Von Stefan W. Krieg-von Hößlin

Seit dem vergangenen Jahr saniert die Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW eG) die Wohnhausgruppe Krokerstr. 11–15/Renkwitzstr. 10–12. Nach Entwürfen und unter der Bauleitung des Büros W&V Architekten GmbH (früher: Weis & Volkmann) werden die Fassaden liebevoll wiederhergestellt und das Innere unter Bewahrung vieler historischer Details heutigen Wohnbedürfnissen behutsam angepasst. Mit dem neuen Namen ehrt die Genossenschaft ihren Architekten an seinem wohl wichtigsten Werk.

Fritz Albin Ferdinand Riemann wurde am 26. Februar 1881 in Schlotheim als Sohn eines Bäckermeisters geboren. Von seiner Ausbildung wissen wir nur, dass er 1907/08 ein Jahr an der Technischen Hochschule Darmstadt studierte. 1908 kam er nach Leipzig, seit etwa 1911 war er Mitarbeiter des Architekten Georg Lubowski, der neben Privatbauten auch die Eisenbahnersiedlung Lindenthal plante. Dafür gab es 1913 erste Zeichnungen Riemanns. Lubowski schloss sein Büro 1917; ab 1919 plante Riemann – nun selbstständig – den weiteren Ausbau dieser Siedlung. 1921 errichtete dieselbe Genossenschaft eine Wohnanlage in der Blochmannstraße, die vielleicht den Anstoß gab, dass sich die neugegründete Baugenossenschaft für die Reichsfinanzbeamten für Fritz Riemann entschied.

Er errichtete bis 1939 fast 2.000 Wohnungen für die heutige VLW in Gohlis, Connewitz, Eutritzsch und Leutzsch. Außerdem gab es Planungen von ihm aus den Jahren 1938–42 für eine weitere Wohnanlage in Mockau mit 360 Wohnungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet werden sollte, aber nicht mehr gebaut wurde. Da Riemann nicht bei der Genossenschaft angestellt, sondern freier Architekt war, entwarf er gleichzeitig für andere Bauherren über 500 weitere Wohnungen und zahlreiche Einfamilienhäuser, von denen sich etliche an der Ludwig-Beck-Straße und Hoepnerstraße befinden. Aus der Zeit nach Kriegsende sind keine Planungen mehr bekannt; Fritz Riemann starb am 9. März 1955 in Leipzig; sein Grab befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof.

Allein schon aus dem Umfang seiner Bautätigkeit wird seine Bedeutung als einer der wichtigsten privaten Architekten in Leipzig zwischen den beiden Weltkriegen deutlich. Noch entscheidender ist aber die architektonische und städtebauliche Qualität seiner Entwürfe. Er fasste die einzelnen Häuser zu Baugruppen zusammen, die er mit Erkern und Giebeln gliederte und in ihrer Symmetrie betonte. Immer wieder wich er von den Festlegungen der Bebauungspläne ab und fand neue Lösungen als städtebauliche Höhepunkte. Mehrfach rundete er stumpfwinklige Brüche der Baufluchten (Coppistraße 23, Rudi-Opitz-Straße 2–8). Sorgfältig stufte er Eckgebäude ab, um auf unterschiedlich hohe Nachbarhäuser Rücksicht zu nehmen (Coppistraße 30/Renkwitzstraße 2 und Krokerstraße 14a/Wustmannstraße 1). Am eindrucksvollsten aber ist das „Riemann-Quartier“: Auf dem spitzen Winkel zwischen Krokerstraße und Renkwitzstraße ordnete Riemann einen ovalen Kuppelbau an, den man durch einen Portikus mit vier dorischen Säulen betritt – der wohl schönste Genossenschaftsbau in Leipzig.