1924
Insel-Almanach auf das Goethejahr 1932 Leipzig 1931(Hrsg.)
Georg Trakl: Gesang des Abgeschiedenen. Nachwort Leipzig 1933
Rainer Maria Rilke. Ein Beitrag Leipzig 1935
Rainer Maria Rilke, Späte Gedichte Leipzig 1934
Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien und Sonette an Orpheus. Wiesbaden 1946
Kleine Schriften. Wiesbaden 1948 (posthum. Sammelband mit früher publizierten Aufsätzen)

Literatur:
Sabine Knopf: Katharina Kippenberg – Herrin der Insel. Markkleeberg und Beucha, Sax-Verlag 2010.
Kussmaul, Ingrid, Die Sammlung Anton und Katharina Kippenberg. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft Bd. 15, 1971, S.505-554
Schnack, Ingeborg, Die Rilke Handschrift der Sammlung Kippenberg. In Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft Bd. VII 1963, S.536-550